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Hallo,

ich habe mich jetzt doch mal dazu durchgerungen, hier einen Beitrag zu schreiben. Leider ist er dann doch etwas länger geworden.

Ich bin männlich und 29 Jahre alt. Es gibt derzeit hauptsächlich zwei große Probleme die mich belasten. Das erste ist, dass ich unter einer Sozialen Phobie leide.

Das zeigt sich bei mir z.B. dadurch, dass ich lediglich einen einzigen guten Freund habe, mit dem ich hin und wieder etwas unternehme. (Da dieser Freund vor ca. einem halben Jahr aus beruflichen Gründen gut 100 km weit weg gezogen ist, sind die wenigen Treffen mit ihm leider noch weniger geworden, als ohnehin schon.) Davon abgesehen habe ich zum jetzigen Zeitpunkt, abgesehen von meinem Job, keinerlei soziale Kontakte. Ich hatte bis zum 18. Lebensjahr einen kleinen Kreis von drei, vier Leuten, die ich aus Schulzeiten kannte und mit denen ich hin und wieder was unternommen habe. Allerdings hatte ich bei diesen Menschen immer das Gefühl, dass sie sich eher über meine Schwächen lustig machen oder mich nur kontaktiert haben, wenn sie etwas von mir wollten. (Wahrscheinlich habe ich mir damals gedacht, lieber schlecht behandelt werden, als ganz alleine zu sein.) So habe ich diese Kontakte mit der Zeit einfach einschlafen lassen oder sie von mir aus beendet.

Die Soziale Phobie zeigt sich bei mir insbesondere im Kontakt (oder besser gesagt Nichtkontakt) zum weiblichen Geschlecht. Soll heißen, dass ich große Ängste u. Schwierigkeiten habe, Frauen anzusprechen und kennenzulernen. Das hat dann auch dazu geführt, dass ich mit meinen 29 Jahren noch nie eine Freundin gehabt habe und somit auch keinerlei körperliche Erfahrungen mit Frauen habe. Das Ganze ist mir sehr peinlich und unangenehm und macht mir sehr zu schaffen. (Ich gehe davon aus, dass die Probleme im Umgang mit Frauen u.a. daher rühren, dass ich seit jeher und bis heute ein schlechtes u sehr distanziertes Verhältnis zu meiner Mutter habe.)

Das andere Problem ist, dass ich (vermutlich) unter ADHS bei Erwachsenen leide. Ich schreibe vermutlich, weil ich das bis jetzt nicht offiziell habe testen oder feststellen lassen. Das zeigt sich bei mir, indem ich, wenn ich versuche Dinge zu lernen, große Schwierigkeiten habe mich zu konzentrieren. Ich kann mich nur sehr kurz, manchmal nur 20, manchmal 30 Minuten mit Lerninhalten beschäftigen, bevor ich merke, dass ich unruhig werde. Das hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass ich, wenn es ans Lernen ging, immer schnell frustriert war und aufgegeben habe oder es gleich ganz gelassen habe.
Das und die Tatsache, dass ich lange Zeit im Leben nicht wirklich wusste, wo ich beruflich hin will und es bis heute nicht 100 prozentig weiß, haben dazu geführt, dass ich bis heute beruflich so gut wie nichts erreicht habe.

Ich habe zwar meine Mittlere Reife mit einem Notendurchschnitt von 1,8 erreicht und auch eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Fremdsprachenkorrespondenten. Da die besagte Ausbildung aber eine rein schulische war und noch dazu privat finanziert wurde, ist sie auf dem Arbeitsmarkt so gut wie nichts wert und ich finde keinen Job mit dieser „Qualifikation“. Nun arbeite ich als Taxifahrer, um zumindest Geld zu verdienen und krankenversichert zu sein.

Aber der Taxijob ist mies bezahlt, er unterfordert mich und ist gesellschaftlich leider überhaupt nicht angesehen. ( Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass man mit diesem Job von den meisten Leuten wie der letzte Penner angesehen und behandelt wird.) Ob ich mit meinem Lebenslauf und in meinem Alter jemals die Chance bekomme, eine weitere Ausbildung zu machen, ist auch fragwürdig. Vermutlich lautet das Schicksal dann lebenslang Hilfsjobs machen.

Man sagt, dass Menschen, die unter sozialer Phobie leiden, Angst haben von anderen schlecht bewertet / beurteilt zu werden und deshalb den Kontakt mit anderen Menschen vermeiden. Meine größte Angst besteht darin, dass sowohl Frauen als auch Männer mich aufgrund meines Jobs und dem, was ich beruflich bisher erreicht (oder eher nicht erreicht habe), ablehnen und schlecht über mich denken.

Ich weiß, dass es weder gut noch hilfreich ist, aber ich vergleiche mich auch ständig mit anderen und denke mir dann, der und der ist nur wenig älter als du und macht Karriere, ist verheiratet, hat ein Kind usw.

Ich denke auch, dass insbesondere Frauen, wenn sie studiert haben, oder eine Berufsausbildung absolviert haben und nun erfolgreich in einem bestimmten Job arbeiten, einen Partner wollen, der beruflich mit Ihnen mithalten kann und auf derselben Augenhöhe ist und kein Verständnis dafür haben, dass jemand in meinem Alter beruflich noch nichts zustande gebracht hat.

Genau diese Gedanken bestärken mich nur noch in meiner Sozialen Phobie und ich sage mir, ich spreche lieber keine Frau an oder gehe dorthin, wo ich eine kennen lernen kann, denn sobald sie mehr über mich erfährt und darüber, was ich für einen Job mache, dass ich keinerlei Erfahrung im Umgang mit Frauen und kein wirkliches Sozialleben habe ist sie eh ganz schnell wieder weg.

Denn jemand, der eine „normale“ Lebensentwicklung durchgemacht hat und nie unter Problemen wie Depressionen, Sozialer Phobie oder Lernschwierigkeiten zu leiden hatte, wird das alles vermutlich nicht nachvollziehen können.

Auch Dinge um neue Leute kennen zu lernen, wie z.B. die Mitgliedschaft in einem Sportverein vermeide ich, weil ich auch dort denke, früher oder später fragen sie dich doch, was machst du denn so beruflich und dann muss ich erzählen, was ich tue und niemand wird Verständnis haben, dass ich karrieremäßig so versagt habe.

Danke fürs Lesen und vielleicht mag jemand schreiben, wie er oder sie die Sache sieht.

30.12.2014 00:19 • 16.01.2015 #1


5 Antworten ↓


Hallo Sunrise85,

hast Du Dich mal wegen beruflicher Perspektiven beraten lassen, vielleicht bei einem Jobcenter? Übrigens, nach zwanzig, dreißig Minuten beim Lernen Schwierigkeiten mit der Konzentration zu bekommen, würde ich als normal einschätzen. Wenn diese wirklich erheblich sind, könnte das auch mit Ängsten statt mit ADHS zu tun haben, ansonsten hätte es früher viel größere Schwierigkeiten in der Schule oder bei Deiner Ausbildung zum Fremdsprachenkorrespondenten gegeben. Es müsste doch Möglichkeiten geben, Dich in dem Bereich weiter zu qualifizieren, evtl. auch ein Studium. Dass der Job als Taxifahrer allgemein schlecht angesehen wird, würde ich so nicht sagen, ganz im Gegenteil. Ich kann aber gut verstehen, dass Du etwas anderes machen willst.

Ansonsten kann ich vieles von dem nachvollziehen, was Du zu den sozialen Problemen schreibst. Hatte früher viele Freundschaften und Bekannte, lebe aber seit längerem ohne soziale Kontakte, außer im beruflichen Bereich. Ich habe mein erstes Studium abgebrochen und dann ein neues angefangen. Nachdem das abgeschlossen war, mache ich jetzt noch ein zweites, darauf aufbauendes Studium. Es ist auch nicht immer leicht, wenn ich mir vorstelle, dass andere in meinem Alter (paar Jahre älter als Du) bereits eine Familie gegründet haben und dass mir das schon aus finanziellen Gründen nicht möglich ist. Dass manche Leute vielleicht kein Verständnis für einen untypischen Lebensweg haben, ist natürlich hart. Aber auf die kann man auch verzichten, egal welche Art von Beziehung . Allerdings, es gibt auch andere.

Grüße, guten Rutsch

pc

A


Beruflich versagt = keine Chance auf Beziehung?

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Ich kann deine Probleme verstehen. Ich habe auch manchmal große Hemmungen, fremde Menschen (vor allem fremde Frauen) anzusprechen. Auch kann ich mich oft schwer beim Lernen konzentrieren.

Deine Auffassung ist offenbar: Ich trete nicht in Kontakt mit anderen, weil ich der Auffassung bin, dass sie mich eh nicht mögen. Damit verallgemeinerst du ohne jegliche Grundlage, um deinen Ängsten auszuweichen.

Auch Dinge um neue Leute kennen zu lernen, wie z.B. die Mitgliedschaft in einem Sportverein vermeide ich, weil ich auch dort denke, früher oder später fragen sie dich doch, was machst du denn so beruflich und dann muss ich erzählen, was ich tue und niemand wird Verständnis haben, dass ich karrieremäßig so versagt habe.
Wenn es halt mal nicht klappt und man sein Ziel nicht sofort erreicht, dann ist man ja nicht gleich ein Versager.
Versagt hat man, wenn man aufgibt und sich nicht was anders sucht, wenn es nicht klappt.
Wenn du dann nichts besseres als Taxifahren findest, hat der Staat versagt, nicht du!

Wenn jemand kein Verständnis für dich hat, dann ist er halt zu unwissend und hat kein Einfühlungsvermögen.
Das ist nicht dein Mangel, sondern der Mangel der anderen und was andere nicht können muss einem nicht interessieren.

Man muss sich erst als Versager fühlen, wenn man aufgibt und nichts verbessert.
Sich selbst die Verantwortung zuschieben bringt nichts und kommt mir blödsinnig vor.
Ich fühle mich selbst nich völlig frei in meinen Handeln, sondern immer irgendwie beeinflusst durch
meine Vergangenheit oder die Umgebung.

Die Lernschwierigkeiten eventuell können auch daher kommen, dass man Angst hat zu versagen, deswegen abgelehnt werden
und daher von vornherein sich selbst daran hindert, sich zu konzentrieren, damit man Nachher eine Berechtigung hat,
die möglichen Ängste vermieden zu haben.

Ich weiß selber, dass es schwer ist sich seinen Ängsten zu stellen. Doch anders wird man sie nach meinen Kenntnisstand nicht los.

Ich würde dir empfehlen eine psychotherapeutische Beratungsstelle aufsuchen und wünsche dir weiterhin viel Glück.

Wenn man jung ist, muss man schon noch was verändern, sonst könnte man ja was verpassen im Rest seines Lebens und wäre auf jeden Fall schlimmer als ein paar tausend Mal abgelehnt werden.

Nur Mut! Ich kenne deine Probleme und stecke in einer ähnlichen Situation. Zu meiner sozialen Phobie kam jetzt sogar noch eine Depression und Angststörung. Ich hatte vor einer Weile ein gutes Jobangebot, habe es aber abgelehnt, weil meine soziale Phobie einfach total im Weg stand und ich Angst hatte, bei meinem jetzigen Arbeitgeber zu kündigen. Habe mich die ganze Zeit gefragt, was werden meine KollegInnen nur denken? Hatte viele irrationale Gedanken, obwohl ich den neuen Job ja eigentlich wollte und er total meinen Wünschen entsprach. Nach zwei Wochen, nachdem ich den Job abgelehnt habe, viel ich dann in ein so tiefes Loch, dass ich den ganzen Tag nur rumlag und morgens schon getrunken habe. Trinke jetzt immer noch ab und zu am Morgen, um die Ängste abzustellen und den Körper in Fahrt zu bringen. Habe jetzt auch Angst, beruflich auf der völlig falschen Bahn zu sein und sehe kaum Hoffnung am Horizont. Seitdem habe ich quasi all meine sozialen Kontakte abgebrochen, was mich total belastet. Es ist wirklich schwer, alleine Entscheidungen zu treffen und alleine durch Krisen zu gehen. Mit Frauen habe ich vergleichbare Schwierigkeiten, hatte auch noch nie eine Freundin. Was ich aber aus der Situation gelernt habe, ist, ich brauche vor gar nichts Angst haben, irrationale Gedanken sind einfach ein gemeiner Zug unseres Gehirns, aber das ist nicht real. Ich bin jetzt in medikamentöser Behandlung und habe auch schon einen Termin für eine Psychotherapie. Das Medikament hilft gegen meine Sozialphobie, aber nicht gegen die Angst, beruflich und sozial in der Sackgasse zu sein. Ich fühlte mich noch nie so schlecht in meinem Leben und wünsche keinem, diese Erfahrung zu machen. Es ist als wäre ich in meiner eigenen Horror-Show. Wer mal selber Nacht für Nacht vor lauter Angst aufwacht, mit Schwitzen, Herzklopfen, Grübeln, Vorwürfen, Schmerzen... und den Tag nur nach zwei Stunden Anlauf mit Alk., Ablenkung und Zig. starten kann, der weiß, dass Probleme nur eine Frage der Perspektive sind. Was dir helfen kann, ist auch vielleicht eine andere Perspektive einzunehmen und deine positiven Seiten zu erkennen. Schließlich kannst du dich glücklich schätzen, keine Depression und andere Angstzustände zu haben, die häufig noch bei sozialen Phobikern hinzukommen, auch weil sie Möglichkeiten aufgrund ihrer Krankheit verpassen. Auch meisterst du einen Beruf, bei dem man täglich im Kontakt mit Menschen ist. Was dir helfen kann, ist vielleicht auch über Hobbies dein Selbstbewusstsein aufzubauen und dich vielleicht auch ein bisschen mehr zu fordern? Ich habe zum Beispiel angefangen Gitarre und Klavier zu spielen. Zusätzlich noch Zeichnen und eine neue Sprache. Persönlich hatte ich mehr durch meine neuen Hobbies erhofft, aber es gibt meinem Leben doch mehr Sinn und ich habe in der Musik etwas, dass mir an so manchem schlechten Tag wieder ein Stück Hoffnung gegeben hat. Du musst dich als Mensch ja nicht nur durch deinen Job definieren, du hast mehr Eigenschaften. Das hört sich einfach an, ist es aber überhaupt nicht. Mein Job definiert mich auch und das macht mich teilweise echt nidergeschlagen.
Das schöne an diesem Forum ist auch, man weiß, man ist nicht allein. Ja, es gibt viele, die Karriere machen und ihre Träume verwirklichen konnten, aber es gibt auch viele, die jeden Tag Hürden nehmen müssen und für die alles ein Kampf gegen die inneren Ängste ist. Mir hat es geholfen auch mal zu denken, trotz all meiner Angst im Umgang mit Menschen, die mir schon Vieles verdorben hat, habe ich auch schon viele schöne Erfahrungen im Leben gesammelt und kann mir durch meinen Beruf auch mal etwas leisten. Ich versuche das Positive zu sehen, auch wenn mein Körper sich dagegen wehrt und ich weiß, dass der nächste Morgen wieder eine Qual wird. Durch die Medikamente kann ich den Kampf gegen meine Ängste wieder angehen, auch wenn die Ängste und Sorgen überwiegen. Ich wünsche mir auch mal eine Frau kennen zu lernen und habe zumindest im Online-Dating-Bereich Kontakt zu Frauen. Es ist nur ein kleiner Schritt, der mir Hoffnung gibt, aber ohne Hoffnung geht es zur Zeit nicht weiter. Hast du mal Online-Dating ausprobiert?
Ich wünsche jedem, dass er nie die Hoffnung verliert und sich nicht so sehr von seiner Phobie lenken lässt, dass es noch tiefer bergab geht. Also, nur Mut, wir sitzen alle im selben Boot! Es wurde schon geschrieben, aber ich kann auch nur jedem raten, eine Therapie zu starten, so früh es geht! Ich habe erst damit angefangen, als die Krankheit so krass meine berufliche Richtung mitbestimmt hat, dass es mich zerstört hat und wünschte jetzt, ich hätte schon mit einer Therapie angefangen, als ich mit 19 Angst davor hatte, vorm Kassierer an der Kasse stehen. Es kostet viel Kraft eine Therapie aufzunehmen und erstmal den Kontakt herzustellen, aber es ist es Wert und ein vergleichbarer kleiner Preis verglichen mit dem, was es einem bringt.
Allerbeste Wünsche

Principa, ich schliesse mich deiner Meinung an. Man sollte mit einer Therapie früh starten, denn es kann wircklich einem helfen. Liebe Grüsse.

Danke, jenali...





Dr. Reinhard Pichler
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