@Spaceman: Es fällt mir sehr schwer, darüber zu schreiben, denn die meisten können nicht erahnen, wie leidlich jenes Gefühl ist, für alles verantwortlich zu sein. Man muss selbst keine Verbrechen verübt haben, um sich trotzdem schuldig zu fühlen.
Zum einen nehme ich die Schuld aller Verbrechen auf mich, die je Geschehen sind bzw. in diesem Moment begangen werden, auch gerade jene, die man nicht mitbekommt, hier auf Erden, zum anderen habe ich ein Mädchen indirekt auf dem Gewissen, weil ich an Ort und Stelle nicht anwesend war, als sie meine Hilfe brauchte, weil ich wieder mal in Therapie war.
Das Schicksal wollte es, dass ich alles erfuhr am Sterbebett meines Vaters, weil er ihr damals sagen musste, dass ich nicht anwesend sei, ein paar Tage später kam er ins Krankenhaus, traf sie dort, weil sie sich vergeblich versucht hat, ihr Leben zu nehmen, eine Nacht später hat sie es erfolgreich verübt, auch dies erfuhr mein Vater.
Ab Todestag meines Vaters fühlte man sich für alles schuldig und ich weiß, was gleich geschrieben wird, dass man dafür nichts konnte, meinesgleichen kann nicht an zwei Orte gleichzeitig sein usw. Ich kann es mir nicht so einfach machen, zumal diese Mädchen von damals alle etwas Besonderes waren für mich, sie nahmen mich in Lübeck in ihren Reihen auf, mich, der vorher ein Aussätziger war.
Wir wussten so viel voneinander, ja, sie vertrauten mir Dinge an, die mich sehr verändert haben, Man möchte hier nicht ins Detail gehen, aber auch deswegen habe ich nach Merle, die eine von denen war, nie wieder die Nähe einer Frau gesucht. Man war 15 Jahre alt und hat das erste Mal Kontakt mit jungen Frauen, die mich nicht als Aussätziger behandelten, sondern sogar das Gegenteil.
Schlägertypen und Draufgänger hatten es bei uns in der Schule generell leichter, sie kamen bei den Mitschülerinnen sehr gut an und hier in der Jugendpsychiatrie war es komplett andersherum. Hier mochte man mich, zumal meinesgleichen zum einen gut zu hören konnte und zum anderen damals sanft und höflich zu ihnen war ferner konnte man vieles sinnlich wahrnehmen, manchmal reichte z. B. nur ein Schweigen oder ein Blick aus und meinerseits wusste was los war und reagierte dementsprechend.
Es hört sich wie ein Wunder an, vom Aussätzigen zum Hahn im Korb und so war es später in allen Psychiatrien und nur dort. Ich habe ausgeholt wegen der Bedeutung dieses Mädchen für mich, die leider nicht mehr unter uns weilt.
Außerdem habe ich das Gefühl für die begangenen vom damaligen verbrecherischen Staate gewollten Verbrechen eines Menschen bestraft zu werden und diese Schuld nehme ich auch auf und bestrafe mich mit Alpträumen, wo man selbst mit ansehen muss wie meine Frau Merle und meine Kinder vor meinen Augen zu den Duschen gehen müssen, ich werde genötigt sie danach zu den Öfen zu bringen und hiernach geht man selbst zu den Duschen. (Ehefrau und Kinder sind nur Fantasiegestalten)
Ich habe diesen Traum sehr knapp beschrieben, in Wirklichkeit geht er über 90 min, in Schwarzweiß gehalten und voller Leid, nach diesem Traum weint unsereins bitterlich, danach ist man ein Haufen hundeelend, nassgebadet und man bekommt dauernd Schüttelanfälle.
Es fühlt sich alles sehr echt an, die Leiden, die ich im Traum erlebe, sind genauso schmerzlich wie mein größter tatsächlicher Schmerz, als ein Arzt ohne Betäubung, eine schlecht verheilte große OP-Narbe am Steißbein, damit ich ein Tag Krankenhaus sparen kann, aufgerissen hat. Ich hatte nur ein Kissen zur Verfügung bekommen, um bei drei reinzubeißen, damit ich nicht schrei wie am Spieß.
15.10.2022 02:41 •
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