Ich bin 36 und lebe seit über 20 Jahren mit einer Phobie, (negativ) aufzufallen.
Es begann damit, dass ich in der Schule gemobbt wurde. Während der Pubertät habe ich stark geschwitzt. Damit haben mich die anderen aufgezogen, bis es in Mobbing endete und sich daraus bei mir eine Phobie entwickelte. Ich konnte schlicht nicht mehr ohne starke Angst in der Klasse sitzen. Die Angst vorm Schwitzen wich einer Angst vor Übelkeit.
In meiner Jugend wusste ich mir nicht anders zu helfen, ich blieb der Schule fern bis ich fast rausgeflogen bin.
Trotz allem habe ich das Abitur und auch ein Studium erfolgreich abgeschlossen.
Im Verlauf habe ich immer Möglichkeiten gefunden, Situationen so anzupassen, dass sie für mich machbar sind.
Bis vor 8 Jahren habe ich das Ganze ohne Medikamente gemacht, bevor ich zum ersten Mal professionelle Hilfe suchte.
Eine richtige Therapie habe ich nie gemacht. Zeitweise habe ich Escitalopram genommen und als Notfallmedikamente Alprazolam und Metoprolol.
Außer in bestimmten Situationen bin ich jedoch ein völlig zufriedener Typ, der sogar leicht extrovertiert ist und Spaß am Leben hat. Das Escitalopram habe ich auf ärztlichen Rat nach einem Jahr wieder ausgeschlichen, da es mir schlicht nichts gebracht hat.
Auch der Einsatz der Notfallmedikamente wurde immer seltener.
Meine Angst ist generell
- starke Angst vor Präsentationen.
Dies ist mit Abstand meine stärkste Angst. Mir graut es davor, selbst wenn es nur zwei Folien sind, einen zusammenhängenden Redebeitrag leisten zu müssen.
Dabei ist eine starke Performance und eine gewählte Sprache hierbei genau was mir immer wieder positiv attestiert wird - und zu mehr solcher Situationen führt.
Die Angst ist speziell, die Rede nicht zu Ende bringen zu können und die Situation verlassen zu müssen. Die Angst ist vorher am schlimmsten und ebbt kurz nach Beginn ab. Wie Lampenfieber auf Steroiden.
- Angst vor ausweglosen Situationen.
Beispiel: in zwei Wochen feiert mein Sohn Kommunion. Es wird generell erwartet, dass die Eltern in der Kirche der Kommunion beiwohnen. Mir graut es davor, mich schlicht in die Kirche zu setzen und aus dieser Situation für eine definierte Zeit nicht ohne negativ aufzufallen entkommen zu können.
Ähnlich auch bei geschäftlichen Essen, im Kino, etc.
Bei Flugreisen war es ähnlich. Beruflich bedingt bin ich jedoch immer häufiger geflogen, bis zu 60% meiner Zeit. Durch die Wiederholungen wurde es mir irgendwann sogar lästig - ich habe mich halt in den Flieger gesetzt, gelesen oder gearbeitet. Außer einer leichten Angespanntheit sich in eine stählerne Röhre zu setzen, die mit 800km/h zig Kilometer über dem Boden reist, blieb von vormaligen starken Ängsten nichts mehr übrig.
- Leuten in die Augen sehen
Es ist keine Angst im Speziellen, jedoch fiel mir dieses Verhalten im Laufe meiner Selbstanalyse auf. Ich kann Leuten nicht in die Augen sehen, während ich rede. Ich schaue meist irgendwie weg.
Soweit ich mich selbst analysieren kann liegt das daran, dass ich mich bewertet fühle.
Meine Gedanken / Symptome
Generell katastrophisiere ich die Situationen im Vorhinein, wodurch ich sie für mich emotional und im Bezug auf die Angst nur noch mehr auflade.
Das Beispiel mit der Kommunion: ich mache mir Gedanken, wo ich wohl sitzen werde. Natürlich sitze ich am Rand, so dass ich im Fall der Fälle weg kann. Was passiert, wenn ich raus muss? Hier natürlich die emotionale Belastung, meinen Sohn nicht enttäuschen/verunsichern zu wollen. Ähnliche Situationen in der Vergangenheit äußerten sich bei mir in einem beschleunigten Puls, einem stärker werdenden Gefühl von Übelkeit und dem generellen Gefühl, dass sich immer mehr Adrenalin sammelt, das irgendwohin muss.
Beispiel Friseur, noch dazu bei einer attraktiven Friseurin: es wird erwartet, dass ich sitzen bleibe, bis der Schnitt fertig ist. Angst.
Beispiel Zahnreinigung, ebenso bei einer attraktiven technischen Angestellten. Angst!
Das Beispiel mit der Präsentation: auch hier grüble ich Tage vorher. Im Home Office falle ich meist darauf zurück, meinen Redebeitrag komplett auszuformulieren und schlicht abzulesen. Sobald ich z.B. zwei vollgeschriebene Seiten vor mir sehe geht es los. Mein Gott, wie soll ich da bloß durchkommen. Was ist, wenn ich abbrechen muss. Was sagt mein Chef, was sagen meine Angestellten, .
Ich habe in den letzten Wochen vermehrt versucht, auf das Ausformulieren zu verzichten, jedoch ist die Angst vor der Angst genau die Gleiche.
Andere Situationen, z.B. Essengehen mit der Familie, kann ich vollständig genießen. Auch, wenn es hier eine gewisse Erwartungshaltung gibt, das Essen nicht zu verlassen. Auch fallen mir andere soziale Situationen, wie z.B. Smalltalk nicht schwer.
Mein Ansatz - wobei ich eure Hilfe ersuche
Ich wende mich an euch mit der Bitte um Unterstützung.
Nach zig Jahren muss ich nun zum ersten Mal wieder meine Notfallmedikamente anfassen. Sowohl das Alprazolam, als auch das Metoprolol waren abgelaufen.
In der letzten Präsentation, bei der durch den hohen Rang der Teilnehmer im Unternehmen die Situation für mich noch mehr aufgeladen wurde, habe ich 0,5mg Alprazolam und 27,5mg Metoprolol genommen. Trotzdem stieg das Adrenalin wieder fast ins Unermessliche.
Ich denke hier also über die Dosierung nach. 0,5mg Alprazolam merke ich schon und es macht mich deutlich gelassener. Bei 1 mg vermute ich, dass der Tag im Anschluss gelaufen ist.
27,5mg Metoprolol waren vermutlich nicht ausreichend. Auch vom Arzt bestätigt darf ich hier mehr nehmen . Gibt es bzgl. Metoprolol Erfahrungswerte, welche Dosierung empfehlenswert ist?
Ich werde nun auch eine Therapie anfragen. Derzeit arbeite ich viel an mir selbst und wähle unter Zuhilfenahme von einer Online-CBT (es gibt einen YouTube Kurs zu kognitiver Verhaltenstherapie, den ich sehr hilfreich finde) gewisse Expositions-Situationen. Dazu zählt z.B., den Leuten beim Reden und auch beim Widersprechen in die Augen zu sehen. z.B. auch schlicht beim Spazierengehen willkürlich Leute zu grüßen.
Das Feedback ist übrigens überragend. 95% grüßen freundlich zurück. 5% nicht, weil sie es vermutlich nicht wahrgenommen haben, oder selbst irgendwelche Probleme haben.
Zudem erwäge ich, mich schlicht bei Toastmasters anzumelden. Der Redebeitrag ist meine größte Angst. Hier kann ich in einer Umgebung reden - und auch katastrophal scheitern - ohne, dass es berufliche Konsequenzen für mich hat.
Was mich umtreibt ist das Katastrophisieren von Situationen vorab, wodurch ich die Angst vor der Angst steigere. Gibt es hier Empfehlungen? Welche Inhalte sollte ich lesen/schauen, um gute Startpunkte zu kriegen?
Mein Ziel
Ganz einfach ist mein Ziel, in diesen Situationen ein normales Maß an Anspannung zu verspüren.
Ganz konkret jedoch auch: ich will zur Hochzeit beider meiner Kinder jeweils eine vernünftige Rede halten können.
Ich weiß, dass in meinem Leben diese Angst zwischen mir und vielen Dingen steht, die ich erreichen / realisieren möchte. Ich muss es überwinden und meine Motivation ist gigantisch. Jedoch ist der Weg, wie vermutlich jeder hier bei seiner/ihrer persönlichen Angst erlebt, äußerst schwierig.
Daher bitte ich um eure Unterstützung und Anleitung/Erfahrungsaustausch
30.04.2022 21:56 • • 21.01.2023 x 2 #1
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