Zitat von Krokodil90: Wie geht ihr eigentlich mit dem Thema Unrecht und Wut um
Ich hatte früher eine soziale Phobie. Es gab bestimmt viele Auslöser. Aber ein Punkt könnte auch mit narzistischer/toxischer Kommunikation zu tun haben:
Zitat von Krokodil90: Die Tatsache, dass jedes Wort einem verdreht wird, die ständigen verbalen Spitzen, die Demütigungen und Abwertungen, das Nachäffen, sich lustig machen, gerne auch vor anderen.
Ein mir nahestehender Mensch, war mir rhetothorisch und bildungsmäßig überlegen.
Wir machten viel zusammen, ich entwickelte mich mit der Zeit als Handlanger für ihn. Er plante Ausflüge, er organiserte Feiern, bot ein Netzwerk, ... Er polarisierte auch sehr.
Irgenwann begann er, einen Bekannten von mir in meiner Gegenwart komplett fertig zu machen. Das schlimme daran war, dass der Bekannte und ich eine ähnliche Persönlichkeitsstruktur hatten und in meiner Gegenwart die Begriffstutzigkeit, die politische Einstellung, seine Freunde etc. fertig gemacht wurden. Im Endeffekt kam bei mir an: Du hast Glück, dass du unter meinem Schutz stehst.
Ob das ein dummer Zufall war oder ein raffiniertes Schachspiel, um mich klein zu machen, vieliecht auch, weil ich mich zunehmends von ihm abwandte, ich weiß es nicht....
Es endete darin, dass ich nicht mehr aus der Zimmertür rausging, horchte ob die Person in meine Umgebung kam... und natürlich konnte ich den Kontakt nicht vermeiden...
Dies führte dann mittelfristig dazu, dass ich nicht mehr mit Menschen sprechen konnte, weil ich Minderwertigkeitskomplexe ohne Ende hatte, mein Gedächtnis glich einem Sieb, Alle negativen Annahmen über mich verstärkten sich.
Dies war mit 22. Als ich 23 war, hatte ich jeglichen Kontakt zu beiden Personen komplett abgebrochen - mich aber auch für 5 Jahre komplett zurückgezogen - bis auf sehr wenige enge Freunde.
Insbesondere die Kommunikation mit besseren Menschen blieb eine Herausforderung für mich.
Geheilt hat mich dann ironischerweise irgendwann ein Kollege, der sein Umfeld sehr persönlich, ungerechtfertigt und unter der Gürtellinie kritisierte: Alles was seine Kollgen falsch machten, wurde persönlich angekreidet, es wurden Tische umgestellt, es wurde Mutwilligkeit unterstellt... Kurz: keiner konnte/wollte mehr mit ihm zusammenarbeiten - ich bekam mit, dass Kollegen wegen ihm kündigen wollten - und ich musste ihn zur Rede stellen... Mein Problem war, dass sowohl er als auch die Kollgen, die er rausmobbte im konkreten Fall sehr wichtig für die kleine Firma waren. Mein Chef gestand mir, dass er ihn nicht rausschmeissen könne, weil 2 Jahre Entwicklungsarbeit nur in seinem Kopf dokumentiert waren.
Irgendwie schaffte ich es dann, mit ihm viel zu sprechen und fand heraus:
- er stand zu hundert prozent hinter dem was er sagte - inhaltlich war aus meiner damaligen Sicht vieles richtig
- wenn er Fehler machte, war er zu sich selbst häufig noch viel härter, als er zu den Kollegen war
- ich machte ihm klar, dass wenn er noch einmal auf diese Art und Weise mit einem konkreten Kollegen sprechen würde er ein ernsthaftes Problem mit mir kriegen - und auf einmal sah ich, wie er an seinen Kommunikationsskills arbeitete und mit der selben Akribie politisch korrekt diskutierete - viele Kollegen wurden darauf hin noch unsicherer - weil er sich einfach soweit absicherte, dass man seine Angriffe nicht mehr als bösartige Angriffe kritisieren konnte...
Ich lernte für mich:
Eine Botschaft hat mehrere Ebenen, Häufig kennt man die folgenden Ebenen
A) Information
B) Beziehungsinformation
C) Status der Gesprächsteilnehmer
...
Was eigentlich offensichtlich zusätzlich noch da ist, gerne aber übersehen wird ist, dass es auch zwei Seiten gibt: Sender/Empfänger
Somit sind dann auch die Dinge, die der Sender sagen will oft unterschiedlich von dem, was der Empfänger versteht.
Klassisches Beispiel aus einem Rhethorikkurs: Er sagt: Die Ampel ist rot, sie versteht :Du kannst nicht Autofahren
Auf einmal wird es also etwas komplexer und man kann in einem kurzen Gesprächsfetzen unter anderm folgende Dinge interpretieren
Inhaltlich/Information:A.1) Was sagt der Sender (wörtlich)?A.2) Was will Sender inhaltlich sagen?A.3) Was kommt bei Empfänger inhaltlich an?
A.4) Was gibt der Empfänger wieder?...
Beziehung zwischen Sender und Empfänger:B.1) Was will der Sender über die Beziehung sagen?
B.2) Was kommt beim Empfänger über die Beziehung an?
B.Azure) Sender hat das Recht, das man annimmt, dass er konstruktiv mit dem Empfänger kommunizieren will....
Aussagen über Sender oder EmpfängerC.1) Was wird allgemein über Sender gesagt?
C.2) Was wird allgemein über Empfänger gesagt
C.3) Was sagt die Kommunikationsform über den Sender?Ich konnte es dann in allen zukünftigen Gesprächen sehr schnell auf wenige dieser Informationen runterbrechen.
- Insbesondere, wenn ich starke Emotionen verspüre:
Beispiel. Ein direkter Auspruch: Du bist ein Versager! Du hast xyz falsch gemacht!
Ich stelle recht schnell fest, dass die oben fett eingezeichneten Punkte interessant sein könnten:
Achtung - Stich in die Brust --- A.1) ,
C.3) Sender greift mich direkt an!Wie reagieren? --z.B. Deeskalieren
(B.Azure))
Kann man in inhaltlich etwas positives herausholen? --
A.4) Du hast festgestellt, dass xyz nicht funktioniert. ...Lass uns das kurz gemeinsam anschauen ....-- irgendwann kommt raus
, dass ich einen Fehler gemacht habe A.2) stimmt. Aber ich habe analytisch gehandel, nachdem es mir mitgeteilt wurde C.1) Azure ist ein Versager wurde entkräftet C.3) Der Sender kommuniziert unfair stimmt (sag ich aber nicht, wenn es nicht notwendig ist)
oder es kommt raus:
-- irgendwann kommt raus, dass er den Fehler selbst gemacht hat --
A.4) stimmt, C.3) stimmtPS: Diese ganzen A1... C3 st ein mögliches Beispiel. Vieles davon läuft so relativ unterbewusst in mir ab, aber ich denke, dass es ganz gut verdeutlicht, wie ich für mich persönliche Angriffe recht schnell auf eine sachliche, ruhige unemotionale Ebene vereinfache. Es bedeutet nicht, dass ich dann nicht mal laut werde, wenn ich es als sinnvoll empfinde - aber ich mache dies kontrolliert und vor allem tut es mir nur kurz aber bewusst weh, wenn ich angegriffen werde.
Emotionen bekomme ich gut durch imaginäre ruhige Atmung in den Griff. Tief ausatmen, Konzentration in der Stirn, kurzer bodyscan (was du bestimmt aus geführten Meditationen kennst)
Ich kann inzwischen mit Geschäftsführern sprechen, hübschen Frauen in die Augen schauen, Krisengesprächen ruhig beiwohnen, komplett unvorbereitete Vorträge (entsprechend schlecht aber) innerlich ruhig führen...
Bis hierhin mal meine Strategie bezüglich Unrecht in Live-Situationen...
Zitat von Krokodil90: weiß wieviel Unrecht einem getan wurde ist das sehr viel Wut aufgekommen. Wie kann man diese irgendwie bearbeiten ohne daran zu zerbrechen oder diese gegen sich selbst zu richten?
Wie gehe ich mit dem Unrecht um, dass mir, und meinen Mitmenschen angetan wurde:
- Vielleicht hilft mir hier tatsächlich, dass ich früher oft im Kindergottesdienst war.
- Ich weiß, dass ich inzwischen recht frei von selbstverschuldeten Problemen bin (bin mit mir selbst im reinen)
- Ich gehe die Hassgefühle gedanklich bis ans Ende - stoppe mich nicht, sondern bin gespannt darauf, wie ich
gedanklich die Wut zu Ende bringe - Die Hassgefühle sind da! Ich will sie nicht stoppen, weil sie mir helfen wollen - irgend ein tiefer Urinstinkt, der [sorry] in anderen Kulturen auch heutzutage noch real ausgelebt wird...
- Ich lasse Grübeleien und Hassgefühlen ihren wohlverdienten Raum, aber wünsche mir im Gegenzug, dass sie mich nur auf dem Weg zur Arbeit auf einem ganz bestimmten Stück des Weges beschäftigen. Dort setze ich mich aber auch mal auf die Parkbank und bleibe 20 Minuten sitzen, wenn es notwendig ist . Gedanken gehören dazu, aber sie sind nur ein Teil. Ich kann sie beobachten, aber sie bestimmen mich nicht.(I am not the body, I am not even my mind)
- Viel schreiben....
- Viel sprechen, mit nicht allzu vertrauten Personen sprechen. (Kann sein, dass es ein kurzes einmaliges Gespräch ist... In diesem Gespräch natürlich nicht die Hassgefühle aussprechen, sondern eher erzählen, was man erlebt hat)
- Generell selbstkritisch an die Themen rangehen - aber mit dem Wissen, dass ich mich selbst achte...