[url=/post3533536.html#p3533536]Zitat von Jakob02[/url]
Ich meine, stell dir vor, wir würden feststellen, dass alles determiniert ist. Was würde das über uns, über Freiheit, über Verantwortung und Sinn aussagen?
Die Frage ist gestellt und m.E. beantwortet. Es gibt drei verschiendene Lager:
1. Deterministische Inkompatibilisten, deren Einstellung ist, dass der Determinismus den freien Willen verunmöglicht. Am bekanntesten sind Neurodeterminsiten, die behaupten, dass das Hirn das Ich macht und selbst ein Organ ist, dass Naturgesetzen unterliegt.
2. Libertaristische Inkompatibilisten, die glauben, dass unsere Willensentscheidungen von kausalen Zwängen aller Art losgelöst sind.
3. Kompatibilisten, die sagen, dass auch ein konsequenter Determinismus, mit der Willensfreiheit vereinbar wäre.
Die kompatibilistische Position ist erst mal kontraintuitiv, aber m.E. richtig. Damit geht keine ontologische Behauptung einher, man muss nicht glauben,
dass die Welt determiniert ist, aber es klärt die Frage, was es für uns (unsere Willensfreiheit) bedeuten würde, wenn sie es wäre.
Zitat von Jakob02: Oder im Umkehrschluss: Wenn Zufall existiert, was sagt das über die Struktur des Universums aus, und inwieweit sind wir selbst dann im Fluss?
Das könnten wir sein, aber zu viel Zufall ist problematisch und wir beobachten ihn auch nicht. Wir sehen überall geordnete Vorgänge, wir wissen nur nicht, wie lange und umfassend.
Zitat von Jakob02: Wir forschen von innen nach außen, das stimmt, doch dabei laufen wir immer auch Gefahr, in einen Spiegel zu blicken - un zwar in einen solchen, der uns unsere eigenen Begrenzungen, aber auch unser eigenes Bedürfnis nach Kontrolle und Sicherheit vorhält.
Ja, da gibt es ein gutes Zitat:
Zitat: „Carnap, einer der radikalsten Positivisten, hat es einmal als Glücksfall bezeichnet, dass die Gesetze der Logik und der reinen Mathematik auf die Realität zutreffen. Ein Denken, das sein ganzes Pathos an seiner Aufgeklärtheit hat, zitiert an zentraler Stelle einen irrationalen – mythischen – Begriff wie den des Glücksfalls, nur um die freilich an der positivistischen Postion rüttelnde Einsicht zu vermeiden, dass der vermeintliche Glücksumstand keiner ist, sondern Produkt des naturbeherrschenden oder, nach der Terminologie von Habermas, „pragmatischen“ Ideals der Objektivität. Die von Carnap aufatmend registrierte Rationalität der Wirklichkeit ist nichts als die Rückspiegelung subjektiver ratio.“
(Theodor W. Adorno, Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, Luchterhand 1972, S. 30)
Zitat von Jakob02: Im realistisch-probabilistischen Modell nutzt die Informationstheorie Entropie und Wahrscheinlichkeit, um Ordnung und Zufall in Systemen quantitativ zu beschreiben, während die Theorie komplexer Systeme die Bedingungen für Emergenz untersucht, d.h., wie aus einfachen Interaktionen komplexe, vorhersagbare Muster entstehen.
Okay.
Zitat von Jakob02: Archetypen als kollektive Strukturen geistiger Natur hingegen könnten als mathematisch vernetzte, dynamische Muster im Raum des Bewusstseins modelliert werden, wobei ihre Wechselwirkungen durch Netzwerktheorie und dynamische Systeme beschrieben werden könnten.
Eine andere Frage ist, inwieweit Mathematik überhaupt in der Lage ist, sämtliche Aspekte der Welt oder des Kosmos zu erfassen. Sie ist ja selbst nur ein weiterer Zugang zur Erkenntnis.
Zitat von Jakob02: Die Projektionstheorie schließlich, nach welcher alle Phänomene Illusionen eines zugrundeliegenden reinen Seins sind, stellt mathematische Fragen zur Redundanz und Informationsverdichtung: Sprich, könnte die wahrnehmbare Vielfalt ein mathematisch reduzierbares, fast redundantes Muster sein, welches in die Einheit zurückfällt, sobald jede Informationsdifferenz überwunden ist? Jede Annäherung veranschaulicht ja die Versuche, die Realität mathematisch zu denken und zugleich ihre strukturellen Grenzen zu verstehen.
Die konsequente Projektionstheorie, aber im Grunde auch all ihre moderateren Vorläufer, stellt dann irgendwann die Frage, warum man überhaupt noch weiter projizieren sollte (wenn das die Quelle von immer neuem Leid ist).
Wenn man mit dem Gedanken etwas anfangen kann, dass Projektionen Leid erzeugen - was natürlich auch ein tiefenpsychologischer Ansatz ist - ist man bei der technischen Frage, wie man das denn anstellen soll.
Es läuft wieder auf eine Frage der Prämissen heraus, was wir, aus welchem Grund, für gesetzt halten. Descartes hat damit schon Ernst gemacht und gesagt, die Welt könne auch nur ein Traum von mir sein, aber man sollte noch mal seinen Solipssismus (Welt ist meine Projektion/Konstruktion, m.E. philosophisch unhaltbar) vom metaphysischen Solipsismus (Ich und Welt sind in letzter Konsequenz nicht existent) unterscheiden.
Die Frage, wenn das so ist, was sehe ich denn dann, und warum?, ist berechtigt, aber im Rahmen der Idee einer konsequenten Projektion stellt sich dann irgendwann die Frage, ob dieses Wissenwollen nicht Nahrung für das Ich ist, das in diesem Kontext dadurch definiert ist, dass es sich immer wieder mit Welt verbinden will, um sich seiner Existenz zu versichern.
Das geht über Leid sehr gut. Geht es uns gut, sind das oft Gefühle der Einheit, des Verschmelzens. Leid ist das Gefühl der Spannung, Teilung, des Zerrissenseins. Wir wollen oft zu einem Status, in dem es uns gut genug geht, in der Regel nicht mehr.