Zitat von blue1979: ich habe mir ein paar Gedanken zur Komfortzone gemacht und ich werde meine Komfortzone nicht verlassen (ist erstmal mein sicherer Ort): ausserhalb der Zone beginnt für manche ein Abenteuer aber für mich beginnt dann die Konfrontation/Überforderung mit allen möglichen Sachen.
Zitat von blue1979: Eine Konfrontation /Exposition macht keinen Sinn wenn ich in der Über- oder Untererregung bin und somit völlig aus dem Lernfenster.
Zitat von Lightning81: Ich würde die Themen dann aber auch immer wieder mal ruhen lassen. Nicht rein steigern. Nach und nach verarbeiten, mit Ruhe und Geduld.
Das sehe ich genauso wie Ihr !
Ich denke gerade auch viel darüber nach, aus aktuellem Grund (Erklärung folgt).
Meine Gedanken dazu: Komfortzone
Traumakonfrontation: werde ich gerade auch nicht verlassen (können).
Es ist, wie Du sagst, blue, und das trifft auf mich aktuell auch zu: Ich bin dafür viel zu instabil, und wenn die Regulation nicht gut funktioniert, ist es auch nicht angeraten, da an Dinge heranzugehen, da wäre eine heftige Dekompensation vorprogrammiert. Die Traumatherapeuten, die ich kenne und schätze, würden nie einen instabilen Patienten konfrontieren, dafür muss eine Grundstabilität und einigermaßen zuverlässige Regulationsfähigkeit gegeben sein (natürlich innerhalb der Maßstäbe von Traumapatienten, also damit meine ich jetzt nicht: stabil wie ein Zen-Meister).
Ich habe mir die letzten (zumindest auf jeden Fall
den letzten) Klinikaufenthalt/e damit schwer gemacht:
Ich wollte unbedingt in die Traumakonfrontation (mit Gedanken wie Ich bin doch jetzt stationär, und das geht doch stationär viel besser als ambulant usw.), obwohl ich total instabil und auch ohne Traumaarbeit schon völlig neben der Spur war. Natürlich hat sich da kein Therapeut herangewagt (jetzt, mit Abstand, weiß ich auch, dass das richtig war). Ich konnte das nicht einsehen und habe es als Abwertung meiner Person verstanden, als wolle man mir mit voller Absicht nicht helfen. Alleine an diesen Gedankenmustern hätte ich schon bemerken müssen, dass ich vollkommen außerhalb jedes Toleranzfensters war, schon voll in der Paranoia (da läuft eine Verschwörung gegen mich etc.) und nicht in einem Zustand, in dem man sinnvoll hätte arbeiten können. Jede Argumentation von Das geht nicht gegen Sie, es liegt bei Ihnen an der Schwere der Traumatisierung, dass das nicht geht, und nicht daran, dass wir Ihnen nicht helfen wollen, im Gegenteil, wir wollen Sie schützen ging komplett an mir vorbei.
In den letzten Jahren habe ich auch einen weiteren wichtigen Aspekt besser verstehen können: Ein Traumapatient, mit dem man als Therapeut (halbwegs) sicher arbeiten kann, muss gut
oszillieren können zwischen Annäherung an die traumatischen Inhalte und Entfernung von diesen. Man muss also in der Lage sein, sich soweit öffnen zu können, dass man die traumatischen Inhalte zulassen kann, aber es ist mindestens genauso wichtig, dass man diese nach der Therapie wieder einpacken kann, wieder auf Abstand zu diesen gehen kann, bis man wieder an diesen weiterarbeitet. Je schwerer und komplexer die Traumatisierung, umso wichtiger ist gerade der zweite Punkt.
Es hat bei mir eine Zeit gedauert, bis ich das voll verinnerlicht hatte. Als ich noch etwas neuer in der Therapie war, bin ich davon ausgegangen, dass der wichtigste Aspekt der Traumatherapie wäre, sich öffnen zu können, das fühlte sich wie der entscheidende Schritt an.
Dass das aber (gerade bei komplexer Traumatisierung) nur die halbe Miete (wenn überhaupt) ist, kann ich erst jetzt wirklich für mich akzeptieren. Wie @Lightning81, schrieb, man muss die Inhalte auch ruhen lassen können.
Aktueller Anlass, aus dem ich gerade viel darüber nachdenke: Der
nächste Klinikaufenthalt steht an. Ich habe dazu bislang noch nichts geschrieben, da ich mit genau dieser Thematik noch nicht wirklich meinen Frieden gemacht hatte. Es wurde im Vorfeld mit den Therapeuten (ambulant und stationär) besprochen, dass keine Konfrontation stattfinden wird, und das habe ich zuerst nicht wirklich gut annehmen können. Inzwischen sieht es diesbezüglich etwas besser aus.
Aber ich weiß, dass es mir schwerfallen wird, dort erneut zu erleben, dass ich nicht machen kann, wovon ich mir doch immer einen deutlichen Genesungsfortschritt versprach, und dass im stationären Umfeld. Sich trotzdem nicht unfähig und abgelehnt zu fühlen, sondern zu verstehen, dass das nicht an meinen Fähigkeiten oder dem Wert meiner Person liegt, sondern an der Schwere meiner Erkrankung, das wird eine der therapeutischen Entwicklungsaufgaben dort sein.
Und es bedeutet ja auch nicht, dass ich gar nichts machen kann. Es wird viel um
Stabilisierung gehen, um Arbeit an meinem
Selbstbild und Selbstwert, um kleinere therapeutische Aufgaben, die ich bewältigen kann und die mich (hoffentlich) auch weiterbringen, die mich aber nicht überfordern.
Und da möchte ich nochmal die Brücke zum Anfang schlagen:
Komfortzonen und Toleranzfenster.
Die Komfortzone Trauma bleibt erstmal erhalten, dafür werden erstmal Ressourcen wieder aufgebaut und Alltagsfähigkeiten trainiert, die mich dann vielleicht langfristig so stärken und stabilisieren, dass eine Traumakonfrontation irgendwann möglich sein wird (so zumindest der theoretische Plan). Die
Komfortzone Alltagstätigkeiten- und fähigkeiten und die
Komfortzone Menschenkontakt werde ich versuchen zu erweitern. In kleinen, machbaren Dosierungen, die mich fordern, aber nicht überfordern und gleichzeitig meinen aktuellen Gesamtzustand mit berücksichtigen.
Und so an einem weiteren Kernthema arbeiten: das
Gefühl von Selbstwirksamkeit stärken (durch kleine Herausforderungen und Aufgaben).
Und, was ich leider auch nicht unberücksichtigt lassen kann, auch wenn ich das gerne würde:
Gerade im letzten Jahr habe ich durch die MS körperlich stark nachgelassen. Ich habe nicht mehr die Kraft, dem Therapieprogramm vollumfänglich für längere Zeit folgen zu können. Das bedeutet leider auch, dass ich akzeptieren muss, dass ich dort weniger Therapie werde machen können und auch die Aufenthaltsdauer verkürzen werden muss, auch das muss bei der Planung berücksichtigt werden. Für 12 Wochen und mehr wird die Kraft nicht mehr ausreichen.
Zitat von blue1979: Mir fehlt das Grundgefühl der Sicherheit und das die Welt sicher ist ( ist sie nicht). Das muss ich mir nun selber geben.
Ich habe auch kein Urvertrauen, habe Angst vor der Welt und vor allem vor Menschen.
Und zu verstehen und umzusetzen, dass man sich Gefühle von Sicherheit/Mut und Selbstwert nur selber geben kann, dass man selbstwirksam sein eigenes Leben beeinflussen kann, dass man sich nur selber das geben kann, was man so schmerzlich vermisst / entbehrt hat, all das zu lernen und umzusetzen wird eine Herkules-Aufgabe sein, aber nur so kann es imho funktionieren. Es ist, denke ich, der einzige Weg, der langfristig zu
nachhaltiger Symptomverbesserung führen kann.
Ich wünsche Euch eine gute Nacht, schlaft gut ,
LG Silver