Zitat von kritisches_Auge:es wäre der Untergang der Kultur, idie Menschen würden ihrer Geschichte und ihrer Individualität beraubt.
Das stelle ich in Frage. Wenn ein Kind geboren wird, wächst es in die Kultur und die Sprache hinein, in deren Umgebung es lebt. Ob diese Sprache Deutsch, Englisch, Wolof oder Hindi ist, ist dabei völlig unerheblich. Würden alle Menschen irgendwann in die selbe Sprache hineingeboren, wäre diese ganz selbstverständlicher Bestandteil ihrer Kultur.
Das Vorhandensein vieler Sprachen ist nichts Verbindendes, sondern es trennt Menschen voneinander. Wer sich nicht verstehen kann, kann sich nicht verstehen.
Dieses Trennende ist schon innerhalb des eigenen Landes zu erkennen: Bestimmte Dialekte werden von anderen als minderwertig empfunden und/ oder abgelehnt - und damit auch die Menschen dahinter. Wenn das Ausdruck von Individualität oder Kultur ist, halte ich das für durchaus verzichtbar.
Zitat von kritisches_Auge:Für mich ist Sprache das Wichtigste überhaupt
Für mich auch. Ich liebe es, mit Sprache zu jonglieren und zu spielen. Aber es wäre mir egal, ob ich das in Deutsch oder irgendeiner anderen Sprache könnte, wenn dadurch eine Verständigung mit jedem Menschen irgendwo auf der Welt möglich wäre.
Sprache ist immer schon Ausdruck von Macht. Eroberer haben sie den Unterlegenen aufgezwungen und diese haben sich zur Wehr gesetzt, indem sie die eigene so benutzt haben, dass sie zum Instrument des Widerstands wurde. Die Geschichte der geheimen Sprache des Blues ist ein bekanntes Beispiel. Man muss aber gar nicht so weit gehen: Jeder ausländische Touristenort, an dem Deutsch gesprochen wird, ist Demonstration von Macht: Wer das Geld bringt, entscheidet auch darüber , wie mit ihm gesprochen wird und zwingt andere zur Anpassung.
Und zur Sprache als Merkmal von Kultur: Sie ist komplett abhängig von Bildung. Das, was ein nicht geringer Teil der muttersprachlichen Deutschen spricht, kann kaum als Sprachkultur bezeichnet werden, sondern ist bestenfalls rudimentäre Kommunikation. Das ist in anderen Kulturen nicht anders. Hochsprache= Bildungssprache = Machtsprache.
Gretchenfrage: Wenn dir Sprache so wichtig ist, wie viel Kultur gestehst du einem Muttersprachler zu, der sich völlig losgelöst von den Zwängen von Syntax und Semantik sprachlich äußert? Taugt er auf die gleiche Weise wie du als Träger eines Kulturmerkmals ? Was wäre, wenn er ausgewählt wäre, die deutsche Sprachkultur einer anderen Kultur zu vermitteln? Ohne zugrundeliegende Bildung wird Sprache zu einem durchaus hinterfragenswerten Kulturmerkmal.
Natürlich ist Zwang nicht das Mittel der Wahl - aber auch nicht nötig. Die Globalisierung wird uns mit Sicherheit irgendwann dahin führen, dass internationale Verständigung möglich und normal ist.
30.05.2021 09:56 • #21