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Zitat von Cbrastreifen:
Neuroenhancement wird ja schon seit Jahrzehnten propagiert. Gezeigt werden natürlich immer nur die Fälle, wo alles bombig läuft. Aber nicht mal bei der Überwachung ist man sonderlich erfolgreich. Da wird einem immer wieder erzählt, nach 70 Likes kennt die KI einen besser als der eigene Partner oder man sich selbst, aber ob dann irgendwer durchdreht, kann man eben doch nicht feststellen, da dreht ja immer wieder mal jemand durch und man weiß eben nicht, wer nur aus Nervenkitzel, Interesse usw. auf komischen Seiten ist oder wer gerade bei ist sich selbst zu radikalisieren.

Die letzte Dekade des Gehirns, die 2023 auslief und mit KI kombiniert worden, ist auf so kleiner Flamme gekocht worden, dass man den völligen Reinfall ahnt. Normalerweise wäre es ein Auftritt mit Tamtam gewesen.

Da ist ja auuch längst nicht alles so klar, wie gerne übervereinfachend getan wird. Bin gespannt, was aus Eurer Zunft da noch kommt, die KI Prüfung für neue Medikamente, bei dem einfach Moleküle durchmodelliert scheint auf jeden Fall gnaz gut zu klappen ... auch ein Vorteil vom Internet, dass man da breit gestreut reinschnuppern kann.


Einerseits würde ich sagen, dass in dem Thema KI und technischer Augmentierungen, die mit einer globalen KI verbunden sind, viel positives Potential steckt, um die Zivilisation auf ein neues Niveau zu heben - von dem man heute nichtmal ahnen kann, wo es technisch konkret endet - aber ich bin andererseits auch der Ansicht, dass der Punkt kommen wird, an dem uns die Kontrolle darüber entgleitet.

Nicht im Sinne von Skynet, dieser besseren Kaffeemaschine für verbrannte Erde udgl. sondern, dass uns die Geschwindigkeit, mit der neues Wissen künstlich generiert wird, als Spezies derart überfordern wird, das wir die Segel streichen und die Kontrolle abgeben müssen wie ein kleines Kind gegenüber seinen Eltern.

Ultima Ratio.
Die letzte Lösung.

Nur nicht die 42 - sondern das was der Mensch seit jeher biologisch veranlagt sucht und allzuoft konstruieren wollte, seit er bewusst denken kann.

Einen Gott.
Einen künstlichen Gott.
Deus ex machina.

Zitat von illum:
aber ich bin andererseits auch der Ansicht, dass der Punkt kommen wird, an dem uns die Kontrolle darüber entgleitet.

Nicht im Sinne von Skynet, dieser besseren Kaffeemaschine für verbrannte Erde udgl. sondern, dass uns die Geschwindigkeit, mit der neues Wissen künstlich generiert wird, als Spezies derart überfordern wird, das wir die Segel streichen und die Kontrolle abgeben müssen wie ein kleines Kind gegenüber seinen Eltern.

Ich weiß es nicht genau. Einerseits könnte KI uns rationalere Verhaltensweisen nahebringen, auf der anderen Seite, wenn man sich fragt, was uns Menschen erfolgreich macht - falls man uns für erfolgreich hält - so ist es doch eigentlich dieser spezifische Grad an Uvernunft, der manche Menschen gegen alle Wahrscheinlichkeiten, Chancen und manchmal, wider alle Vernunft, agieren lässt.

Sind das die Emotionen? Ist das auch nur ein Algorithmus? Oder ist es was anderes? Ich weiß es nicht. Ich denke, es sind zu einem hohen Maße Ideale, die uns da leiten, die uns sogar dazu bringen, uns im Zweifel selbst zu opfern.

A


Metadiskussionen und Schlammcatchen

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Zitat von Reconquista:
Die Erfindung der Gendersprache (und ähnlicher angeblich Diskriminierung beendender Maßnahmen) kommt nicht von den avisierten Gruppen, sondern von linken Intellektuellen und Sozialwissenschaftlern an Universitäten.

In der Addressierung magst Du Recht haben, aber das disqualiziert noch nicht das Anliegen.
Rinder werden auch nicht gegen Massentierhaltung protestieren und Kinder nicht gegen Missbrauch, es braucht bisweilen schon Anwälte.

Inwzwischen sprechen bestimmte Gruppen auch schon für sich selbst, dabei gibt es Übertreibungen, das liegt in der Natur der Sache, aber diese kann man ja ebenfalls zurückweisen.
Zitat von Reconquista:
Sie behaupteten ein Verletztsein, wo keines war. Diskriminierung findet im Handeln statt, übrigens auch von Minderheiten untereinander und gegen Mehrheiten. Das Anliegen ist insofern falsch, dient nur seinen Erfindern, um sich wichtig zu machen und durchzusetzen, während es Segregation sogar vertieft.

Das sehe ich anders, es sind keineswegs nur Handlungen die verletzen, bzw. auch hier kann auf die Struktur dahinter hingewiesen werden. Man muss nicht jeder Empfindlichkeit nachgehen, vor allem, wenn man auf den Splitter deutet und den Balken nicht sieht, aber das gilt es eben auch auszuführen.

Also Muster aufdecken, Beklopptheiten hier, wie dort anprangern, das geht schon.
Ich habe ausreichend Groll gegen die Linke in mir, aber das soll mich nicht davon abhalten, irh zuzustimmen, wo sie richtig liegt.

Zitat von Cbrastreifen:
Rinder werden auch nicht gegen Massentierhaltung protestieren und Kinder nicht gegen Missbrauch, es braucht bisweilen schon Anwälte.

Damit triffst du den Nagel auf den Kopf: die Minderheiten werden nämlich für „Rinder“ gehalten und entmündigt durch diejenigen, die vorgeben, sich für ihre Interessen einzusetzen. Das kann man immer wieder beobachten. Es ist ein linkes Muster, und es ist heute zu einem universitären Muster in der so genannten woken Szene geworden. Die übelste von allen: J. Butler. Ein Alptraum.

Zitat von Reconquista:
Damit triffst du den Nagel auf den Kopf: die Minderheiten werden nämlich für „Rinder“ gehalten und entmündigt durch diejenigen, die vorgeben, sich für ihre Interessen einzusetzen.

Nicht unbedingt, manchmal ist das einfach ein sich selbst schützender Mechanismus.
Kritik an der Struktur, bitte nur innerhalb der Regeln der Struktur.
Wenn die Struktur latent rassistisch ist, bist du schon raus, wenn du nicht die richtige Färbung hast.
Dann ist es nicht schlecht, wenn jemand mit der richtigen Färbung sagt, dass so ein Verhalten suboptimal ist.

Zitat von Reconquista:
Es ist ein linkes Muster, und es ist heute zu einem universitären Muster in der so genannten woken Szene geworden.

Es gibt nicht wenige Linke, die sagen, dass woke nicht links ist.
https://de.wikipedia.org/wiki/Susan_Nei...oke_(2023)

@Reconquista

Oder, um es noch mal anders zu sagen.
Ich krieg schon mit, gegen wen und was Du etwas einzuwenden hast und bisweilen teile ich sogar Deine Kritik und meine noch öfter, mindestens Deine Beweggründe nachvollziehen zu können.

Nur argumentierst Du in meinen Augen manchmal etwas unterkomplex und speziell bei Dir habe ich den Eindruck, dass das unnötig ist, weil Du hinter Deinen Möglichkeiten zurück bleibst. Und auf mittlere Sicht schießt Du Dir damit, zumindest nach meinem Empfinden, ins eigene Knie.

Zitat von Cbrastreifen:
Nicht unbedingt, manchmal ist das einfach ein sich selbst schützender Mechanismus. Kritik an der Struktur, bitte nur innerhalb der Regeln der Struktur. Wenn die Struktur latent rassistisch ist, bist du schon raus, wenn du nicht die richtige Färbung hast. Dann ist es nicht schlecht, wenn jemand mit der richtigen ...

Es gibt, es gibt das. Dies alles ändert nichts am falschen Konstrukt und seinem Versagen.

Zitat von Reconquista:
Es gibt, es gibt das. Dies alles ändert nichts am falschen Konstrukt und seinem Versagen.

Was ist an dem Konstrukt falsch.
Gegen Missbrauch zu sein, was ist daran verwerflich?

Zitat von Cbrastreifen:
@Reconquista Oder, um es noch mal anders zu sagen. Ich krieg schon mit, gegen wen und was Du etwas einzuwenden hast und bisweilen teile ich sogar Deine Kritik und meine noch öfter, mindestens Deine Beweggründe nachvollziehen zu können. Nur argumentierst Du in meinen Augen manchmal etwas unterkomplex und speziell ...

Ich denke nicht in Knie-Kategorien (außer im Kampfsporttraining, da stelle ich eine große Gefahr für Knie dar, wenn ich will, das gehört zur Ausbildung). Und ob ich unter- oder überkomplex argumentiere, ändert nichts am Wahrheitsgehalt. Noch weniger an der Realität.

Zitat von Cbrastreifen:
Was ist an dem Konstrukt falsch. Gegen Missbrauch zu sein, was ist daran verwerflich?

Es ging nicht um Missbrauch, sondern um Diskriminierung. Das Konstrukt Gendersprache ändert überhaupt nichts an Diskriminierung. Eher das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Sie erzeugt Widerstand, mehr Segregation und gegebenenfalls mehr Diskriminierung. Sie blüht übrigens auch nur im weißen, universitären und den angeschlossenen Milieus, nirgendwo sonst. Am wenigsten in den Milieus der Millionen Zugewanderten. Das Konstrukt ist ein so genannter Rohrkrepierer. Nur ist das Rohr lang …

Zitat von Reconquista:
Es ging nicht um Missbrauch, sondern um Diskriminierung. Das Konstrukt Gendersprache ändert überhaupt nichts an Diskriminierung. Eher das Gegenteil scheint der Fall zu sein.

Okay, aber was ist falsch daran, gegen Diskriminierung zu sein? Auch nix.
Dass Gendersprache daran nichts ändert, gut, darüber kann man reden. Kenne Stimmen, die dafür sind, andere sind dagegen.

Zitat von Reconquista:
Sie erzeugt Widerstand, mehr Segregation und gegebenenfalls mehr Diskriminierung. Sie blüht übrigens auch nur im weißen, universitären und den angeschlossenen Milieus, nirgendwo sonst.

Okay, sagen wir, dass die Absicht gut ist, die Umsetzung schlecht. Das wäre eine Kritik mit der ich leben kann und der ich mich sogar überwiedgend anschließe, ich lasse inhaltliche Feinheiten mal unter den Tisch fallen.
Aber wir könnten versuchen einander weniger zu dislkriminieren, da haben am Ende alle was von, so ist zumindest meine Überzeugung.

Zitat von Reconquista:
Am wenigsten in den Milieus der Millionen Zugewanderten. Das Konstrukt ist ein so genannter Rohrkrepierer. Nur ist das Rohr lang …

Ja, nein, vielleicht.
Da machst Du ja selbst den Fehler Zugewanderte auf Gemüsehändler zu reduzieren.
Ist heute aber anders und es gibt Intellektuelle mit Migrationshintergrund die Diskriminierungen aufgrund ihrer Hautfarbe ebenfalls - völlig überraschend - ablehnen.

Dass sich der kleine Mann auf der Straße, welche Farbe auch immer er hat, dafür weniger interessiert, mag schon so sein, aber wann ist ihm jemals Aufmerksamheit zuteil geworden?
Die Neo-Rechten haben den white trash als Stimmvieh und billig-willige Empörungsmasse ausgemacht, das stimmt schon, Wohl tendenziell auch, dass die Rechten jetzt ernten, was die Linken gesät haben.

Sagt ja auch keiner, dass die unfehlbar sind, aber ich sehe nicht, dass man materielle Belange, also die klassisch linke Forderung, gegen Respekt, also eine neulinke Forderung ausspielen muss.

Ich bin konservativ genug um zu erkennen, dass dabei auch die mehr oder weniger vielgepreisene Herkunftsgesellschaft nicht unter die Räder kommen soll und darf, aber ein reines Mehrheitsargument ist auch nicht gut, denn wenn sich die Mehrheitsverhältnisse verschieben, guckt man in die Röhre.

Da bekacken sich die Braunen ja, zurecht, wenn sie bei ihrer Idee bleiben, dass die Mehrheit stets Minderheiten dominieren sollte. Aber vielleicht könnte man mal darüber nachdenken, ob dieser Ansatz sp über die Maßen klug ist.

Zitat von Jakob02:
Verzeih, dass ich mich erst jetzt ausführlich bei dir melden kann. War bis eben noch in der Uni, um ein Kapitel für meine Arbeit fertigzustellen.

Du, mach Dir deswegen bitte keinen Stress.
Zitat von Jakob02:
Sellars betont natürlich, wie wichtig es ist, zwischen sensorischen Daten und den kognitiven Prozessen zu unterscheiden, die diese Daten interpretieren und ihnen Bedeutung verleihen. Dass Sinneseindrücke als Resultate natürlicher Ursachen intrinsisch keine Bedeutung tragen, würde ich gar unterschreiben. Nehmen wir uns mal wieder die Quantenmechanik vor - so stellt nämlich auch diese die klassischen Vorstellungen von der materiellen Realität infrage, indem sie nahelegt, dass die Beobachtung die beobachteten Phänomene beeinflusst. Im Wesentlichen verändert der Akt der Messung in Quantensystemen den Zustand des Systems, was mit Sellars' Ansicht insofern übereinstimmt, dass die kognitive Interpretation für das Verständnis sensorischer Erfahrungen entscheidend ist.

Sellars Punkt ist etwas anders, hier in der Version von Robert Brandom. Muss man eventuell mehrfach lesen, ist aber lohnend:
Zitat:
„Im seinem Meisterwerk Empiricism and the Philosophy of Mind beutet Sellars diese Konsequenzen seiner Einsicht, in die Signifikanz inferentieller Verknüpfungen für den Begriffsgebrauch aus, und zwar auch für Fälle reponsiver Klassifikation: Nichtinferentielle Berichte, durch die Wahrnehmungszustände explizit gemacht werden, können keinen selbstständigen, unabhängig von anderen Bereichen verständlichen Bereich der Sprache bilden. Beobachtungsberichte haben zwar einen gewissen Vorrang bei der Rechtfertigung empirischer Behauptungen, nicht aber beim Verstehen. Da zum Wissen nicht nur Rechtfertigung, sondern auch Begreifen oder Verstehen des gerechtfertigten Inhalts gehört, kann es kein Beobachtungswissen ohne Inferenz geben. Man kann keine reine Beobachtungssprache oder Beobachtungsbegriffe haben und dann fragen, ob die Entscheidung ihnen einen inferentiellen Überbau zu verpassen, rational zu rechtfertigen ist. Der Fels, auf den der erkenntnistheoretische Fundamentalismus baut, ist dementsprechend seine Unfähigkeit zu erklären, was es heißt, die Signifikanz von Elementen der beobachtungsgestützten Rechtfertigungsbasis zu verstehen. Denn um einen Begriff nichtinferentiell anwenden zu können, um unterscheidend auf nichtsprachliche Reize zu reagieren, muss man andere Begriffe inferentiell anwenden können. Nur wenn die Reaktion eine solche inferentielle Signifikanz hat, ist sie begrifflich gehaltvoll. Der Gedanke eines autonomen Sprachspiels (oder Menge von Praktiken der Begriffsanwendung), in dem nur nichtinferentielle Berichte vorkommen (und sei es auch über rein mentale Ereignisse), geht komplett in die Irre.“
(Robert Brandom, Expressive Vernunft, 1994, dt. 2001, Suhrkamp, S. 153f)

Inferenz kann man grob als innere logische Folgerichtigkeit übersetzen.
Zitat von Jakob02:
Genauso wie sensorische Daten interpretiert werden müssen, um Bedeutung zu erlangen, zeigen Quantenphänomene nur dann Ergebnisse, wenn sich ein bewusster Beobachter mit ihnen auseinandersetzt.

Wirklich? Wie ist es, wenn ich Schrödingers Kiste vom Roboter öffnen lasse (oder einer vom Zufall gesteuerten Schließautomatik), eine Kamera das Ergebnis aufnimmt und eine Gruppe von Forschern erst später die Aufnahmen sieht? Da war dann physische Interaktion, aber kein Bewusstsein anwesend.
Aber was entscheidet über das Schicksal der Katze? Soweit ich das verstehe, das Öffnen der Box, oder?
Zitat von Jakob02:

Und in der Tat sind die Naturwissenschaften - obwohl sie für ihre systematischen Methoden und ihre Fähigkeit, Schlussfolgerungen aus empirischen Beweisen abzuleiten, gelobt werden - nicht immun gegen die inhärente Fehlbarkeit, die jedes menschliche Unterfangen begleitet.

Der Punkt den Sellars macht, geht tiefer. Den Versuchen geht stets die Theorie voraus und sie wären ohne diese gar nicht durchfühbar. Wir sind also nicht zuerst empirische Wesen, die dann um das, was ganz einfach da ist, Theorien brauen, die alles Einfache dann irgendwie ganz kompliziert machen. Sellars und vor allem Brandom wollen klar machen, dass wir zuerst normative und das meint theoretische Wesen sind.
Wir haben es nur anders herum gelernt, entsprechend schwer ist es, hier den Zipfel in die Hand zu bekommen ... okay, klingt komisch, aber Du weißt schon.
Zitat von Jakob02:
Dennoch können bestimmte Erkenntnisse innerhalb der Grenzen der empirisch verfügbaren Daten ein gewisses Maß an Konsens erreichen.

Klar, keine Frage.
Und oft bestätigte Daten sind viel besser als solche, die abweichen, aber dennoch ist das prinzipiell die schwächste Beweisform, wie wir schon seit Hume wissen. Dass es immer schon so war, heißt genau ... gar nichts.
Statistik veruscht das aufzuweichen, gleichzeitig führt sie zu weiteren seltsamen Ergebnissen, die ihre eigene Dynamik haben und ebenfalls kontraintuitiv sind.
Zitat von Jakob02:
Es ist jedoch wichtig zu erkennen, dass dies nicht mit Unfehlbarkeit gleichzusetzen ist noch mit einer Wiedergabe der Realität. Vielmehr spiegelt es ein Arbeitsmodell wider, das zwar robust ist, aber dennoch von den Grenzen des Verstandes abhängt und durch philosophische Einwände herausgefordert oder sogar infrage gestellt werden kann.

Ja, es hat sich nur eine andere Sichtweise eingebürgert. Alles was man messen kann, ist demnach gut und präzise, der Rest irgendwie spekulativ und nicht Daten gestützt, nicht objektiv und da muss man deutlich sagen, dass das irgendwo zwischen viel zu kurz gesprungen und brutal falsch liegt.
Aber schön zu lesen, dass es da wieder eine neue Offenheit zu geben scheint, mich freut es.
Denn auch konstruktivistische und phänomenologische Ansätze haben ihre Fallstricke, also bei Unterforderungsphänomenen kann ich Dir Brandoms 'Expressive Vernunft' empfehlen, da wird das und mehr behandelt, ist nur so ein wenig die Eiger Nordwand.

Zitat von Cbrastreifen:
Sellars Punkt ist etwas anders, hier in der Version von Robert Brandom. Muss man eventuell mehrfach lesen, ist aber lohnend:

Inferenz kann man grob als innere logische Folgerichtigkeit übersetzen.


Danke dir, habe mich mit Sellars bis dato noch nicht näher befasst - vorhin auf dem Weg zu meinem Fahrrad einmal kurz, doch bin ich hier nur spontan auf Satzfragmente zu Sellars’ epistemologischem Interesse am „myth of the given gestoßen.
Seine Einsichten machen also praktisch deutlich, wie kompliziert die Verwendung von Begriffen in Sprache und Denken ist. Brandon betont ja, dass Beobachtungsberichte keine eigenständige Sprache bilden können; stattdessen erfordere das Verständnis dieser Berichte einen schlussfolgernden Rahmen.
Um sich mit diesem Gedanken auseinanderzusetzen, könnte man die Bedeutung des schlussfolgernden Denkens bei der Konstruktion von Wissen anerkennen. Beobachtungsaussagen mögen oberflächlich betrachtet überzeugend erscheinen, aber ohne den kontextuellen und konzeptionellen Hintergrund, der durch Schlussfolgerungen bereitgestellt wird, fehlt es ihnen an Tiefe und Bedeutung. Wenn wir beispielsweise einfach sagen: „Ich sehe einen Baum, vermittelt dies noch kein Verständnis, es sei denn, wir stützen uns auf einen zugrundeliegenden Rahmen, der unsere Sinneserfahrung mit weiter gefassten Begriffen wie „Baum, „Natur oder unseren früheren Erfahrungen mit Bäumen verbindet.

Zitat von Cbrastreifen:
Wirklich? Wie ist es, wenn ich Schrödingers Kiste vom Roboter öffnen lasse (oder einer vom Zufall gesteuerten Schließautomatik), eine Kamera das Ergebnis aufnimmt und eine Gruppe von Forschern erst später die Aufnahmen sieht? Da war dann physische Interaktion, aber kein Bewusstsein anwesend.
Aber was entscheidet über das Schicksal der Katze? Soweit ich das verstehe, das Öffnen der Box, oder?


Zunächst einmal ist es wichtig, zwischen physischer Interaktion und bewusster Beobachtung zu unterscheiden. In deinem Szenario mit einem Roboter oder einem zufälligen Mechanismus, der Schrödingers Box öffnet, argumentierst du, dass es ein beobachtbares Ereignis gibt (die Katze ist lebendig oder tot), ohne dass ein menschliches Bewusstsein erforderlich ist. Diese Sichtweise unterstreicht, dass der Akt der Messung nicht unbedingt einen bewussten Beobachter erfordert, wenn wir „Beobachter im physikalischen Sinne definieren. Das Ergebnis des Quantensystems könnte sich tatsächlich unabhängig vom Bewusstsein manifestieren.
Was das Schicksal von Schrödingers Katze betrifft, so hängt dieses davon ab, wann und wie die Messung erfolgt. Wenn der Roboter die Kiste öffnet und der physikalische Zustand der Katze zu diesem Zeitpunkt bestimmt wird, dann ist das Schicksal der Katze an die Öffnung gebunden. Dennoch bleibt die philosophische Debatte bestehen: Wird das Ergebnis erst dann aussagekräftig, wenn die Forscher sich die Aufzeichnungen später ansehen und interpretieren? Diese Implikation kann zu einem Paradoxon führen, bei dem ein Ereignis ohne menschliches Bewusstsein eintritt, seine Bedeutung aber erst durch menschliche Interpretation entsteht.

Zitat von Cbrastreifen:
Der Punkt den Sellars macht, geht tiefer. Den Versuchen geht stets die Theorie voraus und sie wären ohne diese gar nicht durchfühbar. Wir sind also nicht zuerst empirische Wesen, die dann um das, was ganz einfach da ist, Theorien brauen, die alles Einfache dann irgendwie ganz kompliziert machen. Sellars und vor allem Brandom wollen klar machen, dass wir zuerst normative und das meint theoretische Wesen sind.
Wir haben es nur anders herum gelernt, entsprechend schwer ist es, hier den Zipfel in die Hand zu bekommen ... okay, klingt komisch, aber Du weißt schon.


Sellars’ Argumentation zeigt, so wie ich es verstehe, dass Theorie die Basis unseres Erkennens ist und nicht bloß ein nachträgliches System zur Erklärung. Wir begreifen die Welt also nicht unmittelbar empirisch, sondern durch die Linse normativer Konzepte, welche unser Verstehen überhaupt erst möglich machen.

Zitat von Cbrastreifen:
Denn auch konstruktivistische und phänomenologische Ansätze haben ihre Fallstricke, also bei Unterforderungsphänomenen kann ich Dir Brandoms 'Expressive Vernunft' empfehlen, da wird das und mehr behandelt, ist nur so ein wenig die Eiger Nordwand.


Vielen Dank für die Empfehlung.

Zitat von Jakob02:
Seine Einsichten machen also praktisch deutlich, wie kompliziert die Verwendung von Begriffen in Sprache und Denken ist. Brandon betont ja, dass Beobachtungsberichte keine eigenständige Sprache bilden können; stattdessen erfordere das Verständnis dieser Berichte einen schlussfolgernden Rahmen.

Der vorausgeht und in den wir immer schon eingebunden sind.
Davon ausgehend wird dann eine reine Beobachtungssprache (der Naturwissenschaft) erfunden, die bereits in die normativen (so nennt Brandom sie) Strukturen eingebunden ist und (weil Naturwissenschaftler es in aller Regel nicht lernen) man denkt, die sprachlich-normativen Strukturen seien eine nachträgliche Erfindung, auf die man eigentlich auch verzichten könne.

Damit zieht man sich den Teppich unter den Füßen weg, auf dem man selbst steht, die schlimmsten Fälle sind Leute die Gerhard Roth, die gleich der ganzen Rationalität - im Namen der Wissenschaft, einem durch und druch rationalen Projekt - den Boden entziehen und nicht merken, was sie tun: ein performativer Selbstwiderspruch, rein technisch gesehen.

Selbst der intuitive Wissenschaftler, mit visionären Träumen und einer 'fühlt sich irgendwie richtig an' Einstellung muss am Ende des Tages begründen oder experimentell herzeigen - aber das ist der Clou von Brandom: das Herzeigen ist kein isolierter Akt, für den man eigentlich keine Sprachspiele braucht, denn man kann ja zeigen, wie es geht, nein, dieser Akt ist immer schon verwoben in Sprachspiele, ist normativ - beides begründende Akte, der wissenschaftliche ist nur ein Sonderfall einer immer schon bestehenden breiteren Praxis.

Zitat von Jakob02:
Was das Schicksal von Schrödingers Katze betrifft, so hängt dieses davon ab, wann und wie die Messung erfolgt.

Und die ist nicht an das Bewusstsein von Beobachtern gebunden.

Zitat von Jakob02:
Dennoch bleibt die philosophische Debatte bestehen: Wird das Ergebnis erst dann aussagekräftig, wenn die Forscher sich die Aufzeichnungen später ansehen und interpretieren? Diese Implikation kann zu einem Paradoxon führen, bei dem ein Ereignis ohne menschliches Bewusstsein eintritt, seine Bedeutung aber erst durch menschliche Interpretation entsteht.

Aber das verwechselt zwei Kategorien, nämlich die ontologische (wie es ist, die Katze ist lebendig oder tot, der Drops ist gelutscht) und die erkenntnistheoretische/epistemologische, der Bedeutung für uns oder Erkenntnis von uns.
Im Grunde das Szenario eines (im physikalischen Sinne) realistischen Universums, das einfach abläuft, aber wir haben gelernt, dass es das unter bestimmten Umständen eben gerade nicht tut.
Und was ist jetzt signifikant für einen Messvorgang; die phyisische Interaktion - der man ja noch Intentionalität untrerstellen kann, gleich wer oder was sie ausführt, also auch der doofe und zufällig Schließmechanismus - oder ihre Wahrnehmung?
Wochen später analysiert kann man schlecht sagen, dass die Katze durch die Sichtung der Ergebnisse jetzt vor Wochen gestorben ist, zumindest nicht, ohne das näher zu erläutern.

Zitat von Jakob02:
Sellars’ Argumentation zeigt, so wie ich es verstehe, dass Theorie die Basis unseres Erkennens ist und nicht bloß ein nachträgliches System zur Erklärung. Wir begreifen die Welt also nicht unmittelbar empirisch, sondern durch die Linse normativer Konzepte, welche unser Verstehen überhaupt erst möglich machen.

Ja. Naturwissenschaften und Philosophie haben einen anderen Startpunkt. Für Naturwissenschaften gibt es einen zeitlichen Ablauf, der, sagen wir mal mit dem Urknall beginnt. Daraus entwickelt sich dann alles gemäß dem naturalistischen Mythos des Gegebenen, denn die unbedeutende Frage wo Materie denn eigentlich herkommt, ist ja ungeklärt, auch wenn man entstehende und vergehende Universen unterstellt.

Der Ausgangspunkt der Philosophie ist der Akt der Reflexion, in dem man sich bewusst wird, dass man ist und damit zugleich, dass man anders ist, also seine Umgebung. Das war vorher - gesetzt wird funktionierten gemäß Bio-Algorithmen - nicht klar. Kastrup unterscheidet Bewusstsein und Meta-Bewusstsein oder einfach Intelligenz und Reflexion und das ist der Startpunkt der Philosophie.
Hier angekommen findet man sich immer schon vor, als in die Welt Geworfener (Heidegger), aber eben nicht nur als ein in die physische Welt Geworfener, sondern auch eingebunden und Sprechpraktiken, ein normatives Gitter.

Wir können Dinge sprachlich herausgreifen (das Verhältnis von Anapher und Deixis wird von Brandom beleuchtet) aber schon Quine tat das, bei seinem Übersetzer Beispiel: gavagai sagt jemand, während er auch ein Kaninchen zeigt und schon ist uns klar: Aha, gavagai heißt Kaninchen.
Kurzschluss, sagt Quine, und seine Pointe ist, dass ab da alles schief gehen kann, denn gavagai kann auch Kaninchenschwanz, heiliges Tier, lecker Abendessen oder Kaninchenfliegen, die das Tier begleiten oder sonst was bedeuten und selbst - Quines Pointe - wenn man eine Sprache entwirft, die konsistent ist, kann man nicht sicher sein, dass es die Sprache der Eingeborenen ist.

Naturwissenschaft sieht die Philosophie als etwas an, was dann historisch auch irgendwann entstanden ist, gemäß ihrem linearen Weltbild, aber das verfehlt den Punkt, dass nämlich die Wissenschaft eine normative Praxis ist, in der sich jemand bereits vorgefunden hat und eingebunden ist.
Heifdegger witzelte darüber, dass Bewusstsein auf einem bestimmten Level nichtts besseres zu tun hat, als Welt von sich abzustreifen, das ging gegen Descartes, aber auf der anderen Seite jeder Theorie sitzt ein Bewusstsein, das lästig Subjektive in der durch Statistik und Co. versuchsweise objektiverten Sicht.

@Jakob02 und @illum

Ich bin gerade dabei einen Dialog zwischen Bernardo Kastrup und Bill Mensch (ein Computer Pionier) zu sehen, der Euch beide interessieren könnte.

Er hat eine Theorie der 'Embedded Intelligence' entwofen, die besagt, dass Intelligenz der Materie vorausgeht.
Hört sich für unseren auswendig gelernten - aber mehr ist es eben auch nicht - Realismus natürlich erst mal crazy an, aber immer mehr erkennen, dass der Realismus unsere drängenden Fragen einfach nicht beantworten kann.

Da bin ich dann auch wieder bei der Seele, die @illum gestern Abend ansprach. Ja, viele gehen da in einer Richtung, nämlich die, dass Welt im Ganzen eine Projektion der Seele ist.
In der Variante Mensch, Kastrup liegt dem physischen Universum eine Intelligenz oder Bewusstsein zugrunde (auch Robert Brandom und Markus Gabriel würden nicht versuchen alles aus der Materie abzuleiten, sehen eigene numerische oder fiktionale Welten (Brandom) oder Sinnfelder (Gabriel))

Bei Kastrup ist das grundlegende Bewusstsein eine eher instinktive und ungerichtetete Kraft (gemäß C.G. Jungs kollektivem Unbewussten und Schopenhauers Willen) und unser Ich-Bewusstsein ist eine Dissoziation dieses großen Bewusstseins, das sich zwischenzeitlich abspaltet, seine Erfahrungen macht, aber mit dem Tod seine Erfahrungen wieder an das große Ganze zurück gibt, das von diesen Ich-Erfahrungen lernt.
Wir sind tastende Tentakel einer großen Intelligenz, der es relativ egal ist, ob es uns damit gut geht, oder nicht, weshalb fundamentales Leiden hier, wie im Buddhismus eingepreist ist (wäre auch was für @Reconquista ).
Die Dissoziation endet, aber nicht die Erfahrung des Seins, mit dem Tod, was aber keine neue Erbauungs- oder Tröstungsgeschichte ist, denn den Tod zu überleben, ist das eine, mit diversen Erfahrungsfetzen im Bewusstseinsstrom des Großen und Ganzen konfrontiert zu sein, das andere.
Ich denke an die Darstellungen des tibetanischen Totenbuchs, das eventuell nicht nur der Phantasie entsprungen ist und diese Zwischenreiche darstellt.

Radikaler ist Advaite Vedanta des Sri Ramana Maharshi, der hinduististische und buddhistische Ansätze noch mal auf den Kern kompriminiert und auch als Praxis vereinfacht: Das Ich ist eine Illusion, die man aber als Ich knacken muss. Die gesamte innere und äußere Vielheit, die Welt der anderen, der Dinge, der Gedanken, der Gefühle ist eine Illusion und vergeht mit dem Ich. Nichts hat jemals existiert, eine Konklusion von Kastrup, Papaji und auch Ramana. Alles Projektionen, die am Ende kassiert werden. Übrig bleibt die Seele, wenn man so will, das Sein. Keine von Gott erschaffene Seele, sonndern ein reines Selbst, dass auch aus der Projektion Gott die Luft lässt. Nur ein Selbst, das existiert, sonst nichts.
Für das Ich gähnend langweilig, das sich durch die Verbindung mit dem Außen definiert und konstituiert, die einfach sich immer mehr und immer wiederholde Bewusstheit darüber, dass man ist, zieht dem Ich den Zahn.
Wie man das macht? Selbsterforschung, herausfinden, wer man ist, Gewahrsein, dass man ist, forschen, prüfen, praktizieren. Im Selbst vergehen auch die Bardo-Zustände, man ist nur noch. Auch mit @moo habe ich das mal angerissen, vielleicht magst Du es.

Bill Mensch ist da noch weltlicher unterwegs, aber er ist einer mehr von jenen, die der realistischen Erzählung nichts mehr abgewinnen können:

Zitat von Cbrastreifen:
Wir sind tastende Tentakel einer großen Intelligenz, der es relativ egal ist, ob es uns damit gut geht, oder nicht


Davon bin ich persönlich zumindest überzeugt.

Wie wir selbiges interpretieren, welchen Namen wir dem Kind geben und welche Wörter wir dafür benutzen ist, um es zu definieren, ist dabei meiner Ansicht nach, der Absicht nach einerlei, weil unerheblich, unbewertet und damit frei gestaltbar.

Ich selbst nenne es den großen Oszillator, um der fundamentalen Arithmetik dieser Grundfrequenz kein inhärentes Bewusstsein zuzuschreiben, das mAn falsch, nämlich als subjektives Bewusstsein verstanden würde.

Die manifestierten Oberwellen dieser Grundfrequenz sind stets nur iterierte Extrapolationen selbiger, womit logische Funktionen als Axiome immer dieser Grundordnung folgen, selbst wenn die subjektive Entität dabei eine alternierende Variation kalkuliert.

Somit ist es der einzelnen Entität, als Fork oder Kindsprozess, sodann auch unmöglich, jene grundlegende Ordnung des Parent selbst rekursiv zu bestimmen, weil sie es nicht vollumfänglich kann.

Spinozas Pantheismus, Nietzsches amor fati und eine Art mathematisch-logische Ontologie.

Zitat von illum:
Ich selbst nenne es den großen Oszillator, um der fundamentalen Arithmetik dieser Grundfrequenz kein inhärentes Bewusstsein zuzuschreiben, das mAn falsch, nämlich als subjektives Bewusstsein verstanden würde.

So würde es Mensch auch sehen.
Aber gleich, ob man nun das Subjekt oder Objekt streicht, damit fällt die Dualität zusammen, was ja nicht schlecht ist, da die eine Menge philosophischen Ärger bereitet.

Zitat von illum:
Somit ist es der einzelnen Entität, als Fork oder Kindsprozess, sodann auch unmöglich, jene grundlegende Ordnung des Parent selbst rekursiv zu bestimmen, weil sie es nicht vollumfänglich kann.

Es sei denn, man erkennt sich als die Illusion oder Dissoziation, die man nach Ansicht mancher ist.
Es ist zwar ein wenig schizophren, hier (in Samsara, Maya oder als Ich-Illusion) weiter zu agieren und sich gleichzeitig auflösen zu wollen (indem man dem Ich nachspürt), aber wir leben im Grunde die selbe negative Schizophrenie, auch dann, wenn wir uns spirituell interessiert nennen.

In aller Regel möchten wir die Spiritualität dann nämlich als Trick verstanden wissen, mit dem man Bestellungen beim Universum einreichen kann und irgendwie besser, entspannter lebt. Man will ein besseres Dasein für das Ich, spätestens im nächsten Leben, wenn möglich aber sofort.

Man kann das Ich zwar mit dem Ich, durch Einsicht und Praxis überwinden, aber nicht, indem man die Komfortzone des Ich weiter polstert.
Sponsor-Mitgliedschaft

Zitat von Cbrastreifen:
Es sei denn, man erkennt sich als die Illusion oder Dissoziation, die man nach Ansicht mancher ist.
Es ist zwar ein wenig schizophren, hier (in Samsara, Maya oder als Ich-Illusion) weiter zu agieren und sich gleichzeitig auflösen zu wollen (indem man dem Ich nachspürt), aber wir leben im Grunde die selbe negative Schizophrenie, auch dann, wenn wir uns spirituell interessiert nennen.

In aller Regel möchten wir die Spiritualität dann nämlich als Trick verstanden wissen, mit dem man Bestellungen beim Universum einreichen kann und irgendwie besser, entspannter lebt. Man will ein besseres Dasein für das Ich, spätestens im nächsten Leben, wenn möglich aber sofort.

Man kann das Ich zwar mit dem Ich, durch Einsicht und Praxis überwinden, aber nicht, indem man die Komfortzone des Ich weiter polstert.


Hm. *denke, denke*
Lass' es mich einen Moment ordnen, um das Problem konkretisieren zu können.

Die These, das Ich als eine Illusion zu betrachten, ignoriert mMn grundlegende Erkenntnisse der phänomenologischen Ontologie, die das Ich als den unumstößlichen Mittelpunkt jeder intentionalen Bewusstseinstruktur betrachtet. In der Transzendentalphilosophie wird das Subjekt ja nicht als ein kontingenter Effekt, sondern im Gegenteil als ein notwendiger Bezugspunkt für jede Form von Selbstbewusstsein und Erfahrung interpretiert.

Eine völlige Auflösung des Ichs also, so wie es sich vorgestellt wird, widerspricht damit doch zwingend der performativen Paradoxie, die besagt dass jede Behauptung der Ich-Negation stets selbst von einem reflexiven Subjekt getroffen wird - getroffen werden muss. Die Illusionsthese unterläuft damit, wie ich es einschätzen würde, die Erkenntnistheorie, da eine vollständige Selbstaufhebung diese Möglichkeit von Autonomie und Verantwortung gänzlich unterminieren würde.

Zudem - Meinung - verkennt der metaphysische Monismus die dialektische Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen dem Subjekt und der Welt als das epistemische Frame. In der humanistischen Psychologie fungiert das Ich ja als ein Entwicklungsfaktor, dessen Integration und Kohärenz psychische Stabilität fördert, nicht negiert.

Die spirituelle Praxis bzw. die Kulturlandschaft der Spiritualität als Selbstoptimierung ist in vielen Traditionen ja nicht egostärkend, sondern ego-transzendierend und damit integrativ im Sinne eines erweiterten Selbstbewusstseins. Ein pragmatischer Ansatz in der Spiritualität bemisst ihren Wert also in den erlebten Effekten, ohne im gleichen Atemzug eine ontologische Radikalität einzufordern.

Diese ich-transzendente Sichtweise führt sodann oft zu den regressiven, nihilistischen Strömungen, die das Subjektive zum bloßen Schatten eines unbestimmten Absoluten reduzieren. Letztlich aber stabilisiert die prozessuale Perspektive auf das Ich ja den Widerspruch zwischen Selbstsein und Selbsttranszendenz, ohne die ganze semantische Kohärenz der Erfahrung zu opfern.

Zitat von illum:
Die These, das Ich als eine Illusion zu betrachten, ignoriert mMn grundlegende Erkenntnisse der phänomenologischen Ontologie, die das Ich als den unumstößlichen Mittelpunkt jeder intentionalen Bewusstseinstruktur betrachtet.

Jein. Dass man sich - also jeder - zunächst mal als Ich wahrnimmt, ist eingepreist.
Ich sehe es genau so - bin Psychologist - alles, was wir erleben, erleben wir durch das oder als Ich.
Aber dann kommt irgendwann die Analyse des leidvollen Daseins, für diejenigen, die es so erleben und da landet man wieder beim Ich.

Zitat von illum:
Eine völlige Auflösung des Ichs also, so wie es sich vorgestellt wird, widerspricht damit doch zwingend der performativen Paradoxie, die besagt dass jede Behauptung der Ich-Negation stets selbst von einem reflexiven Subjekt getroffen wird - getroffen werden muss.

Das stimmt, ist aber der, aus von Dir beschriebenen Gründen, notwendige Ausgangspunkt der Analyse und ggf. des spirituellen Weges.

Zitat von illum:
Die Illusionsthese unterläuft damit, wie ich es einschätzen würde, die Erkenntnistheorie, da eine vollständige Selbstaufhebung diese Möglichkeit von Autonomie und Verantwortung gänzlich unterminieren würde.

Das tut sie, aber bewusst.

Zitat von illum:
Zudem - Meinung - verkennt der metaphysische Monismus die dialektische Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen dem Subjekt und der Welt als das epistemische Frame. In der humanistischen Psychologie fungiert das Ich ja als ein Entwicklungsfaktor, dessen Integration und Kohärenz psychische Stabilität fördert, nicht negiert.

Ja, darin liegt die Paradoxie.
Offensichtlich, das ist die schizophrene Situatuion, muss man das Ich erst peppeln, um dann stark oder reif genug zu sein, um erkennen zu können, dass man es abbauen, überwinden oder zerstören muss.

Es ist also nicht notgedrungen falsch, was da in der humanistischen Psychologie gemacht wird.
Kommt halt auf dier Höhe der Entwicklung an, mit der Pointe, dass das Konzept von Welt, Anderen, Entwicklung und Karma am Ende auch kassiert wird.

In dem Kontext taucht oft die Frage auf, ob man denn nicht eher damit anfangen kann und die Antwort lautet: Sicher, es will nur niemand. Das Ich will sich mit Welt verbinden, weil sich mit Welt zu verbinden genau das ist, was dem Ich seine Existenz bestätigt. Wieder und wieder und wieder, bis man sich die Geschichte nicht mehr schönreden kann, was man die längste Zeit kann. Darum ist Ich-Überwindung für uns alle die ödeste Story der Welt, niemand will das.

Zitat von illum:
Die spirituelle Praxis bzw. die Kulturlandschaft der Spiritualität als Selbstoptimierung ist in vielen Traditionen ja nicht egostärkend, sondern ego-transzendierend und damit integrativ im Sinne eines erweiterten Selbstbewusstseins. Ein pragmatischer Ansatz in der Spiritualität bemisst ihren Wert also in den erlebten Effekten, ohne im gleichen Atemzug eine ontologische Radikalität einzufordern.

Ja, aber nach Ramanas Ansatz wäre es doch egostärkend, er ist da deutlich schärfer. Diesen Ansatz referiere ich hier. In einem psychologischen Kontext kann man anerkennen, dass mehr Empathie und Ich-Stärke (= weniger Egozentrismus) und dergleichen ein Fortschritt ist und die grobe Formel ist, dass jede Wendung nach Innen gut ist.
Die Wendung nach innen scheint in ihrer Dynamik zu wachsen und zeigt alles in allem (bis auf eine Ausnahme bei der existenziellen Stufe) einen Fortschritt auf im Wohlempfinden. Vom narzisstischen Wutknubbel, der sich zusammenzieht, bis zu jemandem, der anderen um sich herum auch etwas gönnen und mit ihnen freuen kann, das ist schon ein Unterschied, den die Umwelt, den man aber vor allem selbst merkt.

Zitat von illum:
Diese ich-transzendente Sichtweise führt sodann oft zu den regressiven, nihilistischen Strömungen, die das Subjektive zum bloßen Schatten eines unbestimmten Absoluten reduzieren. Letztlich aber stabilisiert die prozessuale Perspektive auf das Ich ja den Widerspruch zwischen Selbstsein und Selbsttranszendenz, ohne die ganze semantische Kohärenz der Erfahrung zu opfern.

Mir ist klar, was Du meinst, aber Ramanas Ansatz ist vollkommen radikal.
Das Erleben, was man im traumlosen Tiefschlaf hat, ist das Ziel, nur eben in der Endloseinstellung.
Wenn Du das vollkommen unattraktiv findest: Willkommen im Club.
Doch irgendwann geht es vielleicht darum, ob da nicht was dran sein könnte.

Tut mir leid, ich würde mich hier echt gerne rege und kontinuierlich beteiligen, sitze nur nebenbei noch an meiner kleinen wissenschaftlichen Abhandlung über die (mathematisch begründete) Beeinflussung anisotropen Skalierungsverhaltens.

Zitat von Cbrastreifen:
Ja. Naturwissenschaften und Philosophie haben einen anderen Startpunkt. Für Naturwissenschaften gibt es einen zeitlichen Ablauf, der, sagen wir mal mit dem Urknall beginnt. Daraus entwickelt sich dann alles gemäß dem naturalistischen Mythos des Gegebenen, denn die unbedeutende Frage wo Materie denn eigentlich herkommt, ist ja ungeklärt, auch wenn man entstehende und vergehende Universen unterstellt.


Heideggers Bewusstseinskritik deutet ja darauf hin, dass der Mensch auf bestimmten Ebenen des Bewusstseins gegen seinen eigenen Wunsch ankämpfen kann, sich von der Welt zu distanzieren, was eine Spannung zwischen objektiver Beobachtung und subjektiver Erfahrung offenbart. Diese Spannung erinnert daran, dass jedem theoretischen Rahmen eine bewusste Subjektivität zugrunde liegt. In vielen Bereichen der Physik, insbesondere in der Quantenmechanik, werden Begriffe wie Linearität und zeitliche Abfolge zunehmend infrage gestellt. Konzepte wie Nichtlokalität und Verschränkung sehen also lineares Zeitverständnis und Kausalität eher kritisch an und revolutionieren auf diese Weise unser traditionelles Verständnis von Naturwissenschaft.

Zitat von Cbrastreifen:
Der Ausgangspunkt der Philosophie ist der Akt der Reflexion, in dem man sich bewusst wird, dass man ist und damit zugleich, dass man anders ist, also seine Umgebung. Das war vorher - gesetzt wird funktionierten gemäß Bio-Algorithmen - nicht klar. Kastrup unterscheidet Bewusstsein und Meta-Bewusstsein oder einfach Intelligenz und Reflexion und das ist der Startpunkt der Philosophie.
Hier angekommen findet man sich immer schon vor, als in die Welt Geworfener (Heidegger), aber eben nicht nur als ein in die physische Welt Geworfener, sondern auch eingebunden und Sprechpraktiken, ein normatives Gitter.

Wir können Dinge sprachlich herausgreifen (das Verhältnis von Anapher und Deixis wird von Brandom beleuchtet) aber schon Quine tat das, bei seinem Übersetzer Beispiel: gavagai sagt jemand, während er auch ein Kaninchen zeigt und schon ist uns klar: Aha, gavagai heißt Kaninchen.
Kurzschluss, sagt Quine, und seine Pointe ist, dass ab da alles schief gehen kann, denn gavagai kann auch Kaninchenschwanz, heiliges Tier, lecker Abendessen oder Kaninchenfliegen, die das Tier begleiten oder sonst was bedeuten und selbst - Quines Pointe - wenn man eine Sprache entwirft, die konsistent ist, kann man nicht sicher sein, dass es die Sprache der Eingeborenen ist.


Kastrups Unterscheidung zwischen Bewusstsein und Meta-Bewusstsein ist auf jeden Fall ein starkes Argument dafür, dass unser Verständnis unserer selbst und unserer Umwelt nicht nur biologisch determiniert ist, sondern auch durch unsere Fähigkeit zur Selbstreflexion geprägt wird.
Ich stimme dir zu, dass Heideggers Konzept des „in die Welt Geworfenen eine tiefe Einsicht in unsere fundamentale Einbindung in die physische und soziale Welt bietet. Wir sind nicht nur in eine physische Welt geworfen, sondern auch in ein Netzwerk von Sprechpraktiken und normativen Strukturen, welches unser Denken und Handeln beeinflusst.
Quines Beispiel „gavagai ist ein klassischer Fall, der zeigt, wie komplex und fehleranfällig die Übersetzung und Interpretation von Sprache sein kann. Es ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass unsere Interpretationen immer von unseren eigenen Annahmen und Kontexten abhängen. Allerdings könnte man auch argumentieren, dass trotz dieser Unsicherheiten Kommunikation und Verständnis in der Praxis funktionieren. Wir sind in der Lage, uns auf eine geteilte Bedeutung zu einigen, auch wenn diese nie vollständig determiniert ist.
Ich denke, was Quine uns wirklich zeigt, ist die Notwendigkeit einer gewissen Demut in unseren Interpretationen. Wir können nie vollständig sicher sein, dass unsere Übersetzung der Wirklichkeit entspricht, aber wir können durch Dialog und Interaktion eine gemeinsame Basis schaffen, auf der wir kommunizieren und zusammenarbeiten können.

A


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