Um den Faden hier nochmal aufzugreifen :
Die Diskussion Für oder Gegen die Wiedereinbürgerung des Wolfes ist letztlich symptomatisch für ein Entgleiten der Debattenkultur insgesamt.
Egal, um welches Thema es sich handelt, es besteht die Tendenz zur Ideologisierung und Moralisierung aller Fragestellungen. Wie so oft war der Grundgedanke eigentlich sehr berechtigt und nachvollziehbar :
Der Mensch hat in seinem grenzenlosen Egoismus weite Teile der Natur zerstört, Tierarten ausgerottet und die Lebensgrundlage anderer Tierarten gefährdet.
Ergebnis ist der Faunenschnitt , das massenhafte Aussterben oder besser Ausrotten ganzer Tierarten. Unwiderruflich.
Eindeutig zur menschliche Schuld.
Insofern ist die Idee einer (begrenzten) Wiedergutmachung ja nicht ganz von der Hand zu weisen. Besonders wenn sie mit Augenmass, Vernunft und Realitätssinn gekoppelt wäre.
Aber genau da liegt das Problem. Damit eine Idee (wie der Naturschutz) Fahrt aufnimmt und die nötige Dynamik entwickelt, muss viel Idealismus investiert werden, viel Unbeirrbarkeit samt einer gewissen Resistenz gegenüber Zweifeln.
Schliesslich kämpft man gegen eine vorherrschende Meinung an und muss eine Menge Druck aufbauen.
Nach und nach bröckelt dann die gegnerische Seite und nach vielen Zwischenschritten setzt sich die neue Sicht der Dinge durch.
Sie wird nun ihrerseits zum Dogma, zumal die alten kämpferischen Strategien offenbar nicht einfach abgelegt werden können.
Man sieht sich im Besitz der ewigen Wahrheit und wird immun gegen alle Selbstreflektion.
Zweifel sind ärgerlich, der Kontakt mit der Realität wird durch Wunschdenken ersetzt.Verkünder schlechter Nachrichten werden diskreditiert.
Im Grunde ist es völlig egal,um welche Fragestellung es ich handelt, das Schema ist immer gleich. Zur Aufrechterhaltung der eigenen Ersatzreligion ist man auch bereit, mögliche Kollateral-Schäden in Kauf zu nehmen. Sie werden entweder geleugnet,ignoriert oder realiviert.
Selbst wenn es sich dabei um Menschenleben handelt.
Ich muss an dieser Stelle immer an das sehr lesenswerte Buch Ich jagte Menschenfresser von Werner Fend denken. Der Lehrer aus dem österreichischen Voralberg bereiste den indischen Subkontinet regelmässig und kam bald in Gewissensnöte :
Die Bewohner kleiner Dörfer baten ihn, den Waffenbesitzer, hängeringend um Unterstützung bei der Jagd nach menschenfressenden Tigern, den sogenannten Man- eatern.
Oft wurden halbe Dörfer ausgelöscht und der Tiger holte sich seine Opfer bei der Feldarbeit oder beim Teepflücken.
In den Städten und Metropolen Indiens war durch Tierschützer längst eine tigerfreundliche Stimmung entsanden, die drohende Ausrottung des Tigers wurde zur Chefsache erklärt und viele Massnahmen ergriffen u.a. das Aussiedeln von Zoo- Tigern.
Der Tiger selber schien immer Opfer zu sein und die Menschen immer Täter.
Und ein paar getötete Menschen mehr oder weniger in einem überbevölkerten Land wie Indien fielen doch nicht ins Gewicht, oder?
Die Ideologie war mal wieder wasserdicht und darüber hinaus sehr bequem.
Man musste sich nicht mit all den zahlreiche Gründen auseinandersetzen, aus denen Tiger eben doch manchmal zu Menschfressern werden.
Manche von ihnen hatten bei der Jagd auf wehrhaftes Wild böse Verletzungen erlitten und waren nicht mehr schnell genug. Andere
waren Viehdiebe, sog. cattle-lifter wurden dabei von Menschen überrascht und gingen zum Angriff über.
Wieder andere kamen durch Aas auf den Geschmack von Menschenfleisch. Gewaltigen Überschwemmungen in den Mangrovenwäldern des Sunderbans forderten etliche Menschenopfer und brachten Tiger auf den falschen Weg.
Ja und es soll auch nicht verschwiegen werden, das die ein oder andere verirrte Kugel einen Tiger verletzte und zum Jäger auf den langsamen und wehrlosen Menschen machte.
Aber diese Kugeln stammten aus den Büchsen von reichen Jagdtouristen...........
Die Suppe auslöffeln mussten mal wieder die armen Leute.
Werner Fend hatte erhebliche Schwierigkeiten Schiessgenehmigungen zu bekommen.Die Verwaltungsbeamten in irgendwelchen kleinen Büros fernab des Dschungels lehnten Anträge allzuoft ab.
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Wer hier Parallen zu anderen Fragen erkennt, den kann ich gut verstehen.