Um nun ein Gespür für das
Entstehen und Aufrechterhalten der Ich-Illusion zu bekommen, betrachten wir nun eingehender das
Ineinander-Wirken und
Gegenseitig-bedingen dieser 5 Geistes-Faktoren:
Zitat von moo: 1. Sinneskontakt
Zitat von moo: 2. Gefühle
Zitat von moo: 3. Wahrnehmung
Zitat von moo: 4. Gestaltungen
Zitat von moo: 5. Bewusstsein
Obwohl sie nummeriert sind, ist es kein chronologischer Ablauf der hier stattfindet. Wir neigen dazu, ein Schema oder eine Struktur erkennen zu wollen. Das ist hier schlechterdings unmöglich. Es ist vielmehr eine Art gleichzeitige Verflechtung oder besser Verfilzung. So wie beim Filzen aus einzelnen Fasern z. B. ein Tassenuntersetzer entsteht, wird aus den 5 Geistesfaktoren ein Ich, ein Selbst ge-
wirkt (- von Wirken!).
(Wir dürfen hier nicht den typisch menschlichen Fehler machen, sofort zu fragen: Von
wem denn gewirkt? Diese automatische Reaktion entspringt bereits wieder der Ich-Illusion (ich nenne sie ab hier mal der Einfachheit halber das Ego). Das Ego kann gar nicht anders, als von einem Zentrum - nämlich sich selbst - auszugehen).
Aufgrund dieser Verflechtung kann man seine Untersuchung an fast jedem beliebigen Faktor (1.- 5.) beginnen, denn wie bei einem Hologramm wird sofort die Wechselwirkung ersichtlich. Jeder Faktor wirkt auf die anderen ein und wird gleichzeitig von ihnen beeinflusst.
Da die
Gefühle (2.)
den Bereich darstellen, wo bei der Geistesarbeit echte Veränderungen erreicht werden können (und müssen), fange ich mal dort an.
Im folgenden Beispiel werde ich nun immer die jeweiligen Faktoren nummerieren, damit es übersichtlich bleibt:
Irgendeine Behauptung eines Bekannten (1.) löst einen Gedanken (1.) bei uns mit aus. Denken (4.) und Gedanken (1.) sind zwei
verschiedene Dinge - nichtsdestotrotz gehen sie Hand in Hand. Diese Unterscheidung ist wichtig für das Verständnis der Geistesfunktion. Am Denkvorgang (4.) sind neben den Gedanken(objekten) (1.) idR
immer auch Gefühle (2.) und damit verbundene Bewertungen (3.) beteiligt. Ebenso bilden und verändern sie die Wahrnehmung (3.) und das Bewusstsein (5.).
Das Bewusstsein (5.) beinhaltet u. a., dass sich irgendeine Sache (1.) so und so verhält - es wurde eine Meinung (3.) gebildet welche für richtig (3.) gilt.
[i]In Wirklichkeit ist aber diese Meinung rein subjektiv - sie hat mit der objektiven Lage der Dinge überhaupt nichts zu tun.[/i]
Obgleich der letzte Satz bestimmt einleuchtet, verhält sich das Bewusstsein (5.) völlig anders, da nämlich die Gefühle (2.) nun ihren großen Auftritt haben: Im Fall von gegensätzllichen Behauptungen anderer entstehen (automatisch und unbewusst) Gefühle (2.)
unangenehmer Art (das Ego fühlt sich bedroht). Hingegen im Fall von bestätigenden Äußerungen von außen entstehen (ebenfalls automatisch und unbewusst) Gefühle (2.)
angenehmer Art (das Ego fühlt sich bestätigt). Unmittelbar mit den Gefühlen (2.) entstehen die o. g. Bewertungen (3.).
Gefühl bedingt automatisch Bewertung! Unsere (Für-)Wahrnehmung (3.) ist bereits von diesen Bewertungen (3.) gefärbt und somit
alles andere als neutral oder objektiv. Das alles ist der
passive und idR unbewusste (!) Part des Vorgangs.
Der
aktive Part sind - und jetzt kommt´s -
oftmals sogar bewusste Reaktionen (4.). Diese Reaktionen (4.) können in dreierlei Gestalt erfolgen: Erneutes Denken, Rede und/oder Taten. Sie kann mehrgestaltig auftreten, aber niemals ohne Denken.
Wenn man nun ganz genau hinschaut, erkennt man dass diese Reaktionen (4.) eigentlich eine Art Kompensations- oder Zwangshandlung (4.) darstellt. Wir wollen (müssen!) (4.) uns dazu äußern. Das ist auch der Grund, weshalb viele Psychologen sagen dass wir unserer Meinung Luft machen sollen indem wir sowohl verbal als auch körperlich Klartext reden. Das Bewusstsein (5.) ist also eigentlich ständig getrieben! Getrieben von was? Von den Sinneseindrücken (1.) und der unbewussten, passiven, automatischen (internen)
Beantwortung durch Gefühl (2.), Bewertung (3.) und Gestaltungen (4.). Und dies seit anfangslosen Zeiten, wie wir später noch besprechen werden.
Das Ego setzt sich aus diesem o. g. unbewussten (!) Ablauf zusammen. Aus diesem unbewussten Wirkens-Komplex entsteht das Ego. Es ist ein Nebenprodukt dieses Vorgangs und nährt und erhält sich selbst durch ständige Wiederholung. Das ganze Erleben ist durch das Ego Ich-gefärbt. Hier liegt das ganze Problem begründet.
Aus diesem Ich-Bewusstsein heraus leben wir unser (vermeintliches) Leben, bilden unser Weltbild, unseren Glauben, politische Überzeugungen, ethische Einstellungen etc.
Ein deutscher Buddhist der alten Zeit (Paul Debes) nannte das Ego auch programmierten Wohlerfahrungssuchlauf. Denn das Ego will immer bestätigt werden. Es will angenehme Dinge erfahren und unangenehme Dinge loswerden. Und das deswegen, weil der o. g. Ablauf unbewusst erfolgt. Diese drei Fakten nennt man im Dhamma lapidar Gier, Hass und Verblendung.
Man darf nun nicht der Ansicht verfallen, dass diese 5 Geistesfaktoren irgendwie an sich unheilsam sind. Es sind lebensnotwendige Werkzeuge, denen wir uns bedienen müssen. Den Unterschied zwischen angemessener und unheilsamer Handhabung macht jedoch das Wissen über deren Wirken.
Ich möchte es mal hierbei belassen und mir ist bewusst, wie trocken und theoretisch das vielleicht zu lesen ist. Aber man kann dies bei nahezu jeder Regung des Geistes mal nachprüfen, wie frei denn unsere Aktionen (besser: Reaktionen) in der Regel sind.
Von der existenziellen Notwendigkeit abgesehen, ist ein Verständnis der Geistesfaktoren eigentherapeutisch äußerst wertvoll hinsichtlich Ängsten, Phobien, Traumen, Depressionen etc. Derlei Krankheiten sind nichts anderes als (sichtbare) pathologische Entwicklungen des Egos. Von Schuld kann man hier jedoch nicht sprechen. Es spielen m. E. auch karmische Entwicklungen mit rein. So komplex bei vielen von uns die Gemengelage sein mag: Eine Veränderung kann (!) bewirkt werden!
Um dann den Kreis zu schließen möchte ich im nächsten Text das Thema Tod, Karma und Vor- bzw. Nachexistenz verfolgen. Wenn die bisherigen Ausführungen halbwegs einleuchten (was ich hoffe), gehen wir mit etwas anderen Voraussetzungen an diese Themen ran- und um die ging es uns oben ja ursprünglich.
Wenn gewünscht, kann als Fazit ganz zum Schluss eine Aussicht angeboten werden, wie unser Erleben durch Anwendung der aus dem Geschilderten erwachsenen Einsichten erheblich leid-geminderter ablaufen kann.