Zitat von Cbrastreifen:@Ja02 Hi, kannst Du hier was zu sagen? Würde mich sehr interessieren. thx
Ich habe mir den Artikel gerade durchgelesen und muss schon sagen, dass ich beeindruckt bin, wie konsequent und gleichermaßen kreativ de Rham versucht, das Problem der Gravitation neu zu denken. Die Idee, dass das Graviton eine winzige Masse haben könnte, ist ziemlich mutig, weil sie an einem sehr alten und vor allem hartnäckigen Problem ansetzt, und zwar der riesigen Diskrepanz zwischen der beobachteten kosmologischen Konstante und der theoretisch vorhergesagten Vakuumenergie. Und genau dort versagt dann auch die klassische Kombination aus allgemeiner Relativitätstheorie und Quantenmechanik - es ist somit fraglos logisch, dass wir versuchen müssen, neue Ansätze zu finden. Massive Gravitation könnte hier tatsächlich helfen, weil sie diese Vakuumenergie halt abschwächt und auf diese Weise mit unseren kosmologischen Beobachtungen ein Stück weit versöhnt.
Was mich gerade echt an de Rham anspricht, ist die Offenheit, mit der sie auch über die Schwächen ihrer Theorie spricht. Sie tut jetzt nicht so, als wäre sie endgültig, geht hingegen bewusst das Risiko ein, dass das Modell scheitern kann. Das ist ehrlich und genau so sollte Wissenschaft aus meiner Sicht betrieben werden. Da ich theoretische Physik besonders toll finde, überzeugt mich natürlich auch, dass sie versucht, überzählige Raumdimensionen nicht einfach nur stur mathematisch zu benutzen, sondern mathematisch-physikalisch zu interpretieren - dass diese Dimensionen winzig klein aufgerollt oder riesig sein könnten, ist ein Gedanke, der mir als Physiker auf einer konzeptionellen Ebene durchaus zusagr. Es wäre auf jeden Fall eine mögliche Erklärung, warum wir sie nicht wahrnehmen, ohne dass sie nicht da sein müssen.
Trotzdem habe ich natürlich auch Einwände. Dass in frühen Versionen der Theorie sogenannte Geister auftraten, ist meines Erachtens kein kleines Problem. Energiezustände mit negativen Werten sind instabil und physikalisch nicht haltbar. Wenn also ein Atom sich Energie aus einem unendlichen Geistervorrat nehmen könnte, gäbe es keine stabilen Strukturen mehr. Selbstverständlich ist es ein Fortschritt, wenn diese Zustände in den neuen Modellen gefesselt werden können, aber dass man sie überhaupt fesseln muss, lässt mich einfach zweifeln. Eine Theorie, welche auf solchen Konstruktionen basiert, wirkt für mich einfach nicht grundlegend sauber. Was mich dann halt auch skeptisch macht, ist der fehlende experimentelle Nachweis. Die Gravitationswellen, welche wir bisher gemessen haben, zeigen ja keine Verzögerung zwischen hoch- und niederfrequenten Anteilen. Genau das müsste aber passieren, wenn das Graviton eine Masse hätte. Es stimmt, dass die Unsicherheiten in den Messungen noch Spielraum lassen, aber der wird kleiner und irgendwann muss sich jede Theorie nun mal dem Experiment stellen.
Aber versteh mich jetzt nicht falsch- ich finde es absolut richtig, dass solche Ideen verfolgt werden. Nur über das Bekannte zu sprechen, bringt uns schließlich nicht weiter. Ich bin froh, dass es ForscherInnen wie de Rham gibt, die sich auch nicht scheuen, gegen den Strom zu denken. Ich selbst glaube zwar nicht, dass die massive Gravitation am Ende die Lösung ist, aber ich denke sehr wohl, dass wir über solche Ideen lernen, wie tief das Phänomen „Schwerkraft“ tatsächlich reicht - für mich persönlich natürlich vor allem auf mathematisch-theoretischer Ebene.