Guten Tag , ihr Zwei da über mir
ich hatte dieser Tage eine sehr unerfreuliche Diskussion mit einer Frau , die ihre Mutter auch als bösartig , strafend , verbittert , rigide und schrecklich erleben musste .
Im Laufe eben jener Diskussion ( es war von Seiten der anderen Frau aus eher ein Kampf) gab ich zu bedenken , dass z.B. meine Mutter ihre ureigenste Vorgeschichte mit sich herumschleppt .
Meine Mutter gehörte zur Kriegsgeneration . Sie war im Krieg alleine , musste sich dazu um ihre jüngeren Geschwister kümmern ( weil die eigene Mutter ihrer Wege gegangen ist) , meine Mutter saß als 13/14/15jährige im Luftschutzkeller unter fremden Menschen , draußen fielen die Bomben , im Arm hatte sie ihre jüngeren Geschwister .
Eine Heranwachsende , die selbst Schutz benötigt , muss stattdessen ihre jüngeren Geschwister beschützen .
Ich möchte mir nicht vorstellen müssen , was das mit einer Heranwachsenden macht . Das sind Traumata ohne Ende . Traumata , die von niemandem sonderlich beachtet , geschweige denn als solche erkannt wurden und erst recht nicht behandelt . Sowas wie PTBS war damals nicht bekannt .
Meine Bedenken wurden von der Frau wütend zur Seite gewischt . Mit dem Ausspruch : Dein Verständnis ist völlig unangebracht , ich bleibe dabei , meine Mutter ist einfach nur von Haus aus eine extrem bösartige Frau!.
Ich hingegen bin da nicht so rigoros .
Ich akzeptiere das Verhalten meiner Mutter nicht , ahne aber , dass auch sie nur ein Mensch war , der sein Päckchen mit sich herumgeschleppt hat und teilweise nicht anders konnte .
(Sie war manisch-depressiv , heute nennt man das bipolar)
Man kann auf Traumata völlig anders re-agieren .
Die Einen werden gütig , im Sinne von Ich habe Schreckliches erlebt , ich möchte das nicht an die nächste Generation weitergeben .
Die Anderen toben ihre erlittenen Schmerzen und Schrecken aus , indem sie es ungefiltert weitergeben .
Möglicherweise war die Frau in Weiß jemand , der Ersteres leben kann.
Meine Mutter lebte eher die zweite Variation .
Ich habe mir für mich selbst vorgenommen , mir die schönen Momente mit meiner Mutter herauszupicken .
Die es auch gab .
In ihren Hochphasen war sie gütig , mitfühlend und fürsorglich , frei , offen und sogar humorvoll.
Wenn sich aber der dunkle Schleier der Vergangenheit über ihre Seele legte , war ich die Erste , die davon getroffen wurde .
Weil Mütter nun mal existenziell wichtig sind für uns als Kinder , wirken sich solche Schrecken erregenden Gemütszustände doppelt schlimm auf uns aus .
Wir als Kinder saugen das auf , wir haben das im Blut , im Körper und im Kopf .
Und das geht da auch nicht mehr raus .
Wir können es nur eindämmen , wenn es kommt .
Wenn ich spüre , dass diese unheilvolle Flut der Vergangenheit auf mich zurollt , dann baue ich mir bildlich gesprochen einen Damm , um so zu verhindern , dass mich diese Wellen überrollen .
Hinter diesem Damm beschäftige ich mich mit dem Schönen , das ich auch erlebt habe und heute noch erlebe .
Hinter diesem Damm gibt es nun auch diese Frau in Weiß .
Das beruhigt mich .
07.09.2017 10:35 •
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