Analfissuren
Eine Analfissur ist ein Längsriss der Schleimhaut im Bereich des äußeren Enddarms. Durch die Tendenz zur Entzündung und einer schlechten Abheilung sprechen einige Autoren auch von einem Geschwür (Ulkus). Dieses tritt typischerweise zum Steißbein hin auf, oder wie der Mediziner sagt: Bei 6 Uhr in Steinschnittlage. Die Steinschnittlage entspricht hier in etwa der Position einer Frau auf einem gynäkologischen Untersuchungsstuhl. Es wird dabei zwischen einer akuten und chronischen Analfissur unterschieden.
Merkmale
Schmerzen beim Stuhlgang, eventuell auch noch stundenlang nach dem Stuhlgang
Jucken (Pruritus)
Nässen
Auflagerungen von frischem Blut, am ehesten auf dem Toilettenpapier
Verstopfung (Obstipation), als direkte Folge der Schmerzen wird der Stuhlgang zurückgehalten
Bei einer chronischen Analfissur bildet sich eine auffällige Hautverdickung im betroffenen Bereich, die als Vorpostenfalte bezeichnet wird.
Analfissuren gehören zu den Enddarmerkrankungen. Der Berufsverband der Koloproktologen geht davon aus, dass etwa jeder zweite Erwachsene generell unter Beschwerden in Bereich des Enddarmes leidet. Diese intime Körperregion wird von vielen Menschen als Tabuzone verstanden. Daher versuchen Betroffene oft Beschwerden mit Salben, Cremes und Hausmitteln selbst zu behandeln, bevor der Arzt aufgesucht wird. Oder Symptome werden, wie häufig im Fall der Analfissur, als Zeichen von Hämorrhoiden fehlgedeutet.
Die Hauptaufgabe des Enddarms ist die Stuhl- und Windhaltefähigkeit (Stuhl- und Windkontinenz). Dies wird bewältigt durch einen komplizierten Muskelapparat. Besonders wichtig ist dabei der innere Schließmuskel (Musculus sphinkter ani internus), der trichterförmig im Becken liegt und dessen kleinere Öffnung den Anus umschließt. Dieser Muskel ist unter einer ständigen Dauerspannung (Tonus), die vom vegetativen Nervensystem stets den aktuellen Bedürfnissen der Verdauung und Ausscheidung angepasst wird. Dieser innere Sphinktermuskel ist im Gegensatz zum äußeren Sphinktermuskel willentlich nicht beeinflussbar.
Ursachen
Eine eindeutige Ursache ist nicht bekannt. Auf jeden Fall ist ein erhöhter Sphinktertonus an der Entstehung der Krankheit beteiligt.
Es wird vermutet, dass u.a. ein harter Stuhl, ein Hämorrhoidalleiden oder langdauernder Durchfall zu Schäden an der Analschleimhaut führen. Der erhöhte Sphinktertonus führt zu Durchblutungsstörungen, dadurch heilen die Gewebeschäden schlechter ab. Weiterhin ist bekannt, dass Menschen, die bestimmte Sexualpraktiken pflegen, wie z.B. den Analverkehr, sehr viel häufiger unter diesen Beschwerden leiden als andere.
Ist erstmal eine akute Analfissur entstanden, so entsteht ein Teufelskreis (Circulus vitiosus): Die Schmerzen führen zu einem höheren Sphinktertonus, dieser behindert wiederum die normale Wundheilung.
Eine Wunde im Analbereich ist sofort mit Keimen aus der Darmflora infiziert. Wahrscheinlich tragen auch Entzündungsprozesse zu den Wundheilungsstörungen bei.
Die Diagnosestellung einer Analfissur ist relativ einfach: Der Arzt sieht sich den äußeren Analbereich an. Dazu spreizt er vorsichtig die Pobacken und fordert eventuell den Patienten zum Pressen auf. Weitere diagnostische Maßnahmen sind meist nicht mehr notwendig. Wie der gesamte Unterleib ist auch der Analbereich mit ausgesprochen sensiblen Nerven ausgestattet. Bei einer Analfissur sind alle Untersuchungen sehr schmerzhaft. Sollte eine Austastung der inneren Schleimhaut des Enddarms (digitale Untersuchung) nötig sein, wird diese unter lokaler Betäubung durchgeführt.
Eine Spiegelung des Enddarms (Proktoskopie) wird, sofern eine Analfissur vorliegt, nur unter Narkose vorgenommen.
Akute Analfissuren
In Abhängigkeit von der Chirurgenschule werden verschiedene Behandlungsformen angewandt und kombiniert:
Salben oder Zäpfchen: Diese wirken im Bereich der Analfissur schmerzstillend und abschwellend. Gelegentlich werden auch Schmerztabletten oder -tropfen verschrieben
Einmalige lokale Betäubung: Dabei wird im Bereich der Analfissur ein Betäubungsmittel gespritzt, um den oben beschriebenen Schmerzkreislauf zu unterbrechen
Milde Abführmittel (Laxantien): Sie sollen zu einem weichen Stuhl führen. Angewandt werden dabei u.a. Milchzucker, Docusat-Natrium oder auch diätische Ratschläge
Warme Sitzbäder, um den Sphinktermuskel zu entspannen
Einige Behandler verschreiben auch einen so genannten Analdehner. Dies ist ein fingerförmiger Plastikkegel, den die Patienten mehrmals am Tag selbst anwenden, um die Muskelspannung durch regelmäßige Dehnung des Schließmuskels zu verringern
Chronische Analfissuren
Halten die Beschwerden länger als einige Wochen an oder kommt es zu Rückfällen, so ist wegen des oben beschriebenen Schmerzkreislaufes nicht mehr mit einer Spontanheilung zu rechnen. Um mögliche Komplikationen zu verhindern und die Lebensqualität des Patienten zu verbessern, sollte eine chronische Analfissur operiert werden.
Früher wurde eine laterale Sphinkterotomie durchgeführt, dabei wurde der innere Schließmuskel teilweise durchtrennt, um die Muskelspannung auf Dauer zu reduzieren. Oder der Schließmuskel wurde in Narkose aufgedehnt. Diese beiden Verfahren werden heutzutage allerdings nur noch mit Zurückhaltung angewendet, da sie bei Komplikationen zur Stuhlinkontinenz führen können.
Heutzutage wird das Geschwür in einer Kurznarkose entfernt (Fissurektomie). Dabei bleibt der Schließmuskel vollständig erhalten. Nur wenn als Komplikation bereits eine Fistel entstanden ist, werden oberflächliche Anteile des Schließmuskels aufgespalten. Die Operation ist bei jüngeren Patienten ambulant durchführbar, bei älteren eher im Rahmen einer kurzen stationären Therapie. Um in der Nachbehandlung die Wundheilung zu unterstützen,werden Sitzbäder und ein mildes Abführmittel zur Stuhlregulierung verschrieben.
Da die früheren operativen Methoden immer die Gefahr einer Stuhlinkontinenz beinhalteten, wurde in wissenschaftlichen Studien untersucht, ob die chronische Analfissur nicht auch konservativ behandelt werden kann. Zum Beispiel wurden durchblutungsfördernde Salben (Nitrate) über mehrere Wochen im Bereich der Analfissur täglich aufgetragen. Eine andere Therapieform bestand aus einer Injektion von Botulinumtoxin A in den Sphinktermuskel. Das Bakterium Clostridium botulini produziert eine nervenlähmende Substanz, die für den Botulismus, eine gefährliche Lebensmittelvergiftung, verantwortlich ist. Nach der Injektion des Toxins ist der Sphinktermuskel über mehrere Wochen gelähmt, so dass die Analfissur abheilen kann. Für beide Methoden wurden Therapieerfolge beschrieben, wobei besonders die Behandlung mit Botulinumtoxin als therapeutische Alternative zur lateralen Sphinkterotomie gehandelt wurde. Da jedoch in den letzten Jahren die ambulant durchführbare Fissurektomie zunehmend an Stelle der aufwendigeren Sphinkterotomie trat, konnten sich die konservativen Behandlungsformen der chronischen Analfissur nicht durchsetzen.
10.02.2005 20:56 •
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