Hallo zusammen,
ich kann da sehr mit euch mitfühlen.
Mir geht es ähnlich/genauso.
Hier mal meine Erfahrungen zu diesem Thema.
Ich kämpfe mich mehr oder weniger mit Reizdarm seit 2002 herum.
Entweder war es ein Virus, den ich in der Schulzeit verschleppte
oder ein traumatisches Erlebnis, als ich mit meiner damaligen Freundin
und ihrer Schwester im Urlaub war und mit deren Eltern abends gegessen hatte.
Danach hatte ich zum erstenmal diese kolikartigen Schmerzen im Unterbauch und
ich bin gerannt.
Seitdem war mein Leben nicht mehr so wie es vorher war.
Zumindest denke ich das.
Ich denke aber auch, dass mein Darm immer schon irgendwie meine Achillesferse war.
Zwar nicht in der heftigen Form, aber doch schon irgendwie.
Jeder verarbeitet Dinge auf eine andere Art.
Manche haben Magenschmerzen. Andere schwitzen viel oder schlafen kaum.
Der Darm ist viel Psyche. An ihm kann man viel ablesen.
Es war bei mir viel Unzufriedenheit. Angst. Bindungsangst, weiß der Kuckuck damals warum usw.
Ich war überfordert.
Danach kam ein sehr sehr stressiges Studium (Architektur) und viel schlechte Ernährung und Alk..
Sprich, dass sich das bei mir eingenistet hat, war ich auch mit selbst dran schuld.
Gepaart mit einer fast hoffnungslosen Prognose, was nach dem Studium wird und wie und was man für einen Job bekommt.
Ich habe in all der Zeit keine vernünftige Beziehung geführt. Immer nur kurzfristige Affären haben - das war in der Zeit mein Ding.
Und ich redete mir ein auf die richtige zu warten. Schöne Ausrede. Wobei ich im Nachhinein sagen muss,
dass da auch nicht die richtige insgesamt dabei war in der Zeit.
Nach dem Studium fiel ich in ein hoffnungsloses Loch und war natürlich erst einmal eine ganze Weile arbeitslos.
Da war viel Zeit zum Nachdenken und sinnlos und völlig unstrukturiert in den Tag leben.
Für mich und das fand ich damals heraus, ist das der Horror.
Ich bin so nicht. Ich funktioniere so nicht. Ich muss mich, trotz der Belastung Herausforderungen stellen.
Eine jetzt erst Recht Haltung. Ich hasse manchmal die ganze Menschheit, dass sie mit ihrem in meinen Augen freien Kopf
und ohne eine solche Belastung wie der Reizdarm so schlecht gelaunt ihr Leben führen oder rumgammeln.
Wenn man ab und zu mal durch Schmerzen hat und durch den Kopf selbst in die Isolation gebracht wird,
versteht man das garnicht.
Ich fand dann einen Job mit 29 (!) in einer Kleinstadt (meine Heimat wieder) und lebte mich deprimiert ein.
Fand aber heraus, wenn man das Umfeld gewöhnt ist, der Tag struktiert, wird man mutiger und die Darmprobleme gehen langsam zurück.
Ich machte viele Tests, probierte viel aus, Dinge wegzulassen, damit sich der Zustand verbessert,
merkte aber, dass es fast egal war, was ich unternahm.
Letztlich handhabte ich es dann wie beim Heuschnupfen. Anstatt zuhause im abgedunkelten Zimmer zu hocken
und dennoch rumzuniesen, ging ich raus in die Natur und gab mir die volle Dröhnung.
So verhielt ich mich auch mit dem Reizdarm.
Wenn ich mich sicher fühlte, trank und Ar. ich alles. Nicht in Übermaßen, aber doch normal wie jeder andere auch.
Und dabei fand ich was erstaunliches heraus...
Im alltäglichen Leben, hatten alle um mich herum auf einmal dauernd viel mehr Darmprobleme als ich.
Entweder fielen mir meine eigene Probleme nicht mehr so auf, oder andere Menschen haben eben auch nicht immer einen abgestimmten Darmhaushalt. Sowas beruhigt irgendwie ungemein.
Blieben noch die sonstigen Beeinschränkungen wie Reisen usw.
Ich meide manches Essen, von dem ich vermute, dass es mir nicht gut tut oder ich schon mal eine schlechte Erfahrung damit gemacht hatte.
Ich setze mich auf längeren Strecken in keine Busse mehr.
Ich fahre Bahn oder selbst Auto. Fliegen tu ich eh nicht gerne - das mache ich nur selten.
Ich mache aus der Not eine Tugend. Dh., dass ich herausfand, dass es auch einige Dinge sind, bei denen ich dachte, dass ich sie wegen dem Reizdarm nicht mache oder machen kann, aber eigentlich auch in Wirklichkeit nicht machen will oder garnicht gut finde und selbst wenn ich gesund wäre, wohl nicht tun würde.
Damit wird man innerlich ruhiger, weil man sich irgendwie als Mensch immer einredet, nur weil andere dauernd irgendwelche Dinge tun,
heisst das ja für einen selbst nicht, dass man das auch tun muss. Abwägen. Was ist einem wichtig. Was brauche ich. Was TUT mir vor allem GUT.
Zuguterletzt hatte ich aber nun, was Beziehungen angeht, und das geht mir sehr ans Herz, auch nicht wirklich Glück.
Ich lernte dann eine erfrischende jüngere Dame kenne, als ich hier den Job anfing, vor 5 Jahren.
Die entpuppte sich aber als ziemliches Psycho Weib, was mich sehr verletzte und fertig machte. Ich brauchte lange, um über sie hinwegzukommen. Zumal sie irgendwie meine erste richtige Freundin war (mit 29) und ihr könnt euch denken, dass ich sie sehr distanziert hatte aufgrund meiner Probleme und meines nicht fallen Lassen könnens.
Da wurde mir bewusst, dass kaum eine Frau das so mitmacht. Dachte ich damals. Die wollen Menschen, die immer bei ihnen sind..bzw was starten. Was erleben. Alles abklappern, was man halt so macht. Als pärchen. Damit man auch überall was erzählen kann und bei facebook posten.
Laufend einladungen bei freunden, fettem essen, urlaube, urlaube planen usw.
Essen spielt laufend und immer eine Rolle. Kochen hier und Kochen da.
Die Frau, die ich danach kennenlernte und mit der ich, bis vor 1 Monat noch eine Beziehung führte, übte einen immensen Druck auf mich aus.
Aber ich hielt Stand. Ich zog mir aus ihr, was mir gut tat, wusste aber gleichzeitig, dass auch sie nicht die Frau für mich ist.
Es ist, neben der Reizdarmsymptomatik aber auch einfach nicht mein Ding, dauernd bei Verwandten der Freundin herumzuhängen, oder 100 Freunde laufend zu haben. Ich höre das Gras anders wachsen..langsamer. ich bin viel sensibler und brauche auch so einen Menschen. Das habe ich herausgefunden. Man muss sich auch in Ruhe lassen können und nicht aufeinander kleben.
Man muss die guten Momente, und die werden sich mehren, wenn Sicherheit da ist, nutzen und sammeln.
Und man muss endlich endlich mal den Druck von sich selbst nehmen und Menschen kennenlernen, die keinen verursachen.
Wozu? Man hat doch aber auch eigentlich Glück mit uns. Wir sind wohl treu. Hören zu. Sind sensibel.
Nerven nicht herum und können auch für uns sein. Das einzige was wir brauchen ist die Sicherheit und Geduld.
Mit Geduld und Sicherheit kommt jeder am Reizdarm leidender Mensch, egal wie schwer oder leicht, in eine gut funktionierende und erfüllte Beziehung herein.
Andere Menschen schleppen 100 Psychosen mit eine Beziehung. Diktieren so wie die Beziehung laufen muss.
Z.b. Verlustängste, nicht verarbeitetes. Borderliner. Intoleranzen. Diabetes. Was weiss ich noch.
Würde da jemand gereizt die Augen verdrehen, wenn der Freund oder Freundin sich im Klo 10 min eine Insulin in den Bauch setzt?
Ich denke nein.
Wo ist das Problem relativ früh darüber zu reden und zu sagen, mach mir keinen Druck, ich werde dir der beste Partner sein,
man ist eben so. Man plant innerlich, neue Situationen machen einem erstmal Angst. Aber ist man was gewöhnt,
dann wird man lockerer. Toilettennähe. Sind die da, wird man auch entspannter. Meist ist es eher die Angst vor der Angst.
Oder eben die 3-? Tage, an denen man eine Art Schub hat.
Es gibt aber auch Menschen, die 7 mal im Jahr mit Schnupfen und Husten im Bett liegen oder Grippe haben.
Anfällig sind ohne Ende.
Natürlich ist das am Anfang einer Beziehung nicht einfach.
Ich leide z.B. auch an Blähungen. Die findet keiner schön.
Es ist eine Schwäche an mir, die ich hasse. Ich werde ihr nicht Herr.
Reisse mich oft zusammen. Ich hab das irgendwie im Griff, macht mich aber sehr müde,
das immer alles durchzuhalten. Durchzustehen.
Manchmal denke ich, ich wäre der glücklichste Mensch, wenn ich das alles nicht mehr hätte.
Aber manchmal denke ich mir, dass man eben weiterkämpfen muss und das einen trotz allem
zu einer wahnsinnig vielschichtigen und interessanten Persönlichkeit macht,
deren Sensibilität manchmal schwierig ist, aber manchmal auch wunderbar.
07.05.2015 18:06 •
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