Hallo,
ich habe gerade in meinem Thread Wem helfen AD wirklich? einen neuen Beitrag geschrieben. Ich möchte ihn gerne unter diesem Titel nochmal hier einstellen, weil ich weiß, dass ich so etwas Anfang des Jahres gern gelesen hätte!
Ich war von Oktober'14 bis April'15 ununterbrochen krank geschrieben, habe mein Referendariat abgebrochen, dachte, ich würde nie wieder ich selbst werden und wollte mich im Februar schon in eine Klinik begeben. Ich habe nicht mehr selbstständig leben können und hatte 24 Stunden/ Tag Angstgefühle. Dazu Schwindel und ein abartiges Unwirklichkeitsgefühl.
Spoiler: Heute geht es mir echt gut!
Ich hoffe, irgendwem damit zu helfen. Auch mir selbst, falls es mir irgendwann wieder so gehen sollte. Dann werde ich das nämlich hier noch einmal lesen.
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Mitte Februar habe ich begonnen, Sertralin (50mg) einzunehmen. Das mache ich auch heute noch. Zu dem Zeitpunkt ging bei mir (wie man hier eindrücklich lesen kann) gar nichts mehr. Ich habe Monate nur noch bei meinem Vater/ meinem Freund gewohnt, wollte nicht mehr in meine Wohnung. Ich bin nicht mehr Auto gefahren, habe mein Referendariat abgebrochen usw. Selbst der Gang zur Dusche war total angstbehaftet - einfach alles!
Nach einer Woche kam der Antrieb - erstmal ziemlich unangenehm, da Stimmung und die permanenten Angstgefühle/ Schwindel/ Unwirklichkeitsgefühle immer noch da waren.
Nach etwa 3 Wochen besserte sich meine Stimmung. Plötzlich ging ich wieder ans Telefon und rief auch von selbst wieder Freunde an, um mit ihnen über meine Probleme zu sprechen. Ich ging alleine spazieren, fuhr (mit viel Angst) wieder Auto.
Auf den Tag genau nach 4 Wochen war der erste Tag, an dem ich ab nachmittags mehrere Stunden total ruhig und angstfrei war. Abends wurde es wieder unangenehmer, morgens war nach wie vor schlimm.
Dann wurden die angstfreien, bzw. relativ angstfreien Phasen täglich länger. Meine Schritte wurden sehr schnell größer. Zurück in die Wohnung, wenn auch noch nicht arbeiten. Alleine Auto fahren, einkaufen, Freunde zu Hause empfangen.
Ich würde schätzen, dass nach 8 Wochen emotional alles wieder ziemlich gut war.
Es folgten ca. 4 Monate, die entspannter waren als die letzten 8 Jahre. Ich habe mich einfach wieder wie in meiner Jugend gefühlt - total frei, entspannt, lebenslustig. Selbst Situationen und Dinge, die ich nie auf die Angst bezogen hatte, verbesserten sich: Nach Jahren, in denen ich jährlich 2-3 Mal Kortisonspritzen gegen meine Pollenallergien bekommen hatte, waren diese in diesem Jahr quasi weg. Zufall oder Zusammenhang? Keine Ahnung. Aber ich habe wie alle anderen in meinem Umkreis 2 Wochen etwas Schnupfen gehabt und geniest und das war es. Keine Medikamente notwendig. Volle Clubs waren kein Thema mehr. Früher stand ich dann lieber sicher am Rand, heute bin ich mittendrin. Die Reihe würde sich noch ordentlich verlängern lassen.
Ungefähr Ende Juli begannen wieder schwierige Phasen. Plötzlich wieder Angst - wieder ohne für mich erkennbaren Grund. Gespräche mit meinem Psychotherapeuten (kontinuierlich seit Februar!) darüber, ob ich die Dosis erhöhen sollte. Entscheidung dagegen, da ich nur 6 Std/ Woche in einem Nebenjob arbeitete und die Herausforderung annehmen wollte und zumindest probieren wollte, ob ich es auch so wieder in den Griff bekommen würde.
Ich habe viel an mir verändert. Wenn die Nervosität hochsteigt, gehe ich joggen. GERADE DANN, wenn ich mich körperlich schummrig und unsicher fühle, Angst habe. Danach ist es IMMER besser, wenn auch nicht immer weg. Ich nehme sofort Kontakt zu Freunden auf und treffe mich mit ihnen und rede viel über die Angstgefühle. Ich gehe bewusst erst recht raus und zeige mir (bzw. meinem Unterbewusstsein), dass ich nicht ohnmächtig werde und dass nichts passiert. Und ja: Juli/ August/ September sahen so aus, dass sich immer 3-8 Tage mit Angst, die sich täglich durch das neue Verhalten verkleinerte, mit mehreren Wochen ohne Angst abwechselten.
-- Mir geht es insgesamt echt gut. Ich spüre, dass die Angst noch irgendwo da unten ist. Und dass sie immer wieder raus will. Ich habe wie gesagt immer mal wieder ein paar Tage, an denen ich das Gefühl habe, richtig zu kämpfen und mich durchzuquälen. Mein Grundsatz ist dann:
Je mehr ich heute vermeide, desto größer wird die Angst morgen sein. Und andersrum: Je mehr ich heute mache, desto mehr wird die Angst morgen abnehmen. Auch, wenn es sich gerade GAR NICHT danach anfühlt... Auch, wenn die Verbesserung oft erst 1-3 Tage später einsetzt... Ich muss das nicht glauben, aber ich muss mich trotzdem dementsprechend verhalten, auch wenn in mir alles wieder schreit, dass irgendwas körperlich nicht in Ordnung sein kann! In solchen Tagen darf das Ziel nicht sein, es GUT zu machen, sondern einfach nur, es IRGENDWIE zu machen!
Irgendwann glaubt mein Kopf dann immer, was der Körper einfach ein paar Tage gemacht hat, ohne dabei umzukippen
Meine Angstgefühle sind in solchen Phasen heute lange nicht mehr so stark wie noch vor einem halben Jahr. Ich habe noch viel zu arbeiten und das Sertralin allein scheint die Angst nicht verhindern zu können. Das nach den tollen Monaten zu erkennen, war wieder ein Auslöser für eine schlechte Phase. Aber das Tolle jetzt ist: Zum ersten Mal erlebe ich, dass ich die Ängste mit Durchhaltevermögen und harter Arbeit - immer entgegen meiner Intuition in diesen Tagen - tatsächlich abschwächen und schließlich wieder beseitigen kann. Und dieses Gefühl ist Gold wert.
Am 01.11. werde ich mein Referendariat wieder aufnehmen. Klar hab' ich Angst davor. Aber ich versuche mir nicht mehr solchen Druck zu machen. Es ist nur ein Job. Wenn es durch Angst nicht klappen sollte, drauf geschissen... dann muss ich was anderes machen. In eine Angst, die mich Monate lang aus meinem Leben reißt, werde ich mich auf jeden Fall nicht mehr durch meine falschen Ansprüche an mich drängen lassen.
Lasst den Kopf nicht hängen und macht weiter! :-*
ich habe gerade in meinem Thread Wem helfen AD wirklich? einen neuen Beitrag geschrieben. Ich möchte ihn gerne unter diesem Titel nochmal hier einstellen, weil ich weiß, dass ich so etwas Anfang des Jahres gern gelesen hätte!
Ich war von Oktober'14 bis April'15 ununterbrochen krank geschrieben, habe mein Referendariat abgebrochen, dachte, ich würde nie wieder ich selbst werden und wollte mich im Februar schon in eine Klinik begeben. Ich habe nicht mehr selbstständig leben können und hatte 24 Stunden/ Tag Angstgefühle. Dazu Schwindel und ein abartiges Unwirklichkeitsgefühl.
Spoiler: Heute geht es mir echt gut!
Ich hoffe, irgendwem damit zu helfen. Auch mir selbst, falls es mir irgendwann wieder so gehen sollte. Dann werde ich das nämlich hier noch einmal lesen.
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Mitte Februar habe ich begonnen, Sertralin (50mg) einzunehmen. Das mache ich auch heute noch. Zu dem Zeitpunkt ging bei mir (wie man hier eindrücklich lesen kann) gar nichts mehr. Ich habe Monate nur noch bei meinem Vater/ meinem Freund gewohnt, wollte nicht mehr in meine Wohnung. Ich bin nicht mehr Auto gefahren, habe mein Referendariat abgebrochen usw. Selbst der Gang zur Dusche war total angstbehaftet - einfach alles!
Nach einer Woche kam der Antrieb - erstmal ziemlich unangenehm, da Stimmung und die permanenten Angstgefühle/ Schwindel/ Unwirklichkeitsgefühle immer noch da waren.
Nach etwa 3 Wochen besserte sich meine Stimmung. Plötzlich ging ich wieder ans Telefon und rief auch von selbst wieder Freunde an, um mit ihnen über meine Probleme zu sprechen. Ich ging alleine spazieren, fuhr (mit viel Angst) wieder Auto.
Auf den Tag genau nach 4 Wochen war der erste Tag, an dem ich ab nachmittags mehrere Stunden total ruhig und angstfrei war. Abends wurde es wieder unangenehmer, morgens war nach wie vor schlimm.
Dann wurden die angstfreien, bzw. relativ angstfreien Phasen täglich länger. Meine Schritte wurden sehr schnell größer. Zurück in die Wohnung, wenn auch noch nicht arbeiten. Alleine Auto fahren, einkaufen, Freunde zu Hause empfangen.
Ich würde schätzen, dass nach 8 Wochen emotional alles wieder ziemlich gut war.
Es folgten ca. 4 Monate, die entspannter waren als die letzten 8 Jahre. Ich habe mich einfach wieder wie in meiner Jugend gefühlt - total frei, entspannt, lebenslustig. Selbst Situationen und Dinge, die ich nie auf die Angst bezogen hatte, verbesserten sich: Nach Jahren, in denen ich jährlich 2-3 Mal Kortisonspritzen gegen meine Pollenallergien bekommen hatte, waren diese in diesem Jahr quasi weg. Zufall oder Zusammenhang? Keine Ahnung. Aber ich habe wie alle anderen in meinem Umkreis 2 Wochen etwas Schnupfen gehabt und geniest und das war es. Keine Medikamente notwendig. Volle Clubs waren kein Thema mehr. Früher stand ich dann lieber sicher am Rand, heute bin ich mittendrin. Die Reihe würde sich noch ordentlich verlängern lassen.
Ungefähr Ende Juli begannen wieder schwierige Phasen. Plötzlich wieder Angst - wieder ohne für mich erkennbaren Grund. Gespräche mit meinem Psychotherapeuten (kontinuierlich seit Februar!) darüber, ob ich die Dosis erhöhen sollte. Entscheidung dagegen, da ich nur 6 Std/ Woche in einem Nebenjob arbeitete und die Herausforderung annehmen wollte und zumindest probieren wollte, ob ich es auch so wieder in den Griff bekommen würde.
Ich habe viel an mir verändert. Wenn die Nervosität hochsteigt, gehe ich joggen. GERADE DANN, wenn ich mich körperlich schummrig und unsicher fühle, Angst habe. Danach ist es IMMER besser, wenn auch nicht immer weg. Ich nehme sofort Kontakt zu Freunden auf und treffe mich mit ihnen und rede viel über die Angstgefühle. Ich gehe bewusst erst recht raus und zeige mir (bzw. meinem Unterbewusstsein), dass ich nicht ohnmächtig werde und dass nichts passiert. Und ja: Juli/ August/ September sahen so aus, dass sich immer 3-8 Tage mit Angst, die sich täglich durch das neue Verhalten verkleinerte, mit mehreren Wochen ohne Angst abwechselten.
-- Mir geht es insgesamt echt gut. Ich spüre, dass die Angst noch irgendwo da unten ist. Und dass sie immer wieder raus will. Ich habe wie gesagt immer mal wieder ein paar Tage, an denen ich das Gefühl habe, richtig zu kämpfen und mich durchzuquälen. Mein Grundsatz ist dann:
Je mehr ich heute vermeide, desto größer wird die Angst morgen sein. Und andersrum: Je mehr ich heute mache, desto mehr wird die Angst morgen abnehmen. Auch, wenn es sich gerade GAR NICHT danach anfühlt... Auch, wenn die Verbesserung oft erst 1-3 Tage später einsetzt... Ich muss das nicht glauben, aber ich muss mich trotzdem dementsprechend verhalten, auch wenn in mir alles wieder schreit, dass irgendwas körperlich nicht in Ordnung sein kann! In solchen Tagen darf das Ziel nicht sein, es GUT zu machen, sondern einfach nur, es IRGENDWIE zu machen!
Irgendwann glaubt mein Kopf dann immer, was der Körper einfach ein paar Tage gemacht hat, ohne dabei umzukippen
Meine Angstgefühle sind in solchen Phasen heute lange nicht mehr so stark wie noch vor einem halben Jahr. Ich habe noch viel zu arbeiten und das Sertralin allein scheint die Angst nicht verhindern zu können. Das nach den tollen Monaten zu erkennen, war wieder ein Auslöser für eine schlechte Phase. Aber das Tolle jetzt ist: Zum ersten Mal erlebe ich, dass ich die Ängste mit Durchhaltevermögen und harter Arbeit - immer entgegen meiner Intuition in diesen Tagen - tatsächlich abschwächen und schließlich wieder beseitigen kann. Und dieses Gefühl ist Gold wert.
Am 01.11. werde ich mein Referendariat wieder aufnehmen. Klar hab' ich Angst davor. Aber ich versuche mir nicht mehr solchen Druck zu machen. Es ist nur ein Job. Wenn es durch Angst nicht klappen sollte, drauf geschissen... dann muss ich was anderes machen. In eine Angst, die mich Monate lang aus meinem Leben reißt, werde ich mich auf jeden Fall nicht mehr durch meine falschen Ansprüche an mich drängen lassen.
Lasst den Kopf nicht hängen und macht weiter! :-*
28.09.2015 22:48 • • 29.09.2015 x 4 #1
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