Ich habe mich nun extra angemeldet, weil deine Symptome exakt meine sind/waren. Vielleicht helfen dir meine Worte daher irgendwie.
Mich triggern die gleichen Situationen. Bei Hochzeiten oder Meetings denken nicht raus zu können. Vorträge waren teilweise ein Horror, nur dass bei mir die Angst währenddessen teilweise nicht verschwand.
Das führte zu funktionellen Problemen, weil das Adrenalin einen völlig KO macht. Das schaukelte sich immer weiter hoch bis ich nicht mehr konnte.
Bei mir hat dann Lyrica nichts gebracht, aber Paroxetin hat wahre Wunder gewirkt. Ich war ein anderer Mensch. Nämlich eigentlich genau der Mensch, der ich sein sollte. Lebensfroh, unbeschwert. Die Situationen, die du beschreibst, waren auf einmal kein Problem mehr.
Es hat mich aber persönlich nicht abgestumpft. Vor besonders wichtigen Situationen, wie einem Krisengespräch mit dem Vorstand oder ähnlichem bin ich dennoch ordentlich angespannt, so dass man auch ein oder zwei mal öfter aufs stille Örtchen vorher muss. Aber in dem Rahmen in dem man es als vertretbar und sogar hilfreich betrachtet, weil man die extra Portion Wachheit hat. Sprich mit deinem Psychiater darüber.
Lass dir aber nichts einreden. Ausschleichen ist kein Zuckerschlecken. Zumindest wenn es unter 10mg geht. Meine optimale Dosis waren 15-20mg. Ist aber bei jedem natürlich anders.
Zusätzlich will ich dich da um Gottes willen nicht belehren, aber ich habe bei deinen Ausführungen den Eindruck, dass du deutlich überpaced. Auch ohne soziale Phobie sind 65 Stunden in der Woche nicht gesund. Achte auf dich, falls du das nicht bereits tust: Sport und regelmäßig raus gehen. Wenn die Zeit knapp ist halt kombinieren. Meine aber gelesen zu haben, dass du joggst, daher top.
Zumindest bei mir kommt die Angst daher, dass sich mein IST-ICH von meinem SOLL-ICH stark unterscheidet. Ich habe eine körperliche Behinderung. In der KIndheit 5 mal umgezogen. Hänseleien waren da Alltag und Freunde hatte ich kaum.
Irgendwann hab ich ohne es zu merken angefangen es allen anderen Beweisen zu wollen. Ihnen zeigen zu wollen, dass ich nicht genau so gut bin, sondern dass ich BESSER bin als sie. Kompensatorische Überhöhung.
Wenn ich besser als sie bin, dann können sie mir nichts. Aber innerlich ist irgendwo der kleine Junge, der verletzt und gehänselt wurde uns sich unsicher fühlt. Die Diskrepanz zwischen den beiden ICH's sorgt bei mir für genau diesen Stress und diese sozialen Phobien. Die Angst, meine Maske nicht aufrechterhalten zu können.
Wenn ich jetzt aus der Kirche gehe, Wenn ich andauernd den Workshop verlasse, wenn ich beim Reden flüchte oder Fehler mache, dann haben sie mich. Dann bin ich wieder der kleine Junge den sie hänseln können. Dann ist meine Abwehr weg
Aber sie, sind nicht mehr sie. Es sind andere Menschen als die Kinder in der Schule. Und selbst wenn da einer dabei ist. Er ist erwachsen und hat gar kein Interesse mehr mich zu hänseln.
Trotz dieses Bewusstseins, leide ich ohne Medikamente immernoch an den Symptomen. Zumindest an den körperlichen Symptomen der Angst.
Ich arbeite stetig daran mir klar zu machen, dass ich nicht mehr der kleine Junge bin und es auch keinen Grund gibt der Welt vorzumachen, was ich alles leisten kann und wie toll ich bin.
Vielleicht trifft es nicht auf dich zu, aber es hört sich ähnlich an. Vielleicht helfen dir meine Worte.
11.01.2023 15:55 •
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