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Hallo liebe Forengemeinde,

ich bin 51 Jahre alt und nehme seit 22 Jahren Citalopram, 40mg täglich. Meine Symptome damals waren Schwindel, Antriebslosigkeit, taube Fingerkuppen, Brech- und Würgereiz ohne Übergeben sowie ein reduzierter Sexualtrieb. Diese Symptome wurden durch Citalopram praktisch auf null reduziert.

Ursache für die körperlichen Symptome waren Zwangshandlungen diverser Art, insbesondere Kontrollzwänge. Eine Zwangstherapie war halbwegs hilfreich, über die Jahre wurden die Zwänge allerdings so stark, dass sie meinen Alltag komplett dominieren.

Ich bin Hausmann und arbeite aufgrund der Zwänge ca. 10 bis 12 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, leiste dabei effektiv aber nicht mehr, als gesunde Menschen neben ihrem Job.

Vor ca. 6 Wochen hatte ich eine - für meine Verhältnisse - sehr stressige Phase. Auf einmal traten alle Symptome von vor 22 Jahren wieder auf. Ich war mehrmals in Notaufnahmen und bekam Tavor sowie mildere Entspannungsmedikamente ausgehändigt. Dies half vorübergehend, doch nach Beendigung der Einnahme waren alle Symptome wieder da. Aufgrund akuter Suizidgefahr wurde ich vor einigen Tagen stationär eingeliefert. Die Oberärztin empfahl mir nach einem Gespräch eine Umstellung auf Clomipramin.

Nach einiger Recherche, auch hier im Forum, bin ich mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist. Wäre es evtl. nicht sinnvoller, auf einen anderen SSRI oder einen SSNRI zu wechseln?

Mir ist klar, dass ich grundsätzlich natürlich eine Zwangstherapie erfolgreich abschließen muss, um meine Situation nachhaltig zu verbessern, aber ohne eine Reduzierung meiner körperlichen Symptome erscheint mir das schwierig bis unmöglich, da es ja etliche Wochen dauern wird, bis eine Zwangstherapie Wirkung zeigt. Davon abgesehen halte ich mich seit ca. 6 Wochen von Tätigkeiten, die für mich zwangsbelastet sind, fern, dennoch ist noch keine Besserung der Symptome eingetreten.

Für Tipps und Hinweise jeder Art - gerne auch kritisch - wäre ich sehr dankbar!

18.08.2024 14:59 • 12.10.2024 #1


5 Antworten ↓


Hallo.

Soweit ich informiert bin ist bei zwängen schon ein SSRI wohl mit die beste wahl. Ich kenne 2 Leute mit zwängen..der eine nimmt Paroxetin und der der andere Citalopram.

Ich selbst habe Citalopram lange genommen musste es leider absetzen wegen einer Unverträglichkeit.
Nehme Sertralin aktuell..es wirkt ähnlich finde ich.

Leider kann man nur probieren....und schauen. Alles sehr anstrengend.

Alles gute und es wird auch wieder besser werden....

LG

A


Umstellung Citalopram nach 22 Jahren?

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Nach umfangreicher Eigenrecherche und Rücksprache mit der Oberärztin hier in der Klinik werde ich nun auf Sertralin umgestellt, beginnend morgen. Ich bin sehr gespannt, wie sich diese Umstellung auswirkt.

Ich erhoffe mir einen sanfteren Übergang von Citalopram zu Sertralin, als das möglicherweise bei Clomipramin der Fall gewesen wäre. Ein weiterer Vorteil von Sertralin ist, dass man es recht hoch dosieren kann.

Grundsätzlich möchte ich mich auf diesem Wege bei allen bedanken, die ihre Erfahrungen oder ihr Wissen in diesem Forum teilen. Für mich war das eine sehr grosse Hilfe. Ich hoffe, in Zukunft selber auch positive Beiträge leisten zu können.

Vielen, vielen Dank.

Hallo.

Ich denke das ist eine gute Taktik..
Die sind vom wirken her ähnlich... hoffentlich bringt es was.

Ich hatte ja eine Unverträglichkeit auf Citalopram entwickelt. Ich hatte panische Angst dass es bei allen Antidepressiva so ist und ewig leiden muss.
Ich bin sehr dankbar über das Sertralin.
Nebenwirkungstechnisch wird es auch sehr gut angekommen...

Habe auch schon viele Sachen gelesen...muss man oftmals erst übersetzen...

Ich hatte bei Citalopram immer 10 bis 40 mg genommen. Je nach befinden.
Aktuell nehme ich Sertralin 100 mg. Dies entspricht wohl ungefähr 30 mg Citalopram...

Liebe Grüße

Clomipramin ist das stärkste SRI auf dem Markt und sehr potent. Goldstandard bei OCD.

Ein kurzer Update von meiner Seite:

Ich verbrachte 23 Tage in stationärer Behandlung. Dabei wurde zunächst Citalopram schrittweise abgesetzt und anschließend Sertralin langsam eingeschlichen, bis zu einer Enddosierung von 150mg täglich. Meine körperlichen Symptome wurden langsam weniger - allerdings sehr langsam. Nach ungefähr 15 Tagen auf Station verbrachte ich einen Samstag und die Nacht auf Sonntag testweise zuhause. Am Sonntag Mittag ging es mir dann körperlich richtig schlecht, und ich war heilfroh, abends wieder im Krankenhaus zu sein. Um so überraschter war ich dann, als ich eine Woche später entlassen wurde - eigentlich gegen meinen Willen, aber die Oberärztin war sich sicher, dass ein weiterer stationärer Aufenthalt nicht zielführend sei.

Im Nachhinein hat sie damit rechtbehalten. Die ersten Tage daheim waren zwar äußerst durchwachsen, aber meine körperlichen Symptome hielten sich in Grenzen - es war im Grunde nur eine gewisse Grundanspannung vorhanden, die ich Bereich von ca. 25% des Maximums ansiedeln würde. Meine Frau unterstützte mich anfangs bei der Hausarbeit, so dass ich schrittweise zurück in den Alltag finden konnte.

Der stationäre Aufenthalt hat sich für mich absolut gelohnt. Ich hatte die Möglichkeit, in einem sicheren Umfeld runterzukommen und abzuschalten. Das angebotene Therapieprogramm war für mich als Zwangspatient zwar wenig hilfreich, umso wichtiger waren aber die zahlreichen Gespräche mit Mitpatienten, die mir recht drastisch vor Augen geführt haben, in welch nahezu ausweglosen Situationen sich andere befinden. Ein junger Mann auf meinem Zimmer, der an einer schweren Angstpsychose litt, war beispielsweise arbeitslos, ohne Wohnung und ohne intaktes soziales Umfeld. Da wurde mir erst klar, in welcher vergleichsweise komfortablen Situation ich mich befinde, mit intakter Familie, Einfamilienhaus und dem recht guten Einkommen meiner Frau.

Mittlerweile haben seit meiner Entlassung die körperlichen Symptome über einen Zeitraum von knapp vier Wochen sukzessive nachgelassen. Ich bin quasi nahezu wieder auf dem Stand von vor meiner Episode, was im Grunde traumhaft ist, denn es war überhaupt nicht klar, dass Sertralin bei mir so gut wirken würde. Ich bin auch sehr froh, nicht auf Clomipramin gewechselt zu haben - wobei ich natürlich nicht wissen kann, wie dieses gewirkt hätte. Die Nebenwirkungen von Sertralin halten sich bei mir sehr in Grenzen - allerdings habe ich natürlich keinen objektiven Vergleich zum Zustand ohne Psychopharmakum, sondern lediglich den Vergleich zum Zustand mit Citalopram. Mein subjektiver Eindruck ist, dass ich mich wieder mehr über positive Dinge freuen kann. während ich mit Citalopram psychisch sehr stark auf ein Mittellevel gebracht wurde, so dass grosse Emotionen sowohl in positiver, als auch in negativer Hinsicht kaum möglich waren.

Meine Zwangstherapie, die ich schon während meines stationären Aufenthaltes bei einem externen Therapeuten begonnen hatte, läuft leider eher durchwachsen. Der Therapeut gibt sich grosse Mühe, und meine Motivation ist riesig, aber nach über 20 Jahren exzessiver Zwangshandlungen sitzen die Zwänge derartig tief, dass es wirklich schwer ist, sich wieder normale Abläufe anzutrainieren. Aber gut, es war klar, dass es nicht von heute auf morgen gehen würde. Ich muss mich in Geduld üben und an mir arbeiten, dann hoffe ich auf ein gutes Ende.

Zum Abschluss möchte ich Euch allen noch sagen: Kopf hoch! Lasst Euch nicht unterkriegen! Es kommen für Euch alle hoffentlich wieder bessere Zeiten!





Dr. med. Andreas Schöpf
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