Ich denke auch, man muss die kPTBS deutlich von den Persönlichkeitsstörungen abgrenzen.
Das ist das Problem bei Komorbiditäten, nur, weil sie häufig zusammen auftreten, heißt das nicht, dass sie kausal vernüpft sind.
Ich habe beides im meinem Diagnose-Portfolio, sowohl die (k)PTBS als auch drei Persönlichkeutsstörungen, u.a. Borderline. Und ich kann sagen, es sind völlig verschiedene Paar Schuhe, sowohl von der Genese als auch von den Auswirkungen her. Es muss keinen Zusammenhang geben, das Eine kann völlig isoliert von dem Anderen auftreten.
Die Forschung zeigt, dass viele Borderliner auch an einer Traumafolgestörung leiden. Viel heißt ca. 50%.
Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass die Hälfte aller Borderliner keine Traumatisierung erlebt hat, hier kommt die genetische Komponente ins Spiel, die bei der kPTBS keine Rolle spielt (wenn man von der grundsätzlichen Resilienz als angeborenem Faktor mal absieht).
Viele kPTBSler haben keinerlei Persönlichkeitstörung.
Ich denke, dass in diesem thematischen Komplex die Borderline PS eine besondere Stellung einnimmt, da es in diesem Bereich allgemein viele Forschungen gibt und da hier eine symptomatischen Überschneidungen zur kPTBS an einigen Stellen vorhanden ist. Trotzdem ist eine Borderline PS laut ICD 10 symptomatisch sehr viel mehr als eine kPTBS und beinhaltet viele Symptome, die bei der kPTBS keine Rolle spielen. Anders herum gibt es bei der kPTBS Symptome, die widerrum bei der Borderline PS keine Rolle spielen.
Persönlich sehe ich fast mehr Übereinstimmungen zur ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung.
Ein wesentlicher Faktor ist für mich, dass sich Persönlichkeitsstörungen relativ unabhängig von Umweltfaktoren entwickeln können, ein kPTBS aber immer umweltbedingt ist.
Ich finde das ganze thematische Feld sehr spannend. Im Kontakt mit anderen Borderline-Patienten habe ich das Gefühl (aber es ist nur ein Gefühl!), dass sich die traumatisierten von den nicht-traumatisierten Borderlinepatienten im Verhalten recht deutlich unterscheiden.
Und die Trauma-Patienten, die auch noch eine PS am Start haben, verhalten sich anders als die Trauma-Patienten ohne PS, mit anderen Worten: die Unterschiede zwischen kPTBS und PS sind nicht nur auf dem Papier nachlesbar, sie sind auch im Kontakt spürbar.
Es ist ähnlich wie bei anderen Symptomen auch: Viele Symptome tauchen bei vielen Krankheiten auf, aber deshalb stehen die Krankheiten nicht zwangsläufig in Bezug zueinander.
Und bestimmte Umweltfaktoren begünstigen bestimmte Erkrankungen, aber welche Krankheiten sich dann ausbilden, hängt widerrum von anderen Faktoren ab. Bei dem Einen blüht die genetisch angelegte PS voll auf, der Nächste wird anorektisch, wieder ein Anderer entwickelt Zwänge (ohne zwanghafte PS)...
Ich glaube sicherlich auch daran, und die Forschung zeigt das ja auch, dass es in einigen Fällen einen gewissen Zusammenhang zwischen Komplextraumata und Borderline PS geben mag, aber dieser besteht nicht zwangsläufig immer. Es gibt auch viele Beispiele, die diese These widerlegen, sodass man aus diesen Beobachtungen imho zu diesem Zeitpunkt noch keine validen Rückschlüsse ziehen kann.
LG Silver
18.08.2019 02:29 •
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