Hallo Peter,
ich würde es, jetzt erstmal ganz spontan reagiert, unterteilen in allgemeine Einsichten, Umschreiben von Glaubenssätzen, konkrete Umsetzung und Veränderung im Alltag.
Einfach mal ein paar Gedanken dazu, noch recht ungeordnet:
Eine der wesentlichen Einsichten: Das, was passiert ist, lässt sich nicht mehr ändern. Ich kann, darf und sollte sogar darüber wütend und traurig sein und diesen Gefühlen auch Raum geben, aber ich sollte davon nicht weiter mein Leben bestimmen lassen.
Die Unterscheidung zwischen Hier und Jetzt und Dort und Damals.Es ist wichtig, zu erkennen, dass man den
Schritt aus der Ohnmacht und Hilflosigkeit tun muss, dass man in die
Selbstwirksamkeit und in die
Eigenverantwortung für sich selber kommen muss, wenn sich nachhaltig etwas zum Positiven verändern soll.
Zu erkennen, dass es Dinge gibt, auf die ich Einfluss habe. Dass ich die Macht habe, Dinge bei mir/in mir zum Positiven zu verändern:
Selbstwirksamkeit als eines der ganz wesentlichen Prinzipien und eine der wichtigsten Erkenntnisse.
Ich habe hier im Forum mal etwas zum Thema
radikale Akzeptanz geschrieben, ist etwas länger her, aber ich schaffe es gerade nicht, das nochmal zu überarbeiten, darum jetzt einfach so die Fassung von damals (auf Platzgründen in einer Triggerbox, enthält keine Trigger, dient nur der besseren Lesbarkeit:
Trigger
die Lösung liegt zumindest beinahe in Deiner Frage: Alles da sein lassen, obwohl es einen innerlich fast zerreißt?
Die Antwort darauf wäre: Im Endeffekt ja. Das mag jetzt erstmal paradox klingen, liegt aber im Wesen der radikalen Akzeptanz. Ich habe eine ganze Zeit gebraut, das wirklich zu begreifen und zu verinnerlichen, aber seitdem hilft mir das Konzept sehr.
Radikale Akzeptanz läuft über 3 Schritte die ich gleich noch erläutere: Kapitulation-Betrauern-neuer Weg.
Kapitulation klingt erstmal sehr negativ, meint hier aber: einen sinnlosen Kampf beenden.
Heißt: Deine Angst zu bekämpfen wie einen Feind wird Dich nicht weiterbringen. Im Sinne der radikalen Akzeptanz: Hör auf, sie als Feind zu betrachten, den Du loswerden/besiegen möchtest. Sie ist nunmal leider da, und diesen Fakt als solchen zu akzeptieren wäre der erste Schritt. Sieh sie stattdessen wie einen zwar ungebetenen Gast, der da ist und den Du zumindest erstmal nicht loswerden kannst. Warum sie da ist, ob sie Dir vielleicht sogar helfen und Dich nicht ärgern möchte, wirst Du später bestimmt besser verstehen, ist im Moment aber auch noch gar nicht wichtig. Wichtig ist erstmal: Sie ist da, sie wird erstmal nicht weggehen, und Du musst lernen, damit einen Umgang zu finden. Krankheitsakzeptanz ist ein wichtiger erster Schritt. Die Krankheit ist jetzt da, sie wird eine zeitlang Teil Deines Lebens sein, vielleicht auch immer, und daran wird sich erstmal nichts ändern. Gegen diesen Fakt anzukämpfen bringt nichts, die Angst ist trotzdem da. Ein Tinnitus zum Beispiel geht auch nicht davon weg, dass man ihn bekämpft und sich immer über ihn aufregt, im Gegenteil.
Ein zweiter Schritt der tatsächlich auch wichtig ist, ich habe diesen immer übersprungen und konnte so früher keine nachhaltigen Fortschritte machen: Du darfst und sollst sogar betrauern, dass es so ist. Heißt: Du darfst und sollst Dich darüber ärgern, wütend und traurig sein, dass Dich eine echt blöde Krankheit erwischt hat, darüber darf man traurig sein. Es ist fies und gemein und, und, und... Es ist blöd, dass Du jetzt Dein Leben darauf abstimmen musst, eine Erkrankung zu haben, es wäre doch so viel schöner, wenn man diese Erkrankung nicht hätte... all diese Gefühle sind erlaubt und nötig. Du brauchst die Trauerphase, um wirklich loslassen zu können und Dich wirklich ehrlich auf einen neuen Weg einzulassen, ohne Hintertürchen, ohne was wenn aber.......
Im dritten Schritt der radikalen Akzeptanz richtest Du Deinen Fokus dann auf den neuen Weg aus, in diesem Fall: Wie kann ich mein Leben mit der Erkrankung leben, nicht gegen meine Erkrankung? Sprich: Wie kann ich mit der Angst in meinem Leben trotzdem zurechtkommen?
Und da liest es sich bei Dir gar nicht so schlecht, finde ich. Auch an Tagen mit schlimmeren Symptomen bist Du noch in der Lage, Dinge zu erledigen, das ist funktional und gut ! Das klingt erstmal nicht so toll, weil es sich ja nicht gut angefühlt hat, aber es ist gut! Du lässt Dich von Deiner Angst nicht unterkriegen, und das ist eine gute Sache. Klar fühlt es sich nicht gut an, aber das zu erwarten wäre im Moment noch zu viel verlangt. Es wird mit der Zeit besser. Zu erwarten, dass sich das sich für Dich schwierige Dinge gut anfühlen, würde bedeuten, dass Du die Maßstäbe gesunder Menschen also in diesem Fall Menschen ohne Angsterkrankung an Dich anlegst, und das wäre eine Überforderung. Für Dich gelten jetzt etwas andere Maßstäbe. Und trotz Angst Dinge erledigt zu bekommen ist für einen Angsterkrankten eine tolle Sache! Für einen gesunden Menschen sind das vielleicht Selbstverständlichkeiten, aber nicht für einen Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Sich das bewusst zu machen, wird Dich auf Dauer stärken und Dir wieder Selbstvertrauen bringen, und ein neues Selbstverständnis wird sich bilden. Auf mich wirkt es so, als würdest Du noch an Deinem Anspruch Dir selber gegenüber scheitern. Sei geduldiger und nachsichtiger mit Dir, irgendwann kommen auch die positiven Gefühle zurück bzw. werden wieder mehr. Du schreibst ja auch, dass die schlechten Gefühle manchmal weniger intensiv sind, darauf solltest Du Dich konzentrieren und diese Momente ganz bewusst als gute Momente abspeichern. Das sind für Dich wichtige Erfolgserlebnisse, Momente, in denen Du spürst, dass ein Leben mit der Krankheit möglich ist. Oftmals fällt es uns leichter, diese Einsichten bei körperlichen Erkrankungen zu haben, aber bei psychischen Erkrankungen ist es nichts anderes. Krankheitsakzeptanz ist der Schlüssel.
Und dann passiert genau das, was @cube_melon auch geschrieben hat: Du ent-machtest die Erkrankung, und dadurch wird es Dir auf Dauer besser gehen.
Dadurch, dass Du nicht gegen die Erkrankung ankämpfst sondern mit ihr gemeinsam einen Weg findest, wird sie im Endeffekt vielleicht sogar schneller wieder gehen um im Bild des ungewollten Gasts zu bleiben.
Ich hoffe, das hat jetzt halbwegs Sinn gemacht, aber so habe ich es geschafft, einen anderen Umgang mit meinen psychischen Erkrankungen zu finden um auf Deine Eingangs-Frage zurückzukommen.
LG und ganz viel Kraft
Silver
Radikale Akzeptanz dessen, was passiert ist, ist ganz wichtig, das sehe ich wie @Nora5.
Nicht gegen die Vergangenheit ankämpfen, die Vergangenheit lässt sich nicht ändern, es ist, wie es ist, aber: Das bedeutet nicht, dass sich nichts auch wieder zum Positiven verändern kann, sie hat nur so viel Macht über mich, wie ich ihr erlaube.
Gleich von Anfang an immer eine klare Sicht auf die therapeutische Beziehung haben: Den Therapeuten als Berater und professionellen Berater verstehen, der einen unterstützt, seinen eigenen Weg selbstständig zu gehen, mit freundlicher und emphatischer Begleitung, aber auf keinen Fall den Therapeuten an die Stelle eines Fürsorgers, Retters, Beschützers setzen und die Eigenverantwortung an diesen abgeben, das führt in eine Sackgasse und in eine Therapie, die Selbstwirksamkeit und das verinnerlichen dieser Selbstwirksamkeit auf Dauer verhindert.
Zu verstehen, dass viele
dysfunktionale Verhaltensweisen als Lösungsversuch zu verstehen sind (und man sich darum nicht dafür schämen muss), die einfach in der aktuellen Gegenwart ihre damalige Funktionalität verloren haben.
Damals waren sie wichtig, um das Überleben zu sichern, aber in den heutigen veränderten Umständen sind diese Verhaltensweisen dysfunktional geworden und müssen durch funktionale ersetzt werden.
Zu verstehen, dass viele dysfunktionale Verhaltensweisen, so vielfältig sie auch sein mögen, oftmals ein und dasselbe Ziel haben: Emotionen zu regulieren (sehr häufig: Ängste zu reduzieren), nur leider manchmal auf einem eher ungünstigem Weg.
Aber man kann den Umgang auch mit schwierigen Emotionen lernen, das ist möglich, es braucht nur viel Übung.
Zu verstehen, dass
Gedanken, Emotionen, Handlungen und der Körper sich ständig gegenseitig beeinflussen und das es möglich ist, an jedem dieser Punkte anzusetzen und damit auch die anderen beeinflussen zu können.
Das, was sich manchmal wie überwältigender Strudel an Emotionen und Gedanken anfühlt, der einen in die Tiefe reißt, lässt sich beeinflussen und abschwächen, man hat Möglichkeiten, sich zu regulieren und Einfluss auf diesen Strudel zu nehmen.
Das Erlernen braucht Zeit, ist manchmal auch frustrierend, aber wenn man am Ball bleibt, wird es besser.
Das sind erstmal nur ein paar ungeordnete Gedanken dazu.
LG Silver