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Eine komplexe Frage, ich weiß. Kurz zu mir, ich war 4 Jahre in Therapie, seit einem Jahr bin ich auf mich allein gestellt. Schon währenddessen (war eine Verhaltenstherapie) hatte ich immer wieder das Gefühl, dass mein Trauma eher in den Hintergrund geschoben und nicht richtig behandelt wird. Allerdings weiß ich auch nicht, wie die Behandlung da genau aussieht.

In meinem Fall hatte ich kein einzelnes traumatisches Ereignis, sondern wiederholten emotionalen Missbrauch durch meine Eltern sowie ein allgemein sehr schlechtes und unnatürliches Verhältnis zu ihnen. Die Auswirkungen davon merke ich auch heute noch in fast allen Lebensbereichen, vor allem in Beziehungen.

Meine Frage ist jetzt, macht nochmal Therapie Sinn, evtl. eine andere Form? Oder ist das etwas, was ich mit der Zeit allein aufarbeiten kann? Ich weiß schon ziemlich viel darüber wie Trauma funktioniert und wieso ich so bin, wie ich bin. Aber wie ich das ändere und meinen Eltern verzeihe, das sagt einem keiner.

01.11.2023 18:30 • 10.11.2023 x 1 #1


15 Antworten ↓


@Sunkissed

Eine gute Frage und stelle ich mir auch ganz oft. Ich weiß auch wirklich nicht, ob irgendwelche Therapien mir das jemals abnehmen können. Ich bin gespannt, was für antworten du bekommst.

A


Wie kommt man über Kindheitstrauma hinweg?

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Hallo Sunkissed,
ich denke, diese Fragen kann niemand zuverlässig beantworten, denn es handelt sich nicht um ein technisches Problem. Die Prägungen, die uns für das Leben mitgegeben werden, sind vielfältig und nach neuerer Foschung finden sie schon vor der Geburt statt (Epigenetik). Vielleicht interessant für dich: Gerhard Roth. Ich habe meinen Eltern im späten Erwachsenenalter verziehen, es war ein langer Weg. Ich bin sehr froh darüber.
LG


@Sunkissed
Ich hatte leider jedesmal die falsche Form, damals wusste ich das nicht und da kann es sein, dass es dann schlechter wird, was bei mir so war. Wäre es gleich von Beginn an die richtige Form gewesen, kann ich mir vorstellen, dass ich auf jeden Fall weiter gekommen wäre.
Aber heute brauche ich keine mehr, bin ich der Meinung, habe alles selbst auf- und abgearbeitet, so gut es ging.
Ich habe anderes erlebt und erfahren, deshalb kann ich nur für mich sprechen, dass ich allein an mir gearbeitet hatte, was mir durch viele aufschlussreichen Videos und Hörbücher sowie die Sache mit der Epigenetik Erkenntnis gebracht hat.

Zitat von Reconquista:
Ich habe meinen Eltern im späten Erwachsenenalter verziehen, es war ein langer Weg. Ich bin sehr froh darüber.

Danke @Reconquista
Ich halte auch das Verzeihen für den richtigen Weg, auch wenn es mich heute ärgert, dass ich über 20 Jahre gebraucht habe, um zu erkennen, was und wie ich verzeihen kann und was ich einfach wie ein Viertklässler noch liegen lassen muss, um es später zu schaffen.

Ausserdem hat es viel zu lange gedauert, dass ich erkannt habe, dass ich das Trauma von einer Kindheit in einem Konzentrationslager, nicht in einem Konzentrationslager ausheilen kann. Hier liegt auch das Phänomen, dass Kinder von schlagenden Eltern sich wieder einen schlagenden Partner suchen!

Jedoch gibt es hier keine Eierlegende Wollmilchsau, jeder muss seinen Weg selber finden.

Zitat von Zwiebeltreter:
Danke @Reconquista Ich halte auch das Verzeihen für den richtigen Weg, auch wenn es mich heute ärgert, dass ich über 20 Jahre gebraucht habe, um zu erkennen, was und wie ich verzeihen kann und was ich einfach wie ein Viertklässler noch liegen lassen muss, um es später zu schaffen. Ausserdem hat es viel zu lange ...

Die zwanzig Jahre, die du gebraucht hast, sind m. M. n. vollkommen in Ordnung. Viele kommen ihr ganzes Leben nicht darauf. Ich finde es sehr gut, dass du so schnell zum Verzeihen gefunden hast. Und zum „Viertklässler“: sei nicht so streng mit Dir, das ist ein Teil der introjektierten Tendenz, jemanden abzuurteilen. Gönne Dir die liebevolle Wirklichkeit, die auch Geduld und Zeit braucht, gönne Dir auch, nicht perfekt zu sein: Du musst nicht alles verstehen und nicht alles aufarbeiten und auch nicht alles verzeihen. Trauer, Geduld und Liebe, damit kommst du zu neuen Ufern, schöneren Ufern. Ich habe es erlebt und stecke auch noch mittendrin. Der Kompass ist tatsächlich Liebe, nichts anderes.
In diesem Sinne: liebste Grüße!

Danke für eure Ansichten. Ich finde das Thema sehr schwierig. Meine Depressionen waren dagegen ein einfacher Fall. Ich habe in der Therapie die Hintergründe und den Umgang damit gelernt, jetzt bin ich nicht mehr depressiv. Ganz einfach.
Bei Trauma habe ich keine Idee, was man überhaupt macht. Ist das etwas, was man irgendwann vergeben oder vergessen hat? Oder worüber man einfach nicht mehr redet oder nachdenkt? Kann man davon überhaupt geheilt werden oder wird nur die eigene Reaktion darauf schwächer?
Ich habe leider noch Kontakt zu meinen Eltern. Jedes Mal, wenn ich mit ihnen spreche, bin ich wieder am Boden. Ich habe das Gefühl, ich kann nicht heilen, solange sie noch in meinem Leben sind, also muss ich jetzt noch warten bis ich Ich sein darf? Schwierig. Und irgendwie auch deprimierend. Es ist alles so offen.

@Sunkissed
Vielleicht irgendwie versuchen, mit dem, was gewesen mental abzuschließen.
Ich denke auch hin und wieder noch an das, was mir widerfahren ist, aber nicht mehr mit Wehmut oder Schmerz. Es ist halt einfach Vergangenheit und diese ist für mich seit einiger Zeit abgeschlossen.

Ich wüsste leider auch nicht, wie ich das verarbeiten würde, hätte ich Ähnliches wie du erlebt. Das ist nochmal eine ganz andere Sache. Vielleicht wäre eine Traumata Therapie hilfreich, aber auch das kannst nur du für dich selbst entscheiden. Alles Gute wünsche ich dir.

@Sunkissed Jeder macht es anders, es gibt ähnliche Situationen es zu verarbeiten. Es ist auch immer wieder ein Prozess um es an einem Beispiel zu beschreiben, es ist das eigene ich habe in jungen Jahren so mit Anfang 20 Nahtot Erlebnisse gehabt und es war sehr schwer zu vergeben. Doch habe es probiert und es hat funktioniert, bin damit besser klar gekommen damals. Doch wenn der Zweifel an einem selber hochkriecht, dann stellt man vieles in Frage auch Dinge die man eigentlich geklärt hat zum weitesten. Deswegen ist Trauma etwas was glaube bleibt und immer da ist nur der Umgang damit, will gelernt sein in einer Vergebung liegt ja auch ein Neuanfang, in einer Wut und Rache ist es glaub schwieriger weil bin dann immer so getrieben wie mit der Angst.Möchte jeder einen guten Weg finden damit zurecht zukommen.

Zitat von Sunkissed:
Eine komplexe Frage, ich weiß. Kurz zu mir, ich war 4 Jahre in Therapie, seit einem Jahr bin ich auf mich allein gestellt. Schon währenddessen (war eine Verhaltenstherapie) hatte ich immer wieder das Gefühl, dass mein Trauma eher in den Hintergrund geschoben und nicht richtig behandelt wird. Allerdings ...

Denke so ,ganz los wird man das mit Sicherheit nie .
Aber man kann lernen ,besser damit zu leben .
So das es nicht , so viel Raum einnimmt .

Zitat von Sunkissed:
Danke für eure Ansichten. Ich finde das Thema sehr schwierig. Meine Depressionen waren dagegen ein einfacher Fall. Ich habe in der Therapie die Hintergründe und den Umgang damit gelernt, jetzt bin ich nicht mehr depressiv. Ganz einfach. Bei Trauma habe ich keine Idee, was man überhaupt macht. Ist das etwas, was man ...

Ich rate dir, den Kontakt mit deinen Eltern zu verändern. Wie? Indem ab sofort Du die Spielregeln bestimmst anstatt nach ihren Regeln zu spielen (was alte Muster sind, was viel Kraft kostet, was schlecht ist). Diesen Schritt solltest Du tun. Du solltest nur noch selbst entscheiden und bestimmen, ob, wann, wie lange, auf welche Art usw. Du Kontakt mit den Eltern pflegen willst. Dabei sollten keine Sachzwänge oder Moralzwänge im Spiel sein. Vor allem solltest du dich nicht mehr unter Druck setzen lassen oder selbst setzen („man muss doch …“, du musst gar nichts!) Wenn Du das Verhältnis (Kontakt) zu gestalten beginnst, ändert sich alles. Es werden Widerstände auftauchen und sie können massiv sein - lass dich davon nicht im geringsten beeindrucken. Gestalte selbst.
LG

Hallo Sunkissed,

Deine Frage ist, wie Du selbst bereits gesagt hast, nicht einfach zu beanntworten.
Was bedeutet überhaupt, darüber hinweg kommen?
Viele Erinnerungen an seelische Verletzungen werden vermutlich bleiben. Je mehr Du aber erkennst,
wie wichtig heutige Erfahrungen in Deinem Leben von Bedeutung sind, kann es Dir gelingen, Dich von
früheren Verletzungen gedanklich zu trennen.

Zitat von Sunkissed:
Meine Depressionen waren dagegen ein einfacher Fall. Ich habe in der Therapie die Hintergründe und den Umgang damit gelernt, jetzt bin ich nicht mehr depressiv.

Wenn Du Deine Depressionen abzuschwächen als eher einfach beschreibst, hast Du sicher schon
sehr, sehr viel erreicht. Darauf kannst Du stolz sein.

Zitat von Sunkissed:
Ist das etwas, was man irgendwann vergeben oder vergessen hat?

Du kannst natürlich Menschen , so auch Deinen Eltern, einen Teil ihrer Fehler vergeben. Nur,
willst Du ihnen auch vergeben? Vergessen wirst Du vieles bestimmt nicht.
Du kannst natürlich zu vielen Verletzungen versuchen, eine andere Einstellung zu erreichen.

Zitat von Sunkissed:
Kann man davon überhaupt geheilt werden oder wird nur die eigene Reaktion darauf schwächer?

Was genau kann den geheilt werden bedeuten? Ein Trauma haben, bedeutet doch, seelisch oder
körperlich verletzt worden zu sein. Kann man so etwas heilen? So, dass man es nicht mehr
sehen und fühlen kann? Vermutlich nicht.
Du kannst Dich jedoch gedanklich sehr weit von früheren Verletzungen gedanklich befreien. Das
entlastet Dich sicher nochmals sehr. Es braucht aber meistenes viel Zeit.

Zitat von Sunkissed:
Ich weiß schon ziemlich viel darüber wie Trauma funktioniert und wieso ich so bin, wie ich bin.

Das hört sich gut an.

Zitat von Sunkissed:
Meine Frage ist jetzt, macht nochmal Therapie Sinn, evtl. eine andere Form? Oder ist das etwas, was ich mit der Zeit allein aufarbeiten kann?

Ob Du gern noch weitere Therapiegespräche als Hilfe benötigst, solltest Du allein entscheiden.
Therapiegespräche sind hifreich, wenn man z.B. allein schlecht oder nicht erkennen kann, wo andere Personen bei mir/Dir Schaden angerichtet haben. Auf diese Weise kann man sich auch nach und nach
von eigener Schuld befreien.
Ich denke, jeder Mensch kann mit der Zeit auch vieles allein aufarbeiten, wenn er das möchte.
Zitat von Sunkissed:
Aber wie ich das ändere und meinen Eltern verzeihe, das sagt einem keiner.

Da sagst Du etwas sehr Wichtiges. Ich denke, darauf wird in Therapiegesprächen manchmal
zu wenig eingegangen.
Dies zu ändern funktioniert über die Wege, etwas heute sachlicher zu sehen als man es früher
gesehen hat. Und es funktioniert auch durch die Erfahrungen, zu lernen, das jeder Mensch viele
Erlebnisse und Gefühle von mehreren Seiten sehen kann.
Ob Du bereit und in der Lage bist, einiges mal aus einer anderen Richtung zu betrachten,
dass solltest Du wieder selbst entscheiden.
Ich vermute, in Therapien wird deshalb nicht auf dieses Thema näher eingegangen, weil man
Klienten nicht zu sehr beeinflussen möchte.

Ich denke, Du hast hier einen Punkt angesprochen, der in oder nach einer Therapie große
Bedeutung haben wird.

Viele Grüße

Bernhard

Hallo Sunkissed,

meiner Erfahrung nach kann man Trauma schon verarbeiten. Aber das heißt nicht, dass es weggeht - in dem Sinn, dass es dann gar nicht mehr weh tut.

Fiktives Beispiel: Man wurde als Kind von einem Elternteil geschlagen. Als Erwachsene wird man von dem Elternteil nicht mehr geschlagen, aber mein leidet noch an der Kindheit. Man geht in Therapie (Traumatherapie!) und verarbeitet das, was man in der Kindheit erlebt hat. Immer wieder mal danach, erinnert man sich an die Kindheit - und wird weiterhin traurig beim Gedanken an die Schläge.

Diese Traurigkeit, die man erlebt, wenn man sich erinnert, wie etwas war, bleibt. Weil es traurig ist, wenn man geschlagen worden ist - egal, wie gut das Heute ist. Aber die Therapie hat vielleicht die Angst genommen, dass man von jedem geschlagen wird. Oder dass der Partner ausholt, wenn er eigentlich nur zur Seite greift, um die Zeitung zu nehmen. Man kann bei erfolgreicher Therapie z. B. nicht mehr getriggert werden. Oder man lernt, wie man getriggert werden minimiert. Das sind alles mögliche Erfolge. Weiß ich, weil ich das so geschafft habe. Trotzdem - erinnere ich mich an meine Kindheit und das Schlimme, tut es noch weh. Und das ist gut so. Denn durch Traumatherapie wird Gewalt nicht normal oder weggenommen. Die Vergangenheit ändert sich nicht. Aber das Heute, das kann sich sehr viel verbessern. Und selbst, wenn es sich nur ein bisschen verbessert... ich sag immer: Jedes bisschen besser ist ein kleines bisschen besser. Und das ist doch gut.

Ich bin mehrfach traumatisiert und kann nur sagen, das einzige, was mir mit den Traumata richtig geholfen hat, war echte Traumatherapie, bzw. Traumatherapieelemente. Verhaltenstherapie setzt meiner Erfahrung nach nur im Heute an (was nicht heißt, dass man nicht auch mal über das Vergangene redet, aber es ist schon anders). Wie gehe ich heute mit einer Situation um? Wie kann ich es anders und besser machen? Und das übe ich dann ein, bis mein Verhalten normal wird und ich es integriert habe. Bei Traumatherapie ist das meiner Erfahrung nach schon ein bisschen anders. Da geht man schon sozusagen in der Zeit zurück; sie setzt im Damals an. Eine Verhaltenstherapie bietet da meiner Meinung nach nicht den sicheren Raum, den es dazu braucht. Aber das kommt vielleicht auch auf die individuelle Traumageschichte an...

Liebe Grüße,
Mantra

Zitat von mantra75:
Fiktives Beispiel: Man wurde als Kind von einem Elternteil geschlagen. Als Erwachsene wird man von dem Elternteil nicht mehr geschlagen, aber mein leidet noch an der Kindheit. Man geht in Therapie (Traumatherapie!) und verarbeitet das, was man in der Kindheit erlebt hat. Immer wieder mal danach, erinnert man sich an die Kindheit - und wird weiterhin traurig beim Gedanken an die Schläge.


Diese Variante kann stimmen.....
Meine Variante ist, dass ich als Erwachsener nun zuschlagen möchte, unterdrücke ich jedoch diese Aggression, kann dies schnell zu einer Depression führen.
Kann sein, muss aber nicht sein,

Zitat von Sunkissed:
sondern wiederholten emotionalen Missbrauch


Ich kenne da alle Facetten und natürlich hat es uns geschadet.

Aber man kann diese Vergangenheit nimmer ändern, die Eltern, die Urfamilie nicht ungeschehen machen. Aber man kann seine Einstellung ändern.

Und meistens wird man lernen müssen, dass man jetzt eine eigene Meinung haben darf und dass man sie auch sagen kann und dass man nicht mehr davon abhängig ist, was andere denken oder sagen könnten.

Freiheit findet im Kopf statt und beginnt mit kleinen Veränderungen.

Mir hat geholfen, dass ich begriffen habe, wie alles zusammenhängt, damit ich so geworden bin, wie es eben ist. Man darf sich seiner selbst bewusst werden, und plötzlich hast du das Selbstbewusstsein , das dir hilft, mit Widrigkeiten umgehen zu können.

Unterm Strich bekommen wir alle eine 2. Chance, was auch nicht jeder bekommt.

Sehr interessant, Dankeschön für die Tipps. Ich denke ich versuche es nochmal mit einer speziellen Traumatherapie, das könnte das fehlende Puzzleteil sein. Ansonsten bin ich schon gut dabei - hatte mir nur irgendwie erhofft, ich könnte es in Gedanken ungeschehen machen.

A


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