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Ich habe Angst im Alltag bei normalen Sachen Nein zu sagen . Ich hab Angst, dass wenn ich Nein sage, mich die Leute nicht mehr mögen. Das ist auch bei Freunden und Familie so.
Dieses Verhalten hat mich sogar schon in unangenehme Situationen gebracht, in denen ich nicht sein wollte.

11.06.2021 08:45 • 15.06.2021 x 3 #1


14 Antworten ↓


Geht mir auch heute noch so - und genau so läuft es dann auch meistens: Man findet sich in besch*enen Situationen wieder... Gerade (!) bei Freunden und Familie ist das der Fall.

Ehrlichkeit zahlt sich langfristig immer aus, auch wenn´s schwerfällt. Wenn uns die Leute wegen unserer Ehrlichkeit nicht mögen, ist auch das eine Konsequenz - aber es war zumindest meine aufrichtige Entscheidung, nein zu sagen... Hm, ich muss mich wirklich öfter dran halten - danke für die (unbeabsichtigte) Erinnerung!

A


Angst "Nein" zu sagen

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@moo vermutlich sollte ich es öfter tun, wenn ich wieder tief aus meinem inneren ein nein spüre. Man soll sich ja seinen Ängsten stellen... Bei Familie und Freunden scheint es mir erstmal am einfachsten ...

Mir ist ein ehrliches Nein lieber als ein unzuverlässiges Ja. Oder ein Ja, wo man dann spürt, dass es nur widerwillig gemacht wird.

Wenn jemand nein sagt, dann weiß man wie man dran ist, welche Vorlieben und Schwächen jemand hat....
Bei Dauerjasager kriege ich eher das Gefühl, dass ich ihn ausnütze und das widerrum macht mir ein schlechtes Gewissen, aber da der andere nicht ehrlich ist, ist es schwer zu beurteilen, was macht er gerne, was geht eigentlich über sein wollen und vielleicht sogar können hinaus.

Ich hatte damit jahrelang auch wirklich große Schwierigkeiten die mir sehr zu schaffen gemacht haben.

Ich konnte aus Angst vor Ablehnung und dem damaligen Drang von allen gemocht zu werden/niemals anzuecken einfach nicht nein sagen oder Grenzen setzen, was zur Folge hatte dass ich mich irgendwann am Rande meiner Kräfte/Belastbarkeit fühlte und von meinen Mitmenschen nicht ernst genommen oder als Trampelwiese benutzt wurde.

Ich musste das Nein sagen wirklich über viele Jahre üben bzw zwang mich meine MS Diagnose vor 10 Jahren dann dazu meine Grenzen kennen zu lernen und dazu zu stehen, weil ich einfach nicht mehr so funktionierte wie gewohnt und nein sagen musste ob ich wollte oder nicht...und es war auch oft schmerzhaft und ja es hat mich Freundschaften/Menschen gekostet, aber um die ist es im Nachhinein nicht schade.

Mir hat auch oft der Satz geholfen: ein Nein zu dir ist ein Ja zu mir.

Es kann auch helfen sich zu fragen was das schlimmste sein könnte das passiert wenn du nein sagst (Ablehnung/Unverständnis anderer) und wie du dann damit umgehst bzw wie du die Situation in etwas positives umwandeln kannst (geschafft Grenzen zu setzen um auf deine eigenen Bedürfnisse zu achten, diese ernst zu nehmen).

Und es ist wirklich ein tolles Gefühl wenn man dann merkt wie gut es einem selbst tut wenn man sich für sich selbst stark macht (hört sich jetzt doof an) und auch mal nein zu anderen sagt anstatt immer und ewig auf sich herumtrampeln zu lassen/in komische Situationen zu kommen.

Bei mir ging das auch nicht von heute auf morgen, denke das ist ist ein längerer Prozess den man da durchläuf, aber man kann eigtl nur gestärkt da rauskommen wenn man sich da wirklich drum bemüht Grenzen setzen und nein sagen zu üben (auch wenn es mal unangenehme Konsequenzen hat). Du tust das ja für dich!

Man ist kein schlechterer Mensch oder weniger liebenswert wenn man nein sagen kann, ehrlich ist und seine Grenzen kennt/ diese zieht.

Viele Grüße Mia

Zitat von moo:
Gerade (!) bei Freunden und Familie ist das der Fall.

Ich glaube, das Bedürfnis nach Zugehörigkeit ist eines der stärksten bei einem sozialen Lebewesen. Da verbiegt man sich schnell, um diese Zugehörigkeit nicht zu verlieren. Bis zu einem gewissen Grad ist das wohl auch nötig, denn wer ohne soziale Zugeständnisse durchs Leben geht, ist vielleicht "ehrlich" aber auf Dauer auch einsam.

Nicht selten ist der Anspruch auf absolute "Ehrlichkeit" aber auch nur fehlende Bereitschaft zur Rücksichtnahme.

Der Grat ist schmal, und ihn für sich selbst so balancieren, dass man auf keiner Seite runterfällt, ist wohl eine lebenslange Challenge.


Zitat von CIRCLEOFFEAR:
Bei Familie und Freunden scheint es mir erstmal am einfachsten ...

Vermutlich ist es tatsächlich in der Familie leichter, zumindest, wenn diese einigermaßen normal funktioniert. Da greift die Erkenntnis, dass Blut dicker als Wasser ist und familiäre Bindungen in der Regel belastbarer sind als andere Beziehungen.

Das, was pubertierende Teenager ihren Eltern an den Kopf werfen, dürften sie sich noch nicht mal ansatzweise bei ihren Freunden erlauben . Freundschaften wollen und müssen in Sachen Abgrenzung behutsamer behandelt werden.

Es ist nicht klug, jemanden vor den Kopf zu stoßen, an dem einem etwas liegt. Was man aber bei Freunden gut kann ist, genau darüber zu reden. Etwa in dem Sinn "Ich tu gern viel für dich, weil du mir wichtig bist und ich möchte immer da sein, wenn du mich brauchst. Aber ich wünsch mir, dass wir beide auch Freunde sind, wenn wir mal nein sagen, wenn uns was zu viel ist."

Oder so ähnlich

Zitat von CIRCLEOFFEAR:
Ich habe Angst im Alltag bei normalen Sachen Nein zu sagen .

Was würde / kann sich ändern , wenn du an deinem Nein arbeitest?
Deine Wünsche und Vorstellung können erfüllt werden...., du übernimmst Verantwortung und stehst dazu.

Dein Gegenüber wird damit klarkommen und du fühlst dich damit nicht schuldig, seine Erwartungen nicht erfüllt zu haben.
Stehe zu dir und deinem Nein. Man muß nicht immer allen gefallen und somit wird das Nein auch leichter auszudrücken .

Zitat von Regenschein:
Mir hat auch oft der Satz geholfen: ein Nein zu dir ist ein Ja zu mir.


Schön griffiger Merksatz! Ich habe mir es so formuliert: Ich tue es für mich, nicht gegen dich.
Ich verwende ihn auch zuweilen verbal, wenn ich merke dass mein Gegenüber sich brüskiert fühlt.

@Regenschein. Das mit der MS Diagnose tut mir leid. Wünsche dir nur alles Gute. Aber klar, durch fehlende Abgrenzung kann man krank werden. Egal ob physisch oder psyschich.
Finds gut, dass du einen Weg gefunden hast, um mit Abgrenzung klar zu kommen.

@CIRCLEOFFEAR Vielen lieben Dank
Mittlerweile komme ich nach 10 Jahren tatsächlich sehr gut damit klar, habe bis jetzt zum Glück kaum körperliche Einschränkungen, nur psychisch und nervlich bin ich nicht so belastbar und hab auch weniger Energie als andere gleichaltrige aber für mich ist die MS eher eine Alarmanlage dass ich besonders gut auf mich/Gesundheit/Grenzen achten muss.

Ich wünsche dir dass du für dich auch einen guten Weg findest mit Abgrenzung umzugehen bzw diese zu üben. Das ist wirklich so ein wichtiges Thema was dir ein großes Stück inneren Frieden bringt.

Man muss ja nicht andere wie ein Schmied mit dem Hammer vor den Kopf stoßen oder engstirnig und verbissen seine Grenzen verteidigen und nein brüllen, sondern kann dass auch sehr empathisch und freundlich tun, sodass die Mitmenschen auch verstehen können warum man so handelt, (auch wenn das Zeit, Geduld und Energie kostet), die Menschen denen du am Herzen liegst werden dich verstehen können und dein Nein akzeptieren.

LG Mia

Als Mensch, der ohne Liebe und emotionale Sicherheit aufwuchs, ist es existenziell notwendig, sich lebenslang das Fehlende zu substituieren, d. h. wir brauchen die erklärte und spürbare Zuneigung anderer. Jemand, der mit Liebe und emotionaler Sicherheit aufwuchs, braucht diesen Ersatz nicht und kann unabhängig von anderen nach seinen Bedürfnissen "ja" oder "nein" sagen, es ist kein Thema für ihn, denn er befürchtet nicht, das für ihn so Wichtige verlieren zu können, er ist selbstsicher, sprich: selbst sicher. Der emotional befürftige Mensch muss abschätzen, ob er "nein" sagen kann, ohne Gefahr. Das ist anstrengend und die Schwierigkeit, es richtig einschätzen zu können, ist Teil seines Lebensproblems. Man kann das weder durch "Ehrlichkeit" noch durch Radikalität lösen, es gibt da kein funktionierendes Konzept. Meiner Erfahrung nach kann man aber lernen:
a) bei einer Anfrage oder Einladung nie sofort antworten, das ist sehr wichtig, denn man muss sich den Raum, die Luft nehmen, um es in Ruhe und ganz nach der eigenen Maßgabe zu sortieren, dafür hat jeder Verständnis.
b) Im zweiten Schritt herausfinden, ob man es gerne machen würde, ob man Lust darauf hat oder ob man es nur machen würde, um zu gefallen und geliebt zu werden. Dabei kann auch herauskommen, dass man zwar keinen Bock darauf hat, es aber gerne für den Freund/Freundin machen möchte, das gehört dann zu den guten Entscheidungen, wie ein Geschenk für den anderen. Wenn man herausfindet, dass man es selbst überhaupt nicht machen will, sei es aus zeitlichen oder anderen Gründen, dann muss man - auch das ist sehr wichtig - sich bewusst machen, dass das völlig korrekt ist, dass es dein Recht ist, deine Autonomie und deine Zeit und Energie, auch dafür hat jeder Verständnis (außer Menschen, die andere ausnutzen und nicht respektieren).
c) "Nein" sagen. Das ist der dritte sehr schwierige Punkt für emotional zu kurz Gekommene. Aber es ist für jeden zu schaffen. "Nein" klingt hart, man kann es ersetzen durch "Absage". Das ist immer noch schwierig aber es beschreibt besser, was man vorhat: man will nicht den Freund/Freundin mit einem "Nein" zurückweisen sondern eine Tätigkeit, Aktion oder Einladung aus ganz eigenen Gründen absagen. Das ist heikel, auch unter ganz "normalen" Menschen, denn schließlich ist es das Nichterfüllen einer Erwartung und da schwingt ihmmer eine gewisse Enttäuschung mit. Deshalb sollte man die Kunst des diplomatischen Absagens erlernen. "Ehrlichkeit", die leider viel zu oft als eine Tugend schlechthin dargestellt wird, ist oft genau der falsche Weg und führt immer wieder zu Missstimmung (gerade das, was man vermeiden will). Diplomatisch abzusagen, heißt nicht lügen! "Man hatte Zeit, über alles zu schlafen", das ist schon einmal eine gute Aussage zum Beginn, dann vergewissert man den Freund/Freundin, das man gerne helfen/kommen würde, aber dass man - und jetzt legt man die wahren eigenen Gründe dar, es sind oft mehrere, so nachvollziehbar wie möglich und auf keinen Fall konfrontativ (also nicht: "deine Freundin XY ertrage ich nicht, deshalb komme ich nicht", sondern: "Ich würde mich nicht wohlfühlen in der Runde und wäre dann nicht unterhaltsam").
d) Manchmal ist es möglich, die angefragte Aufgabe so zu modifizieren, dass man gerne mitmacht, schließlich kann man mitgestalten. Bei einem Umzug, auf den man wegen der schweren Bücherkisten überhaupt keine Lust hat, was völlig legitim ist, kann man anstatt abzusagen, anbieten, die Brötchen für die Helfer zu schmieren oder die Kisten im LKW zu sortieren, damit gewinnt man Autonomie zurück und sagt nicht "ja" zu etwas, das man nicht will.

Das war jetzt etwas lang, aber ich hoffe, die Gedanken helfen dem einen oder der anderen, auch mal absagen zu können, ohne Angst, nicht mehr gemocht zu werden. Ich glaube, damit erwirbt man sich sogar eher Respekt und verbessert die Beziehungen.

Zitat von moo:
Schön griffiger Merksatz! Ich habe mir es so formuliert: Ich tue es für mich, nicht gegen dich. Ich verwende ihn auch zuweilen verbal, wenn ich merke dass mein Gegenüber sich brüskiert fühlt.

Dann ist der Satz doch nicht so gut. Es ist weder ein "Für" noch ein "Gegen". Es ist Deine ureigene Haltung und Entscheidung. Wie sie von anderen aufgenommen wird, entzieht sich Deiner Macht, das nennt man Vertrauen.

Zitat von Fauda:
Das war jetzt etwas lang

Aber definitiv einer der gei.lsten Texte, die ich in der letzten Zeit hier gelesen habe! Danke dafür!

Es ist ein kluger und gut durchdachter Text.

Seltsam, ich hatte noch nie ein Problem, nein zu sagen. Ich habe das Problem, auch mal ja zu sagen Für mich stellt ein Ja eine belastende Verpflichtung dar, vor der ich mich gerne drücke, um mir Schlafprobleme zu ersparen.

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Dr. Reinhard Pichler
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