Zitat von pumuckl:Ich kann die Ansichten nicht wirklich nachvollziehen. Wenn du so weit weg wohnst, ist es natürlich verständlich, dass du nicht so oft zu Besuch kommen kannst. Wohnt deine Oma denn ganz alleine? Kümmert sich jemand um sie? Ich finde das schon hart, dass man seine Großeltern nicht mehr als Großeltern empfindet, weil sie Demenz haben.
Sie lebt alleine in dem Haus, dass mein Opa gebaut hat. Meine Tante unterstützt sie.
Demenz ist ein sehr schwieriges Thema, vor allem wenn man familiär selbst betroffen ist. Hattest du einmal einen Fall von Demenz in deiner Familie? Ich war damals noch etliche Jahre jünger und für mich war das ein riesiger Einschnitt in mein Leben.
Durch meine Mutter die als Demenzbetreuerin arbeitet (keine Pflege, sondern Spiele, Erinnerungsrunden, etc.) habe/ hatte ich sehr oft mit demenzkranken Menschen zu tun. Sie sind eine Herrausforderung in jeder Hinsicht, aber ich helfe gerne Mal an Weihnachten oder auf Festen aus, mache Fotos, tanze mit Ihnen, usw.
Als mein Opa an Demenz erkrankt ist, war das etwas völlig anderes: Aus einem lebenslustigen Menschen, Soldat im zweiten Weltkrieg und Kriegsgefangener, ein Kindskopf bis ins hohe Alter mit Humor für zwei und Sinn für die wichtigen Dinge wurde zuerst ein leicht vergesslicher Opa. Das war alles noch händelbar. Dann kam irgendwann die Aggressivität dazu, welche für uns Enkelkinder schon härter zu händeln war. Als er mich dann nicht mehr erkannte war ich am Boden zerstört, habe aber einfach weiter die Fremde die zu Besuch ist gespielt.
Meine Oma hat meinen Opa zuhause gepflegt, obwohl sie körperlich dazu nicht in der Lage war. Als der Zeitpunkt gekommen war, an dem mein Opa bettlägrig wurde, Windeln tragen musste und aufhörte zu sprechen war ich emotional im Außnahmezustand. Ich definiere die Menschen die ich Liebe nicht über ihr aussehen, sondern ihre Verbindung zu mir. Und zu meinem Opa konnte ich keine Verbindung mehr herstellen, keine Erinnerung passte zu dem Mann, der dort vor mir lag. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen für den Rest meines Lebens meine sämtlichen Erinnerungen mit dem Bild eines hilflosen Mannes zu überschreiben. Ich wollte ihn in Erinnerung behalten wie wir ihn alle kannten. Und das konnte ich nur, indem ich ihn für mich bereits beerdigte, obwohl seine sterbliche Hülle noch da war. Und genau das gleiche hat mein Vater auch getan.
Das heisst nicht, dass sich niemand mehr um ihn gekümmert hat. Wenn er zu der Zeit in einem Heim gelegen hätte wäre es vielleicht einfacher gewesen. Ihn aber hilflos wie ein Baby in seinem eigenen Haus zu sehen, an das ich so viele Erinnerungen hatte war für mich nicht händelbar. Das hatte nichts mit Härte oder Gleichgültigkeit oder Selbstsucht zu tun. Ich hatte soviel Liebe für ihn in mir, dass es mich zerrissen hat was mit ihm geschehen ist. Ich empfand die Krankheit als ungerecht und würdelos für ihn.
Natürlich habe ich mich irgendwann von ihm verabschiedet, als wir wussten das es zu Ende ging. Und alle waren froh, als es vorbei war. Und zwar nicht weil er uns eine Last war, sondern aus Respekt und Liebe. Er ist nicht gestorben, sondern er durfte endlich gehen!
Demenz ist anfangs schlimm für die Betroffenen, aber zum Ende ist es einfach nur eine Qual für die Hinterbliebenen. Und davor muss man sich manchmal einfach selber schützen.