ich würde mich freuen, wenn ich vielleicht jemanden aus meiner Gegend finden würde, mit dem man sich ein wenig über die Angststörungen unterhalten kann.
Ich bin heute über google auf diese Forum gestoßen. Das man mit Ängsten nie alleine ist, war mir eigentlich schon bewusst, aber das es hier im Forum anscheinend noch so viele andere Menschen gibt, die offen über ihr Problem sprechen, finde ich sehr erstaunlich.
Unter anderem habe ich mir die Videos zum Thema Emetohobie angeschaut, bis vor ein paar Stunden wusste ich gar nicht, dass meine Angst zu dieser Phobie passt.
Ich würde gerne ein bisschen was von mir erzählen.
Ich heiße Tim, bin 22 Jahre alt, wohne und arbeite in Braunschweig im IT-Bereich. Seit ca. zwei Monaten beherrscht das Essen, der Brechreiz und teilweise die Angst mein tägliches Leben.
Angefangen hat es in jungen Jahren, war ich aufregt z.B. vor einem Schwimmwettkampf (war bis zum 13. Lebensjahr Leistungsschwimmer) konnte ich nicht essen. Sobald ich den ersten Start gehabt hatte, war alles vorbei. Damit konnte ich eigentlich auch ganz gut leben. Mit ungefähr 13/14 wurden auch die ersten Mädchen interessant. Ich war natürlich auch aufgeregt, empfand es aber als normal und habe gedacht, dass man sich an Mädchen schon gewöhnt, um es mal so auszudrücken Es verschwand aber nicht, also versuchte ich damit umzugehen und erzählte auch meiner damaligen Freundin von meinem Problem - [Essen mit anderen, vor allem fremden, Menschen], sie akzeptierte es.
Irgendwann war es dann so weit und sie war der Meinung, der ganzen Familie und mir etwas zu Essen zu zaubern (ich konnte nicht nein sagen ) ...war aufgeregt, sagte ihr zu Liebe zu einem kleinen Teller nicht nein. Zum Ende hin (unter anderem gab es auch zusätzlich ein kohlensäurehaltes Erfrischungsgetränk), passiert es. Ich muss aufstoßen und mich übergeben. Ich war übrigens ~ 15 Jahre alt.
Der Tag war schrecklich, meine Freundin und ihre Mutter lachten... verstehen konnte ich das nicht. Ab dem Tag wurde es schlimmer, auch zu Hause konnte ich nicht mehr gut mit meiner Familie essen. Restaurants-Besuche waren unmöglich geworden. Nur alleine Essen ging ganz gut oder in der Schule das Pausenbrot, auch in Gegenwart von Schulfreunden. Es war wie in einer Achterbahn, mal ging es ganz gut und mal überhaupt nicht.
Am Wochenende wurde meistens zu viert gegessen (mit meinen Eltern und meinem Bruder), ich hatte des öfteren Angst davor, konnte gar nicht essen.. meine Vater schlug dann meistens vor, dass ich das Essen auch alleine essen könnte (sie wussten irgendwie, dass ich das besser kann). Das ging natürlich... Essstörungen im Sinne von Magersucht oder Bulimie hatte ich nie, auch heute nicht. Ich war zwar immer schlank bzw. schmal gebaut, aber ich konnte Essen war ich wollte. Ich werde einfach nicht dick
Das ging dann recht lange so hin und her, Ende 2002 (ich war damals 16) konnte ich dann nicht mehr. Ich suchte das Gespräch mit meinen Eltern und ich wollte mir einfach helfen lassen... ganz normal Essen, mit der Familie oder auch mit den Kollegen (Sommer 2002 hatte meine Ausbildung angefangen). Erst mal zum Hausarzt, der hatte alle meinen körperlichen Funktionen geprüft, war alles in Ordnung (hatte auch nichts anderes erwartet). Der meinte zu mir, dass ich alles ganz ruhig angehen lassen soll. Zwei Monate später ging es mir wieder nicht so berauschend. Hatte dann einen recht kurzfristigen Termin bei einer Psychologin bekommen. Ergebnis nach einer Stunde: Unspezifizierte Essstörungen - Intensivere Therapie - min. 2 mal die Woche, leider hatte sie keinen Platz mehr frei. Hatte eine Telefonliste bekommen, dort den Ersten angerufen und Glück gehabt. Anfang 2003 war dann der erste richtige Termin, es handelte sich dabei um einen Kinder-/Jugend Psycholgen (Schwerpunkt: Tiefenpsychologisch fundierte und analytische Psychotherapie). Ich habe mich sofort gut mit ihm verstanden und wir haben im laufe der Zeit das Problem bzw. die Angst in den Griff bekommen.
Zur gleichen Zeit hatte ich auch meine 'nächste' Freundin gefunden, mit der ich zwei Jahre zusammen war, genau so lange war ich auch in der Therapie. Ich würde aber heute behaupten, dass davon im zweiten Jahr 90 % der Probleme um meine Freundin gehandelt haben und 10 % waren das Essproblem. Es war eben gut, immer eine neutrale Meinung zu erhalten. Soll heißen, dass ich recht 'schnell' geheilt war, so geheilt, dass ich es mir zugetraut hatte bestimmte Situationen mit dem Essen (und fremden Menschen) selbst zu meistern. 2005 war die Beziehung mit meiner Freundin vorbei, kurzer Zeit darauf auch die Therapie... ebenfalls die Ausbildung.
Seit dem ging es immer Berg auf, ich war richtig glücklich. 2007 war ich zu 99 % geheilt, ein tolles Jahr im Bezug auf das Essproblem. Mein Problem war immer, alleine wenn es schon darum ging, dass man sich z.B. darüber unterhalten hat, dass jemand Geburtstag feiert z.B. groß mit Buffet. Allein bei dem Gedanken (auch wenn der Geburtstag noch Wochen voraus war), hatte ich daran denken müssen, dass kann ich nicht.. ich schaff es nicht. Auch wenn ich gar nicht daran denken wollte, der Gedanke war sofort da. War der Tag gekommen, hatte ich große Angst. Ich war aufgeregt, konnte nicht Essen, ich bekam Schweißausbrüche... Das hatte im laufe der Therapie abgenommen, man hat gelernt damit um zu gehen.
Viele Sätze aus dem Video von Dr. Merkle kamen mir bekannt vor, erstaunlich...
Nun zum Teil, warum ich mich heute bemühte habe weitere Informationen zu finden.
Ich habe einen Rückschlag erlitten. Ende 2007 bin ich von zu Hause ausgezogen (gewollt, ich musste nicht gehen...), wohne jetzt seit einem Jahr alleine. Aber in der gleichen Stadt, besuche auch öfters meine Eltern oder Großeltern, empfinde das als wichtig. Seit 2005 habe ich keine Freundin mehr gehabt, ich habe es mehrfach versucht zu ändern, leider erfolglos. 2008 hatte auch gut angefangen, ich war so stolz das ich eigentlich den Kinder-/Jugend Psycholgen wieder anrufen wollte, ihm danken wollte und um ihm zu sagen das es mir richtig gut geht. Ich habe das aber nicht getan.
Seit Ende August ist es dann Stück für Stück immer schlechte geworden. Meine Großeltern hatten mich zum Essen eingeladen, gar kein Problem dachte ich mir. Als wir dann im Restaurants saßen hatte ich irgendwie ein ungutes Gefühl bekommen. Ich habe mich versucht abzulenken... Dann stand das Essen vor mir.. der erste Gedanke ich mussdas jetzt essen, ich habs ja bestellt..., Panik, schwitzige Hände und der bekannte Brechreiz war wieder da Ich habe mich dann überwunden, irgendwie... hatte dann sogar den halben Teller geschafft, meine Großeltern empfanden es auch nicht als schlimm, den Resten kann man sich ja einpacken lassen. An den nächsten Tagen war auch alles i.O., dachte mir.. das war sicherlich nur ein Ausrutscher.
Zwei Wochen später war ich mit einem Arbeitskollegen zum Mittagessen in die Stadt gefahren, ich hatte Hunger, an den Tag mit meinen Großeltern hatte ich nicht mehr gedacht, wir standen bei einem Türken und wollten was Kleines für den Weg bestellen. Auch dort kam plötzlich das komische 'Zwanggefühl' wieder hoch. Kurzer Zeit später hatte ich so eine warme Gemüserolle in der Hand und es passierte das gleiche wie mit meinen Großeltern (ich mussdas jetzt essen, wo soll ich sonst damit hin. Die Panik war wieder da und der Brechreiz, ich musste mich dann auch zwei mal übergeben, nur Spucke... der Magen war ja leer. Empfand es aber nicht schlimm, es war mir nicht unangenehm, auch heute noch nicht. Zwei Tage später war ich dann wieder in der Kantine, zum Mittagessen... ich muss sicherlich nicht viel sagen... das Problem war wieder da. Musste mich auf Toilette übergeben... ich bin verrückt geworden.
Seit dem Tage gehe ich nicht mehr mit zur Kantine. Irgendwie hat sich seit dem Tag die Panik auch etwas ausgeweitet, es gab Tage an denen ich Angst hatte einkaufen zu fahren. An der Kasse anstellen empfand ich als schrecklich, dass ist jetzt aber wieder vorbei. Unterschiedliche Situationen, wo ich denke das ich keine Kontrolle habe um aufzustehen und einfach zu gehen... an die frische Luft zu kommen bzw. einfach zu verschwinden.
Eine Woche später habe ich mit meinen Eltern darüber gesprochen (das hat viel geholfen), ebenfalls mit meinen Großeltern und einem guten Freund. Ich habe den Therapeuten wieder angerufen, der kann mich aber nicht mehr aufnehmen, da ich über 21 bin. Also habe ich mich nach einem neuen Psychotherapeuten umgeschaut, von 10 haben 2 zurück gerufen, die aber auch alle ausgeschöpft waren. Das Problem ist sicherlich bekannt.
Da es zeitweise so akut war, weil ich jeden Morgen nach dem Aufstehen Angstzustände bekommen habe, vor ganz normalen wöchentlich stattfindenden Terminen in der Arbeit, mich täglich morgens übergeben musste, hatte ich mich dazu entschlossen eine Klinik aufzusuchen. Zwei Kliniken für Essstörungen (eine davon auch mit Angsstörungen) habe ich mir danach angesehen, aber ich war irgendwie nicht überzeugt. Das tägliche Erbrechen hatte in diesem Zusammenhang auch aufgehört und da ich mich sehr mit der Thematik beschäftigt hatte, ging es mir auch ein wenig besser.
Außerdem hatte ich das Gefühl, wenn ich jetzt in eine Klinik gehe, muss ich dort essen. Wo soll ich sonst essen? Die meisten Patienten hatten eher die klassische Essstörung wie Magersucht oder Bulimie. Und irgendwie wurde ich auch in diese Schublade gesteckt, dass wollte ich nicht.
Habe also die nächsten 5 Psychotherapeuten angerufen, auch mit wenig Erfolg. Bei einem hatte ich noch eine Schnupperstunde, der wollte mich auf Amrum mit schleppen, zu einer Gruppentherapie. Diese sollte natürlich viel Geld kosten und ohne die Teilnahme würde man nicht bei ihm aufgenommen, klasse.
In den letzten zwei Wochen ging es mir eigentlich schon wieder etwas besser. Das Mittagessen in der Arbeit habe ich gemieden, Essen mit der Familie oder Großeltern zu Hause funktioniert, auch mit etwas Aufregung und manchmal ungutem Gefühl. Alleine Essen klappt so weit immer ganz gut. Insgesamt habe ich in den letzten 3 Monaten 5 kg abgenommen, ich war total froh das ich 75 kg gewogen hatte (bei 180 cm).
Viele Situation die mit dem Essen zu tun haben, vermeide ich trotzdem, weil ich Angst habe.. leider sind auch noch Situationen dabei, die nichts mit Essen zu tun haben. Z.B. eine Friseurbesuch. Der vor 4-5 Wochen war problemlos, ich war sehr glücklich darüber. Heute hatte ich wieder einen und nachdem ich den Kittel um bekommen hatte, ging es mir gar nicht gut.. ich habe Angst bekommen, sogar ein mal gewürgt. Allgemein gehen einem wieder die Gedanken durch den Kopf, wie man bestimmte Situationen gut überstehen kann. Z.B. die jährliche Weihnachtsfeier auf dem Weihnachtsmarkt, alle die Gedanken, die ich mir vor einem Jahr nicht machen musste.. ich habe es einfach durchgezogen.
Es geht teilweise Berg auf, teilweise Berg ab... ich habe ein Ziel vor Augen. Ich habe nun auch mit Sport angefangen, gehe ein bis zwei mal die Woche schwimmen und ein mal Volleyball spielen, einfach um mal auf andere Gedanken zu kommen, aber auch dort kommt öfters mal wieder das Angstgefühl zum Vorschein und eben Angst (und das heißt Übelkeit oder eben der Brechreiz). Ich weiß das man sich mit den Ängsten beschäftigen muss. Aber ich habe trotzdem viele Bedenken...
Ich könnte noch so viel schreiben... aber wer soll das alles lesen?
Jetzt in diesem Moment geht es mir einfach gut. Keine Angst, keine Panik, auch nicht vor dem Tag morgen. Ich habe sogar etwas Hunger. Es hat gut getan, sich alles noch mal von der Seele zu schreiben.
Ich wünsche euch allen das der Tag kommen wird, an dem wir so leben können, wie wir es uns immer gewünscht haben.
Liebe Grüße
Tim
Vielleicht ist ja jemand hier der aus Braunschweig, Uelzen, Wolfsburg, Madgeburg, Salzgitter, Göttingen, Peine o. z.B. Hannover kommt?
Ich bin übrigens 22 Jahre alt und männlich
Grüße
Tim
21.12.2008 21:26 • • 24.05.2009 #1