es fällt mir nicht einfach, darüber zu schreiben. Ich bin männlich, 25 Jahre alt.
Es fing damals alles mit 12-13 an. Meine Eltern stritten sich wie gewohnt oft. Als Kind war ich schon daran gewohnt, ab und zu von ihm geschlagen zu werden. Auch mal fester auf den Kopf, sodass ich zu Boden ging. Und das nur, weil ich nicht in die Schule wollte mit 7, und ich denke, das lag daran, dass mich die Geschehnisse zu Hause schon zu sehr mitnahmen.
Naja, meiner Mutter ging es damals sehr schlecht, permanent Streitereien, und wir als Kinder mussten Stütze halten. Jedes Mal mussten wir für sie da sein und uns anhören, wie schlecht es ihr ging. Und vor allem, was Papa alles früher mit ihr gemacht hat, als wir noch nicht auf der Welt waren, oder sehr klein waren. Detaillierte Erzählungen ihrerseits haben sich bis heute so tief in mein Kopf gebrannt. Z.B., dass sie zu Hause eingesperrt wurde, Telefonkabel gezogen wurden und sie dann verprügelt wurde. Oder, dass er mit dem Messer auf sie los ist, oder ihr ein Kissen ins Gesicht drückte, oder, dass er sie mit Unterwäsche im Urlaub vor die Tür setzte. Oder, dass er meine große Schwester als sie noch klein war, von ihrer Mutter entfernte und zu seiner Mutter brachte, damit meine Mutter sie nicht sehen kann. All solche Sachen. Ich habe bis heute versucht, dies alles zu verdrängen.
Mit 15 fing ich an, zu *beep*. Dadurch entwickelte ich mit 16-17 Depersonalisations- und Derealisationssymptome, die ich bis heute durchgehend habe. Die Situation zu Hause wurde immer schlimmer durch die Streitereien. Ich konnte es nicht mehr aushalten. Das permanente dran erinnern durch meine Mutter an all diese Taten. Das permanente Erzählen dieser Taten von meiner Mutter. Das permanente Draufrum haken. Ich kann bis heute nicht damit umgehen.
Mit 19 zog sie dann gott sei Dank aus, und es wurde ruhiger zu Hause. Ich wohne bis heute mit Papa zusammen. Mit 18 begann ich eine Verhaltenstherapie, aber über all das redeten wir nicht wirklich, sondern darum, dass ich mit der allgemeinen Situation und mir selbst klarkomme und mein Abi fertig schaffe. Quasi als Stütze.
Ich habe seitdem bis heute nicht verstanden, was mit mir los ist. Warum ich so abgekapselt bin, jeden Tag quasi wie in einem Kampf bin, mich in Gefahr fühle usw.
Jetzt vor kurzem bin ich das erste mal in Hypnosetherapie, um dieses Gefühl im Magen, vor dem ich all die Zeit wegrannte, auf den Grund zu gehen. Der erste Termin lag darin, mir erstmal bewusst darüber zu werden, was genau mich belastet. Denn dieses Thema war immer ein Tabuthema. Jeder tat so, als ob alles ganz normal wäre und es nichts schlimmes wäre, was Papa gemacht hat. Aber für mich ist es verdammt nochmal etwas richtig schlimmes. Ein richtiges Vergehen. Vor allem, weil ich selbst auch die Erfahrung machte, dass er mich oft genug schlug. Für mich ist es eine Riesensache. Sie ist permanent in meinem Kopf.
Den Kontakt zu meiner Mutter habe ich vorerst eingestellt. Selbst eine SMS von ihr mit Wie gehts dir triggert mich so sehr, das quält mich einfach so sehr, ich werde immer wieder an die Geschehnisse bzw. aktuelle Situation erinnert. Dass es da ein Vergehen gibt. Dass etwas ganz schlimmes passiert ist.
Ich verstehe jetzt erst so langsam, dass mich dieses Thema permanent auf trap hält und ich glaube ich eine Traumatisierung habe. Dieser Satz Papa hat Mama geschlagen permanent in meinem Kopf. Und das nehme ich jetzt erst wahr. All die Jahre mich selbst verdrängt, wie eine Leiche durchs Leben gewandelt.
Beim zweiten Termin am Montag fühlte ich zum ersten Mal dieses Hilflosigkeitsgefühl, bei dem mein Vater meine Mutter schlägt und ich nichts dagegen tun kann. Ich dachte, ich sterbe. Das hat einiges angestoßen. ZUm ersten mal heute kann ich klarer darüber denken, wahrnehmen, merke, wie irgendwie etwas in meinem Kopf brennt.
Aber richtig einordnen kann ich es noch nicht ganz. Für mich ist das Ganze irgendwie immer noch voll präsent. Ich weiß nicht, wie ich damit abschließen kann oder es loslassen kann. Zur Hypnose werde ich demnächst natürlich wieder gehen, aber erstmal will ich ein paar Tage warten, bis sich alles eingependelt hat.
Es ist jeden Tag ein Kampf für mich: Jeden Tag dieses Geschehen, was in mir irgendwie voll präsent ist, aushalten und mich selbst davor schützen, bis es endlich zu ende ist, bzw. der Tag zu ende ist.
Ich muss eine andere Sicht auf diese Dinge gewinnen. Eine andere Gewichtung dieser Geschehnisse erreichen. Es nicht mehr so hoch gewichten. Mich nervt, dass nur ich gefühlt irgendwie das alles als sehr schlimm/traumatisch empfinde, was Papa gemacht hat. Jeder in der Familie lebt ganz normal weiter, als ob nicht wäre. Papas Familie tut eh so, als sei nie was passiert.Es ist ja quasi sowieso ein Tabuthema, was tot geschwiegen wird. Das erschwerte für mich die Aufarbeitung.
Ich brauche etwas Hilfe, wie ich vom jetzigen Stand aus das Ganze zu ende verarbeiten kann. Der letzte Hypnosetermin hat mich schon sehr viel weiter gebracht. Ich hätte wohl sonst nie so offen wie jetzt darüber reden können. Wie schaffe ich es, diese Traumatisierungen, quasi, dass es z.B. morgen einfach voll präsent für mich ist, diese Phasen zu unterbrechen und mich ins Jetzt zu holen. Mir klar zu machen, dass es eben NICHT präsent ist, und nur ein Gedanke, eine Erfahrung, eine Erinnerung.
Ich gab immer Mama die Schuld dafür, dass ich so darunter leide, weil sie die jenige war, die mir ihre Erlebnisse und Probleme immer und immer wieder so detailliert schilderte, nur weil es ihr schlecht ging und ich für sie da sein musste. Ich vermutete, dass genau das mich so traumatisierte. Weil ich das einfach nicht verkraften und akzeptieren und als normal ansehen kann. Für mich ist das eine Grausamkeit. Wie soll ich das bitte jemals verarbeiten. Das darf man niemals vergessen und niemals darüber hinwegsehen. Niemals loslassen. Ich muss mich selbst schützen und auf mich selbst aufpassen.
Ich hasse Mama dafür, dass sie mir das angetan hat. Dass sie mich so benutzt hat. AUch wenn ich weiß, dass sie es nicht extra machte und macht und es ihr schlecht geht. Aber ich habe nicht die Kraft dafür. Ich bin zu schwach dafür.
Mein Hypnosetherapeut meinte daraufhin, dass es nicht so sein muss, dass es nur durch Mamas Erzählungen entstand. Er meinte, dass Kinder nicht dumm seien, und die Erzählungen mich vielleicht nur an echte Erlebnisse/Erinnerungen getriggert haben könnten. Somit wäre Mama doch nicht die schuldige, sondern nur Papa. Und ich hab einfach nur Pech. Erstens, dass ich so sensibel bin und mich das alles so sehr mitnahm, und zweitens, dass ich genau in dieser Situation steckte.
Ich hoffe, ich kriege dieses Paket nach 12 Jahren endlich bald komplett verarbeitet und kann abschließen und aus der scheußlichen Situation raus und dem Gefühl raus, dass jetzt gerade etwas nicht stimmt, dass es genau dieses Problem Vater hat Mutter geschlagen zu klären gibt und ich mich wieder auf andere Dinge konzentrieren kann. Ich möchte nicht mehr da drin stecken. Ich habe keine Kraft mehr. Und mir wurde das erst gestern und heute bewusst, dass es ja quasi nur ein Gefühl ist, bzw. dass es mir nur so vorkommt, dass etwas ganz Schlimmes gerade passiert, dass es präsent ist. Bis vor kurzem dachte ich immer jeden Tag, dass wirklich etwas schlimmes sei und ich voll da drin stecke und ich kämpfen müsse, es aushalten müsse. Dass es Realität sei. Ich lief 7 Jahre mit einer Lüge rum. Ich bin mies am Ar.. 7 Jahre meines Lebens einfach weg. Ich hätte das Trauma schon viel früher mit einer Therapie angehen müssen. Andererseits denke ich mir, dass ich vielleicht wirklich erst jetzt bereit dafür war. Ich hab mein ganzes Leben noch vor mir.
27.01.2022 20:51 • • 27.08.2022 x 4 #1