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Hallo liebes Forum,

die meisten von uns - mich eingeschlossen - hatten dieses Stadium ja mal: man sucht mehr oder weniger krampfhaft nach einer körperlichen Erklärung für unsere psychischen Leiden. Eine manchmal jahrelange Ärzteodyssee bleibt oft ergebnislos, bis man zähneknirschend akzeptiert, daß man also nun doch 'einen am Helm' hat.

In anderen Threads begegnet es mir auch manchmal: der berühmte Satz: ich kann nicht glauben, daß das alles von der Psyche kommt. Manche verbeißen sich derart in diesen Glaubenssatz, daß sie anscheinend (vielleicht unnötigerweise?) lieber endlos lange leiden, als sich Hilfe zu holen, wo sie gegeben werden kann: in einer Klinik, beim Psychiater oder Psychotherapeuten.

Was ich mich frage: warum ist das so? Hat man Angst vor gesellschaftlicher Stigmatisierung? Vor Ablehnung im sozialen Umfeld? Angst davor, nicht mehr 'dazuzugehören', nicht mehr so leistungsfähig zu sein, wie es vielleicht erwartet wird?

Was meint ihr?

25.10.2024 11:23 • 16.01.2025 x 4 #1


32 Antworten ↓


Ich glaube eher, es fällt vielen schwer bzw. ist unmöglich einzusehen, dass die Psyche solch eindeutig körperlichen Symptome verursachen kann, wenn körperlich doch alles in Ordnung ist.

Mein Bauch tut weh, also muß doch auch was am Bauch sein.

A


Die Suche nach der körperlichen Ursache

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Zitat von Drkingschultz:
Ich glaube eher, es fällt vielen schwer bzw. ist unmöglich einzusehen, dass die Psyche solch eindeutig körperlichen Symptome verursachen kann, wenn körperlich doch alles in Ordnung ist.

Dem schließe ich mich aus eigener Erfahrung an. War bei mir persönlich exakt der Grund.
Mittlerweile bin ich aber tatsächlich bei bekannten Symptomen schon weiter.

Zitat von weyoun:
Was meint ihr?


Vielleicht dieses, vielleicht jenes.

Was ich als Betroffener sagen muss, ist es der fehlende Glaube daran, wie stark die Psyche ist und welche Konsequenzen es körperlich haben kann.

Nicht das Wissen. Das steht in jedem Buch. 1000e Seiten kann man dazu lesen und nichts begreifen.

Der feste Glaube oder die Überzeugung daran, dass man sich körperlich nicht mehr auf den Beinen halten kann, weil der Kopf krank ist, ist wenn man es nicht durch Heilung als Gegenbeweis erfährt, eine Sache die nur schwer zu verstehen, zu begreifen und zu akzeptieren ist.

Ich habe hier schon so viele Berichte gelesen von Menschen, denen es ähnlich geht, und die sich wie ich mit Hand und Fuß dagegen wehren, es auf den Kopf zu reduzieren - weil es sich eben nicht so anfühlt.

Man kennt vllt. das körperliche krank sein, wenn man eine Grippe hat.

Sich allerdings wie mit einer Grippe zu fühlen ohne körperlich krank zu sein widerspricht der rationalen Vernunft von Ursache und Wirkung.

Und selbst wenn du die rationale Ursache kennst, ist es wie mit der Krümmung des Raums durch Massen. Das steht da. Auf Papier. Kann man auch reproduzieren.

Aber wenn man es nicht mal selbst erlebt hat und sich daraus befreien konnte, macht einen der Glaube daran, dass einen diese schwarze Hexe plattmachen kann nicht zum mal Gespött vor der Welt, sondern zum Gespött vor sich selbst - zu schwach für den eigenen Kopf zu sein.

Deshalb ist die Akzeptanz mMn so schwer. Sich selbst besiegen zu können - also wirklich besiegen im wahrsten Sinne des Wortes - ist nichts was man als Erfahrung lesen kann. Zu der Erkenntnis muss man kommen.

Zitat von Drkingschultz:
Ich glaube eher, es fällt vielen schwer bzw. ist unmöglich einzusehen, dass die Psyche solch eindeutig körperlichen Symptome verursachen kann, wenn körperlich doch alles in Ordnung ist. Mein Bauch tut weh, also muß doch auch was am Bauch sein.

Ja, das denke ich auch dass das der Hauptgrund ist. Viele können nicht glauben / akzeptieren, dass die Psyche so großen Einfluss auf unseren Körper hat.

Dazu kommt, dass die Symptome nach und nach verwischen. Damit meine ich, dass sich aus den psychisch verursachten Symptomen nach und nach tatsächlich körperliche Leiden entwickeln können. Gefühlt jeder zweite hier hat Probleme mit Schwindel und Benommenheit. Das hat vielleicht oft mal psychische Ursachen gehabt, durch Anspannung und Dauerangst hat sich aber sowohl die Empfindsamkeit verstärkt und es haben sich tatsächlich körperliche Krankheiten daraus entwickelt. Das Ganze gibt dann ein ziemliches Durcheinander, die Symptome verstärken sich gegenseitig und es fehlt der Durchblick. was nun eigentlich los ist und was zu tun ist.

Und daraus ergibt sich noch ein Problem: wenn man - auch bei einem kerngesunden - nur lange genug sucht, dann findet man auch irgendwas. Nur ist damit noch lange nicht gesagt, dass das Gefundene auch irgendeinen Krankheitswert hat und Verursacher der Probleme ist.

Wenn die Seele schreit
Weint der Körper

Es gibt wirklich nichts was die Psyche nicht auslösen könnte
Egal ob schmerzen oder Symptome
Alles ist möglich

Ich denke bei einigen ist auch ein Grund das sie vielleicht bei psychischen Leiden keine Hilfe bekommen von Familie oder Freunden und Bekannten

Hingegen wer hilft schon nicht wenn man Krebs oder ALS oder sonst was ganz schlimmes hat

Und ich glaube bei einigen ist es auch ein Schrei nach Aufmerksamkeit die sie dringend brauchen

@weyoun

Leider geht es mir auch immer so. Mal mehr mal weniger. Ich versucht den Ärzten zu vertrauen, versuche zu akzeptieren das meine Probleme von der Psyche kommen. Dann kommt der Moment, wo ich wieder denke das ich es doch was körperliches ist und die ganzen symptome mich kaputt machen. Ich bin gefangen das ich eine schlimme Muskel oder Nerven Krankheit habe. Ich würde gerne glauben was die ganzen Ärzte sagen aber es fällt mir extrem schwer. Heute ist wieder ein Tag, wo ich nur daran denke das es nicht entdeckt wurde und mir keiner glaubt.

Wirklich ein schwer zu ertragener Zustand.

Zitat von weyoun:
Was ich mich frage: warum ist das so? Hat man Angst vor gesellschaftlicher Stigmatisierung? Vor Ablehnung im sozialen Umfeld? Angst davor, nicht mehr 'dazuzugehören', nicht mehr so leistungsfähig zu sein, wie es vielleicht erwartet wird?

Ein sehr interessantes Thema hier - mag ich.

Ich schließe mich erstmal allen Posts hier an und sehe viele Dinge ähnlich/genauso.

Ergänzen möchte ich noch meine persönlichen Gefühle/Vermutungen, die ich erkenne, wenn ich total ehrlich zu mir bin etc.

Eine körperliche Ursache zu finden für alles, wäre die Variante/das Szenario einfach und unkompliziert glaube ich. Ich als Mensch habe es gerne so, dass ich Dinge schnell abhaken kann. Der Weg/die Komplexität der Tatsache, rein psychisch etwas zu haben und so viele Symptome zu erwecken ist anstrengend, erfordert Geduld und ist kompliziert.
Ich hatte Phasen, in denen ich fast darum gebettelt habe, dass der Arzt was findet rein körperlich und es wäre mir manchmal sogar egal gewesen, wenn es etwas recht Schlimmes gewesen wäre. Warum wäre ich sogar so weit gegangen? Weil ich damit auch allen Menschen um mich herum hinklatschen könnte: Seht her - ich bin doch wirklich krank - checkt ihr es jetzt, wie sch.... es mir geht....nehmt ihr es jetzt endlich ernst und versteht es?.
Passend dazu habe ich aktuell ja ein bisschen so ein Dings, bei dem ich diese Karte ausspielen kann/könnte. Es wurde bei mir vor Kurzem sozusagen endlich bestätigt, dass ich an meinem Herz tatsächlich einen körperliche Baustelle habe, die ein starkes Symptom verursacht (massives Herzrasen durch eine von Geburt an zusätzliche Leitungsbahn). Das ist keine lebensgefährliche Sache und ist auch nicht hauptverantwortlich für viele meiner anderen Symptome oder meine psychische Erkrankung, aber (und das zeigt, wie ich ticke):
Ich habe mich die letzte Zeit fast gefreut, nun anderen Leuten auch sagen zu können: ...und am Herz habe ich auch was/mein Herz macht Probleme. Das ist bewusst so formuliert, dass ich einerseits nicht lüge (bin schwer herzkrank), aber auch nicht so, dass das Gegenüber sofort merkt, dass das nichts besonders Schlimmes ist.
Ich nutze diese kleine, gefundene, rein körperliche Sache also wohl nun bald aus, damit Leute meine Situation/Erkrankung besser verstehen oder meiner Situation ernster nehmen. Nur psychische Probleme trifft zwar oft auf Verständnis und Akzeptanz, aber irgendwie checken das Ausmaß des Leids trotzdem viele nicht.

Ich hoffe, es kam ungefähr einigermaßen rüber, was ich meine.
Ich glaube also kurz gesagt (neben den anderen, oben schon super erklärten Gründen), dass wir Menschen auch manchmal sehr dazu neigen, gerne Gründe oder Ergebnisse zu bekommen, die es uns leichter machen, der Außenwelt unser Leid zu präsentieren und ja...manchmal suhlen wir uns förmlich vielleicht sogar darin.

Hallo und danke für diesen tollen Thread und die Anregung , sich genau darüber auszutauschen, was wahrscheinlich den meisten hier zu schaffen macht, einschließlich mir. Freue mich über die guten Beiträge! LG aus Kiel

@Volatilität Das ist so interessant. Seit etwa vier Jahren habe ich einen Tinnitus. Seitdem begleiten mich Angst und Depression und einige andere Symptome. ‚Wenn der Tinnitus weg wäre, ginge es mir sofort besser.‘ Mittlerweile beobachte ich mich dabei, den Tinnitus auch als Erklärung für meine psychische Erkrankung zu ‚benutzen‘ . Als Rechtfertigung? Einen triftigen Grund für meine Beschwerden zu haben?

@Sprotte
Ja genau... ich sehe, dass du ungefähr verstanden hast, wo ich hineinpieksen wollte und das ist eben echt super interessant.

Ich bin da auch immer dabei, bei mir selbst zu erforschen und herauszufinden, was da unterbewusst oder vielleicht sogar noch tiefer abgeht bei mir. Das geht dann soweit, dass ich schon teils einen Verdacht habe, warum ich vielleicht sogar gar nicht raus will aus meiner psychischen Erkrankung bzw nur immer mal stückweise, aber nie die komplette Heilung erreichen will?

Was hätte es für Folgen, wenn ich wieder komplett psychisch gesund wäre?

Was würde sich bei mir im Leben sogar zum Negativen verändern, wenn ich wieder geheilt wäre?

Wie würde mein Umfeld reagieren, wenn eine rein körperliche Ursache für all die Dinge der letzten zehn Jahre gefunden wird?
Würde ich dann eine Art Befriedigung verspüren?
Würde ich noch mehr Aufmerksamkeit bekommen, die ich vielleicht sogar sehr unterbewusst brauche?
usw usw...

Gedanken wie diese rufen einerseits Scham bei mir hervor, andererseits eine gewisse Aggression, weil ich manches nicht zugeben und wahrhaben will.

Sehr komplexes, schwieriges und auch etwas aufwühlendes/unangenehmes (?) Thema glaube ich

@Volatilität Hier ist ja ein einigermaßen geschützter Raum… Ich finde das, was du schreibst, sehr wichtig! Ja, ich schäme mich tatsächlich, zuzugeben, dass ich Depressionen und eine Angststörung habe. Mit dem Tinnitus zusammen kann ich das einigermaßen gut ‚vertreten‘. Und ja, es sind die kleinen, die unterbewussten Minigedanken und Bilder, die mir Angst einjagen und die ich so schwer zu fassen kriege, Angst ist wahnsinnig anstrengend und zieht Depression nach sich.. so meine Erfahrung. Sehr tricky, aber vielleicht nähern wir uns mit diesem thread an die Lösung. @Hotin wird ja dankenswerterweise auch nicht müde, von den unbewussten und bewussten Gedanken zu berichten.

Zitat von Volatilität:
Nur psychische Probleme trifft zwar oft auf Verständnis und Akzeptanz, aber irgendwie checken das Ausmaß des Leids trotzdem viele nicht.

Das hast Du so super auf den Punkt gebracht

Zitat von weyoun:
bis man zähneknirschend akzeptiert, daß man also nun doch 'einen am Helm' hat.


Wie ernst Du diese lockere Ausdrucksweise meinst, weiß ich nicht.
Ich jedenfalls bin davon überzeugt, hier hat fast niemand einen am Helm. Wir alle hier sind
grundsätzlich mehr oder weniger gesund. Gehen aber völlig unterschiedlich mit unseren
Gedanken um. Wir haben Sprechen gelernt. Haben lesen, schreiben und rechnen gelernt.
Aber hat uns mal jemand irgendwann gesagt, wie man mit seinen Gedanken, mit seine Gefühlen
und mit seinen Ängsten umgehen sollte? Wer von uns hat wiederholt gezeigt bekommen, wie man
mit Kritik umgehen sollte und wie mit persönlichen Niederlagen?

Zitat von weyoun:
In anderen Threads begegnet es mir auch manchmal: der berühmte Satz: ich kann nicht glauben, daß das alles von der Psyche kommt.


Auch ich lese immer und immer wieder diesen Satz.

Zitat von weyoun:
Was ich mich frage: warum ist das so?

Ich glaube, dafür gibt es eher einfache Gründe. Niemand nimmt sich die Zeit, einen jungen
Menschen zu einem mündigen, selbstbewussten Menschen zu fördern.


Zitat von Sprotte:
Ja, ich schäme mich tatsächlich, zuzugeben, dass ich Depressionen und eine Angststörung habe.

Es gibt überhaupt keinen Grund sich zu schämen, wenn man eine Angststörung hat.
Und auch Depressionen sind häufig keine so schwere Krankheit, wie viele es vermuten.

Zitat von Sprotte:
Und ja, es sind die kleinen, die unterbewussten Minigedanken und Bilder, die mir Angst einjagen und die ich so schwer zu fassen kriege, Angst ist wahnsinnig anstrengend und zieht Depression nach sich.. so meine Erfahrung.


Wenn Du es möchtest, kannst Du einiges tun, um dies nicht mehr so belastend zu spüren.

Zitat von Hotin:
Wie ernst Du diese lockere Ausdrucksweise meinst, weiß ich nicht.

Ich glaube, er wollte es auf charmante und eher humorvolle Weise beschreiben .

Zitat von Hotin:
Wir alle hier sind
grundsätzlich mehr oder weniger gesund.

Das sehe ich anders. Das Wort Krankheit sollte und darf benutzt werden. Ich finde es eher schlecht, die Dinge nicht deutlich zu benennen. Daher haben viele psychisch Erkrankte auch Probleme mit der Akzeptanz und trauen sich auch nicht gesellschaftlich outen.

Zitat von Hotin:
Und auch Depressionen sind häufig keine so schwere Krankheit, wie viele es vermuten.

Oha...das sind Worte, die ich ..wie soll ich sagen...eigentlich meist von Leuten höre, die das selbst noch nie hatten und daher total unterschätzen.
Eine Erkrankung, die Menschen so weit treiben kann an Leid, dass sie sich das Leben nehmen, sollte nicht so verharmlost werden bitte

Zitat von Volatilität:
Ich glaube, er wollte es auf charmante und eher humorvolle Weise beschreiben


Das denke ich übrigens auch.

Zitat von Volatilität:
Das sehe ich anders. Das Wort Krankheit sollte und darf benutzt werden. Ich finde es eher schlecht, die Dinge nicht deutlich zu benennen.


Selbstverständlich darf das Wort Krankheit benutzt werden. Ich selbst dagegen, möchte das
Wort Krankheit aber lieber selten für die unterschiedlichen Formen der Angststörungen benutzen.
Natürlich ist die Grenze oft sehr fließend. Und jeder darf seine Angststörung natürlich eine
Krankheit nennen, wenn er das gern möchte.

Seit über 30 Jahren beschäftige ich mit unterschiedlichen Angststörungen und wie man sie
abmildern kann. Ich bin kein Arzt. Vielleicht kannst Du Dir aber trotzdem vorstellen, dass ich mir
in den langen Jahren sehr, sehr spezielle Kenntnisse angeeignet habe, mit denen ich Menschen
helfen kann. Dadurch habe ich auch tatsächlich vielen, vielen Menschen geholfen.

Eine sehr große Anzahl von Mitgliedern hier im Forum sind noch nicht einmal 30 Jahre alt.
Hältst Du es für denkbar, dass ich diesen Menschen auf dem Gebiet Ängste fast immer einen
sehr großen Wissens-Vorsprung habe?
Falls nein, brauchen wir uns darüber nicht zu unterhalten.

Kurz zum Begriff Angststörung zurück. Menschen, die verstehen, das und wie sie sich bei
Angststörungen gut selbst helfen können, haben anderen Menschen gegenüber große Vorteile.


Dann hatte ich geschrieben.

Zitat von Hotin:
Und auch Depressionen sind häufig keine so schwere Krankheit, wie viele es vermuten.


Das Gebiet der Depressionen ist sehr groß. Soweit ich weiß, gibt es auch zwischen
Angststörungen und Depressionen überwiegend fließende Übergänge.

Zitat von Volatilität:
Oha...das sind Worte, die ich ..wie soll ich sagen...eigentlich meist von Leuten höre, die das selbst noch nie hatten und daher total unterschätzen.

Zitat von Volatilität:
Eine Erkrankung, die Menschen so weit treiben kann an Leid, dass sie sich das Leben nehmen, sollte nicht so verharmlost werden bitte


Ich verharmlose gar nichts. Wenn jemand von einer Angststörung langsam in eine Depression
hineinrutscht, so kann sie/er in einigen Fällen diese Entwicklung wieder umkehren, wenn er
es selbst schafft.
Leichte Depressionen werden normalerweise nie dazu führen, jemand so weit zu treiben, dass
sie/er nicht mehr leben will.
Anders als Du offensichtlich, kenne ich einige Menschen, die sich auch aus Depressionen nach
langer Zeit selbst helfen konnten.
Da dies allerdings häufig sehr zeitaufwendig ist, kostet mich das meistens außerordentlich
viel Zeit und Kraft. Manchmal über Monate hinweg bis zu ein/zwei Jahren.

Zitat von Hotin:
Seit über 30 Jahren beschäftige ich mit unterschiedlichen Angststörungen und wie man sie
abmildern kann. Ich bin kein Arzt. Vielleicht kannst Du Dir aber trotzdem vorstellen, dass ich mir
in den langen Jahren sehr, sehr spezielle Kenntnisse angeeignet habe, mit denen ich Menschen
helfen kann. Dadurch habe ich auch tatsächlich vielen, vielen Menschen geholfen.

Eine sehr große Anzahl von Mitgliedern hier im Forum sind noch nicht einmal 30 Jahre alt.
Hältst Du es für denkbar, dass ich diesen Menschen auf dem Gebiet Ängste fast immer einen
sehr großen Wissens-Vorsprung habe?

Das glaube ich dir gerne und ich finde es auch toll, dass du Menschen hilfst.


Zitat von Hotin:
Das Gebiet der Depressionen ist sehr groß. Soweit ich weiß, gibt es auch zwischen
Angststörungen und Depressionen überwiegend fließende Übergänge.

Auch das ist richtig, dass Angststörungen und Depressionen sogar Gemeinsamkeiten haben. Sehr oft liegen auch beide Erkrankungen vor und daher ist auch logisch, dass oftmals die gleichen Medikamente für beides angesetzt werden.
Dennoch sind es in vielen Fällen unterschiedliche Erkrankungen und sie fühlen sich auch tatsächlich unterschiedlich an. Hattest du selbst schon schwere Depressionen und Angststörungen? Ich hatte/habe beides. Ich will nicht soweit gehen, um jetzt das eine oder andere als schlimmer zu bezeichnen - es ist beides nicht toll und kann beides absolut grausam sein. Ein guter Therapeut, mit dem ich mal explizit dieses Thema hatte (Was denken sie ist schlimmer/leidvoller - Angststörungen oder Depressionen?), antwortete damals so: Beides kann sehr schlimm sein, aber bei Angststörungen ist es oftmals so, dass die Betroffenen zumindest die Chance haben, die Ängste abzumildern, indem sie Situationen vermeiden, die die Angst auslösen. Das ist natürlich dauerhaft nicht gut und kontraproduktiv, aber es ist eine Art Nothilfe. Bei Depressionen hat der Betroffene diese Notlösung oft nicht - wenn die Depressionen massiv sind, hilft nichts - man kann nicht vermeiden, man kann nicht ablenken, man kann gar nichts mehr....nur leiden und hoffen, dass es vorbei geht - das ist dann der Zustand, der dazu führt, dass (wenn es zu lange ist) Menschen lieber den Tod als Erlösung wählen, anstatt weiter zu leiden..
Diese Worte sind mir bis heute tief in Erinnerung geblieben.


Zitat von Hotin:
Ich verharmlose gar nichts. Wenn jemand von einer Angststörung langsam in eine Depression
hineinrutscht, so kann sie/er in einigen Fällen diese Entwicklung wieder umkehren, wenn er
es selbst schafft.
Leichte Depressionen werden normalerweise nie dazu führen, jemand so weit zu treiben, dass
sie/er nicht mehr leben will.
Anders als Du offensichtlich, kenne ich einige Menschen, die sich auch aus Depressionen nach
langer Zeit selbst helfen konnten.

Bitte unterstelle mir nichts (das Wort offensichtlich finde ich etwas fies). Ich kenne auch Leute, die ihre Depressionen besiegt haben.
Jeder kann es schaffen - gar keine Frage....auch bei Ängsten.

Dein Satz kam deshalb für mich verharmlosend rüber, weil du das Wort häufig benutzt hast. Hättest du geschrieben manchmal, dann wäre das wohl zutreffender. Häufig impliziert, dass die Erkrankung insgesamt eher nicht so schlimm ist und das ist einfach falsch und untertrieben und ja...es erinnert mich leider an viele der Aussagen von Leuten, die Depressionen verwechseln mit jeder hat mal eine Depri-Phase im Winter etc.
Ich bin mir sicher, dass du das nicht so gemeint hast und das Thema nicht runterspielen wolltest, aber bitte ein bisschen auf die Wortwahl achten - erst recht, wenn du dich gut auskennst mit dem Thema wie du und deine Internetseite in deinem Profil ja vermuten lassen.
Bitte verstehe also, dass ich da etwas empfindlich bin als jemand, der weiß, wie unfassbar grausam Depressionen sein können.
Sponsor-Mitgliedschaft

Ach schön, daß mein Thread von letztem Jahr doch noch Interessenten findet!

Zitat von Volatilität:
Eine körperliche Ursache zu finden für alles, wäre die Variante/das Szenario einfach und unkompliziert glaube ich.

Ja, so könnte man es in etwa beschreiben. Mir kommt es so vor - auch bei mir selbst - als sieht man körperliche Ursachen als 'leichter behandelbar' an. Ein passendes Medikament, eine besondere Übung beim Physio, vielleicht eine OP, und schwupps ist man wieder der/die Alte. Irgendwie scheint etwas körperliches 'greifbarer' zu sein, als psychische Ursachen.

Zitat von Volatilität:
Weil ich damit auch allen Menschen um mich herum hinklatschen könnte: Seht her - ich bin doch wirklich krank - checkt ihr es jetzt, wie sch.... es mir geht....nehmt ihr es jetzt endlich ernst und versteht es?.

Da kommt dann die Komponente 'gesellschaftliches Stigma' hinzu. Wenn die Oma Krebs hat, der Onkel nen Schlaganfall oder der Arbeitskollege Diabetiker ist, dann ist das halt so. Wenn aber psychische Sachen mit im Spiel sind, merkt man doch hin und wieder, dass bestimmte Leute wie automatisch auf Abstand gehen. Diese Zurückweisung, an der einen ja noch nichtmal irgendeine Schuld trifft, will man vermeiden, und 'hat' darum lieber etwas körperliches - so meine Theorie.

Zitat von Sprotte:
Angst ist wahnsinnig anstrengend und zieht Depression nach sich.. so meine Erfahrung.

So auch bei mir. Wenn ich meine Angst nicht beizeiten in der Griff bekomme, werde ich zusätzlich depressiv. Dann wird es doppelt schwer.

Zitat von Hotin:
Wie ernst Du diese lockere Ausdrucksweise meinst, weiß ich nicht.
Ich jedenfalls bin davon überzeugt, hier hat fast niemand einen am Helm. Wir alle hier sind
grundsätzlich mehr oder weniger gesund.

Das erinnert mich spontan an den Thread, in dem ich gefragt habe, was eigentlich der Unterschied zwischen 'psychisch Behinderten' (wie in der Werkstatt, wo ich vor 30 Jahren Zivildienst gemacht habe) und uns 'psychisch Kranken' sei. Der allgemeine Aufschrei war enorm, wie haben doch 'nur' Ängste, Depression, Zwang etc., aber wir sind doch nicht 'psychisch krank'!

Dann muss ich mich allerdings fragen, warum so vielen von uns das Arbeiten, gesellschaftliche Dinge usw. schwer fallen oder gar unmöglich geworden sind, bin hin zur vorzeitigen Berentung.

Zitat von Hotin:
Und auch Depressionen sind häufig keine so schwere Krankheit, wie viele es vermuten.

Lieber Hotin, ich lese Deine Beiträge wirklich gern und sie bringen mich oft zum Nachdenken. Dieser Deiner Aussage muss ich jedoch vehement widersprechen, aus den gleichen Gründen wie Volatilität. Es war bestimmt nicht so gemeint, aber bei mir schwingt hier das ebenso berühmte wie verabscheute 'stellt euch mal alle nicht so an' mit.

Zitat von Volatilität:
Auch das ist richtig, dass Angststörungen und Depressionen sogar Gemeinsamkeiten haben.


Das sehe ich ebenso. Es kann sogar gut sein, dass eine Angststörung meistens die Vorstufe für
eine Depression bildet.

Zitat von Volatilität:
Hattest du selbst schon schwere Depressionen und Angststörungen?


Ich hatte bis etwa zu meinem 30 Lebensjahr eine heftige Angststörung. Meine depressiven Phasen
würden viele vermutlich nicht als so schwerwiegend bezeichnen.
Manches ist da vielleicht ähnlich wie wenn Ärzte fragen.
Auf einer Skala von 1 - 10, wie würden sie ihre Schmerzen beschreiben?

Zitat von Volatilität:
Beides kann sehr schlimm sein, aber bei Angststörungen ist es oftmals so, dass die Betroffenen zumindest die Chance haben, die Ängste abzumildern, indem sie Situationen vermeiden, die die Angst auslösen.

Nun stell Dir bitte mal vor, was passiert, wenn ein Betroffener bei einer kombinierten
Angststörung und Depression es schafft, die Angststörung wesentlich abzuschwächen.
Glaubst Du, dass so etwas keinerlei positiven Einfluß auf die Depression hat?

Zitat von Volatilität:
Bitte unterstelle mir nichts (das Wort offensichtlich finde ich etwas fies).

Ich unterstelle Dir nichts. Das Du dieses Wort anmahnst zeigt mir, in welchem Bereich
Du überdurchschnittlich reagierst.

Zitat von Volatilität:
Dein Satz kam deshalb für mich verharmlosend rüber, weil du das Wort häufig benutzt hast. Hättest du geschrieben manchmal, dann wäre das wohl zutreffender.

Zitat von Volatilität:
aber bitte ein bisschen auf die Wortwahl achten - erst recht, wenn du dich gut auskennst mit dem Thema wie du und deine Internetseite in deinem Profil ja vermuten lassen.


Zitat von Volatilität:
Bitte verstehe also, dass ich da etwas empfindlich bin als jemand, der weiß, wie unfassbar grausam Depressionen sein können.

Ich weiß das. Ich bin nicht verwundert und nehme Dir das nicht übel. Ich achte übrigens sehr
auf meine Wortwahl. Für mich ist es ein ständiges herumeiern und meine Texte mit sogenannten
Weichmachern ergänzen. Irgendjemandem trete ich immer auf die Füße.
Würde ich diese Füllworte nicht benutzen, würde ich viel mehr Lesern unterbewusst Angst
machen als mit diesen Weichmachern.

Zitat von Volatilität:
Häufig impliziert, dass die Erkrankung insgesamt eher nicht so schlimm ist und das ist einfach falsch und untertrieben


Auch hier versuchst Du mir zu sagen. Du spürst tief drin die Angst, dass ich Deine Krankheit nicht
ernst nehme oder sogar herunterspielen möchte.
Das ist aber nicht so. Du fühlst etwas, was ich nicht gesagt habe.

Das was Du sagst nehme ich sehr, sehr ernst! Ich nehme Dich vor allem als Mann und als
Mensch sehr, sehr ernst und freue mich hier auf Augenhöhe mit Dir zu sprechen.

Zitat von weyoun:
Lieber Hotin, ich lese Deine Beiträge wirklich gern und sie bringen mich oft zum Nachdenken. Dieser Deiner Aussage muss ich jedoch vehement widersprechen, aus den gleichen Gründen wie Volatilität. Es war bestimmt nicht so gemeint, aber bei mir schwingt hier das ebenso berühmte wie verabscheute 'stellt euch mal alle nicht so an' mit.


Sieh mal, hier antworte ich Dir das Gleiche wie bei Volatilität.

Mit keinem Satz, mit keinem Wort habe ich hier etwas gesagt, was auch nur ungefähr der Redewendung
entspricht: stellt euch mal alle nicht so an.
Aber Du hast es gehört?
Nun stellt sich die Frage? Was verändert sich, wenn Du Dich mit Deinem bewussten Denken
bemühst, genau nur das zu hören, was ich sachlich gesagt habe?
Mit welchen Gefühlen Du meine Worte liest, darauf habe ich leider keinen vollständigen
100 %igen Einfluss. Nur näherungsweise kann ich erahnen, welche Gefühle ich in Dir anspreche.

Zitat von weyoun:
Da kommt dann die Komponente 'gesellschaftliches Stigma' hinzu.


Zitat von weyoun:
Wenn aber psychische Sachen mit im Spiel sind, merkt man doch hin und wieder, dass bestimmte Leute wie automatisch auf Abstand gehen.


Zitat von weyoun:
Diese Zurückweisung, an der einen ja noch nichtmal irgendeine Schuld trifft, will man vermeiden, und 'hat' darum lieber etwas körperliches - so meine Theorie.


Meiner Meinung nach weisen diese 3 Aussagen darauf hin, dass hier Ängste am Selbstbewusstsein
kratzen.
Muss das immer so sein? Oder kann ein Betroffener daran etwas verbessern?

Zitat von weyoun:
Dann muss ich mich allerdings fragen, warum so vielen von uns das Arbeiten, gesellschaftliche Dinge usw. schwer fallen oder gar unmöglich geworden sind, bin hin zur vorzeitigen Berentung.

Diese Frage ist berechtigt.
Jedoch, auch wenn Du mir das nicht glauben wirst. Mir ist es mehrmals gelungen, Bekannte und
Freunde mit Angststörungen so zu fördern und zu motivieren, dass sie an ihren Arbeitsplätzen
nach Teilzeitbeschäftigung wieder mit erhöhter Stundenzahl arbeiten und teilweise
wieder in Vollzeit arbeiten.

Ich weiß aber natürlich auch, dass die größte Anzahl, wie Du es beschreibst, das Arbeiten sogar
ganz einstellen und sich auch vorzeitig berenten lassen.

Was uns unterscheidet. Ich spreche ständig von positiven, selbst gemachten praktischen Erfahrungen.
Andere sprechen fast immer nur von selbst gemachten negativen praktischen Erfahrungen.
Also haben beide Seiten Recht.
Lasse ich mich von euren Worten überzeugen, dann waren die letzten 20 Jahre in denen ich so
viele positive Kontakte mit Menschen hatte, also nur reine Selbsttäuschung?

A


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