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Liebe Leidensgenossen.........

Seit Geburt meiner Tochter 2008 hat sich mein Leben stark verändert. Ich war vorher ein ich arbeite 12h pro Tag Typ. Nebenbei noch ein Abendstudium abgeschlossen, eine Frontalkollision überlebt und voller Elan durch s'Leben gerast. Nach der Geburt bekam ich nach einem halben Jahr eine Angststörung und eine Depression. Bin seit dann immer wieder in psychologischer Therapie und musste im Juli dieses Jahres zum 3. Mal seit dann mit Fluoxetin beginnen. Ich schäme mich extrem dafür. Wenn ich raus gehe, sehe ich jedes andere Mami an und denke mir, wow die schafft es sicher ohne AD! Wieso ich nicht! Ich habe das Gefühl es steht mir auf die Stirn geschrieben, dass ich eine kaputte Seele habe!

Wie geht es euch damit? Fühlt ihr euch auch als Versagerin?

Danke für eure ehrlichen Antworten.

Liebe Grüsse

25.11.2013 09:05 • 11.12.2013 #1


82 Antworten ↓


Hallo Dumbo,

erstmal, ich nehme keine ADs, aber ich würde mich dafür auch nicht schämen. Warum auch? Ich denke, dass erst ein Umdenken stattfinden kann, wenn man sich eingesteht, dass es Gründe gibt, warum man depressiv wird oder Ängste entwickelt. Es nutzt nichts, wenn man sich zusätzlich unter Druck setzt und sich die Schuld gibt, weil man nicht belastbar etc ist. Dein Körper und die Seele haben dir gezeigt, dass etwas nicht in Ordnung ist, er sich vielleicht gar nicht so wohl fühlt, wenn du den ganzen Tag durchpowerst. Eine kaputte Seele zu haben ist keine Schande, da sind immer Gründe und es steht nirgends auf dem Kopf geschrieben. Ich glaube, man wäre verwundert, bei wie vielen dann ein Schild hängen würde.

Ganz lieben Gruß!

A


Ich schäme mich AD nehmen zu müssen

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Du brauchst das doch keinem auf die Nase zu binden. Ich will nicht wissen, wie viele Leute Medikamente nehmen! Wenn es dir hilft, ist es doch ok für dich.

Würdest du dich schämen, wenn du Tabletten gegen zu hohen Blutdruck nehmen müsstest? Sehr wahrscheinlich nicht. Und Depressionen und Ängste sind genauso Krankheiten, gegen die man mit Medikamenten was machen kann. Daher schäme ich mich keineswegs, dass ich ein AD nehme.

Ich denke du hast vieles auf einmal geleistet und dein Körper bzw. deine Seele schreit nach mehr Ruhe.
Wenn man sich auspowert knickt früher oder später jeder Mal ein!
Meine persönliche Erfahrung ist die, dass man in jedem Falle eine Gesprächstherapie machen sollte und wenn man aufgrund der Schwere der Erkrankung dafür nicht empfänglich ist, muss ein AD her, aber nur begleitend zu einer Therapie, sonst behandelst du nur das Symptom und nicht die Ursache.
Ich habe einen ähnlichen Werdegang wie du und nehme derzeit nur pflanzliche Präparate aber ohne ist es für mich im Moment nicht denkbar, muss auch an der Ursache arbeiten...

überleg doch einmal warum du die AD's nimmst. Eventuell auch für deine Tochter, dass du ihr eine gute Mutter sein kannst? Schämst du dich auch dafür?

Oh ja, anfangs war es ganz schlimm für mich, Antidepressiva nehmen zu müssen. Als ich zum ersten Mal beim Psychiater saß, dachte ich, das sei jetzt die Endstation in einer Reise in den Abgrund. Heute kann ich über meine negative Sichtweise damals nur noch lachen. Psychische Erkrankungen sind keine peinlicheren Erkrankungen als andere! Wir lassen uns helfen, so wie sich andere bei der Heilung ihrer Grippe helfen lassen. Bei uns dauert es halt länger und es sind andere Medikamente - na und? - Erzählen tu ich aber auch niemandem außer meinen Ärzten und meinem Therapeuten von der Krankheit. Ein bisschen Rest-Scham ist doch noch übrig, und ich habe auch Angst, dass ich gleich in eine Schublade gesteckt werde, wenn ich mich oute. Ich will deswegen nicht gemieden werden. Die Leute sollen mich so nehmen, wie ich eigentlich bin, und ich als Mensch BIN keine Depressive. Ich HABE ZURZEIT Depressionen, aber die sind nicht das, was mich als Mensch ausmacht. Drum braucht keiner davon zu wissen.

Zitat von dumbo29:
Ich habe das Gefühl es steht mir auf die Stirn geschrieben, dass ich eine kaputte Seele habe!


Keine Angst, das tut es nicht! Es kommt einem zwar oft so vor, aber es stimmt nicht. Mach dir deswegen keine Sorgen, ok?
Und Vergleiche mit anderen bringen nichts, eben weil du ja gar nicht wissen kannst, ob es den anderen sooo viel besser geht. Es steht niemandem auf die Stirn geschrieben, was er durchgemacht hat und jeden Tag durchmacht.

Kann es auch sein, dass du dich weniger dafür schämst AD zu nehmen als für deine Erkranung? Und die AD sind natürlich ein Teil davon.

Ich hab am Anfang auch Fluoxetin genommen und dachte mir dann auch in der Apotheke: Meine Güte, was denkt die denn jetzt wohl von mir. Oder was werden meine Freunde dazu sagen, die werden doch denken ich hätte einen totalen Knacks.
Habe auch ziemlich auf der Überholspur gelebt und jetzt das Resultat davon mit 21. Für mich war es immer wahnsinnig schlimm, krank zu sein. Das hat einfach nicht in den Plan gepasst.
Mittlerweile nehme ich Fluoxetin nicht mehr, weil ich es nach 3 1/2 Wochen abgebrochen habe. Mein Körper hat sich total dagegen gewehrt und dann hatte ich furchtbar Angst vor einem anderen AD. Deswegen versuche ich es jetzt medikamentenfrei.

Schäme dich nicht dafür. Die Umwelt akzeptiert das oft besser als man denkt. Und wer das verurteilt, finde ich, hat sich eben noch nicht wirklich damit beschäftigt und sollte mal länger reflektieren. Man kann ja nichts dafür, dass man krank ist. Genauso wenig wie man für einen Husten was kann. Und da wird man ja auch nicht verurteilt, weil man Hustensaft nimmt

Antidepressiva sind schon seit langem eine Gesellschaftsdroge, das weiss bloß keiner. Depressionen stehen mittlerweile an dritter Stelle der häufigsten Erkrankungen, Du liegst also voll im Trend. Jeder Zehnte (wenn ich mich recht entsinne) schluckt das Zeug oder hat es mal getan. Man siehts ihnen bloß nicht an, genauso wenig wie Dir.....

Also ich bin das erste Mal mit AD´s konfrontiert worden, als mein Mann welche aufgrund seiner Depressionen nehmen musste. Damals wusste ich gar nichts über diese Tabletten und dachte, dass sie einen manipulieren und das Wesen verändern. Aber schnell habe ich festgestellt, dass das absoluter Quatsch ist, der leider immer noch von einigen Leuten (auch hier im Forum) als Argument gegen AD´s gebracht wird. Aber dem ist nicht so. Nicht die AD´s verändern einen, sondern die Erkrankung.
Als ich 2008 nach einem Nervenzusammenbruch in einer Linik war, habe ich das erste Mal AD´g genommen und seitdem nehme ich welche. Na und? Dadurch konnte ich wieder mein Leben stabilisieren und es haben sich so viele neue Möglichkeiten ergeben, zu denen ich wahrscheinlich ohne nur schwerlich, wenn überhaupt gekommen wäre.
AD´s können einem helfen, wieder am Leben aktiv teilzunehmen, wichtig ist aber auch, dass man in eine Therapie geht.

@Holgerson: Mir gefällt das Wort Gesellschaftsdroge nicht. Eine Dro. ist für mich etwas schädliches, das einen manipuliert. Aber ein AD ist genauso ein Medikament wie eine Insulinspritze oder Betablocker.

Ich nehme auch seit einigen Wochen jetzt Fluoxetin, merk dir, dass die Menschen, die du triffst es doch gar nicht wissen dass du AD nimmst.

Zitat von islandfan:
@Holgerson: Mir gefällt das Wort Gesellschaftsdroge nicht. Eine Dro. ist für mich etwas schädliches, das einen manipuliert. Aber ein AD ist genauso ein Medikament wie eine Insulinspritze oder Betablocker.


Antidepressiva sind gesellschaftsfähig - so besser ?

Erzählt allen Leuten, dass ihr einen Burnout hattet. Dann geltet ihr als arbeitswütig und somit als ganz toll.

Die breite Masse gibt den Ton an, ist aber völlig unterbelichtet. Die breite Masse diskreditiert Menschen mit psychischen Erkrankungen - die breite Masse fand aber auch den Abwurf der Hiroshima-Bombe legitim.

Auf das Geschwätz des Pöbels kann man nichts geben, auch wenn er in der Überzahl ist....

Zitat von Holgerson:

Antidepressiva sind gesellschaftsfähig - so besser ?



Ja, gesellschaftsfähig, weil die Gesellschaft leider das Übel an der Sache ist. Man erwartet von den Menschen, dass sie funktionieren und sobald man anders ist und das Leben eben nicht so leicht meistert, ist man schon am Rande der Gesellschaft. Was war das damals für ein Aufschrei, als sich Robert Enke das Leben nahm, alle waren entsetzt, aber was hat sich geändert? So gut wie nichts. Wenn du aus psychischen Günden nicht mehr an der Gesellschaft teilnehmen kannst, so wie sie es von dir erwartet, dann bist du ein Außgestoßener, der von den Mühlen der Ämter (am schlimmsten Jobcenter) gnadenlos unter Druck gesetzt wird.

Huhu

Mir persönlich wird das Denken und Werten meiner
vermeintlichen Artgenossen immer rätselhafter.

Im Bereich psychischer Erkrankungen habe ich zu-
nehmend das Gefühl, dass oft eigentlich erst die
Wertungen der sogenannten Gesunden/Normalen
diese vermeintlichen Krankheiten erzeugt.
Erst das Abstempeln und Diskriminieren durch die
Normenvorgaben der vermeintlich Gesunden, macht
aus den wirklich noch gesunden Menschen, durch den
entstehenden Leidensdruck einen vermeintlich kran-
ken Menschen.

Ganz liebe Grüsse, Beo
Sponsor-Mitgliedschaft

Das nehme ich nicht so wahr - ich stosse auf verdammt viel Wohlwollen von Seiten der Ämter. Die tun wirklich mehr als sie müssen, um mir mit dieser Antragsscheisse und den ganzen Tricks zu helfen!

Und zu Robert Enke:

Es hat immerhin bewirkt, dass auch heute noch weiter diskutiert wird. Du hast Recht, dass sich im Grunde nicht viel ändert, aber immerhin ist das Thema nun gesellschaftsfähiger und nach wie vor präsent. Das ist ein guter Anfang!

Des Weiteren hat man selber auch einen Teil Eigenverantwortung, den hatte Robert auch. Sebastian Deisler hat es damals schlimmer erwischt und er hat für sich den Strich gezogen und Schluß gemacht mit dem medialen Wahnsinn und Leistungsdruck. Es geht also!

Ich nehme unseren gesellschaftlichen Zerfall auch wahr. Aber ich warte nicht auf äussere Veränderungen. Wenn die mich verarschen wollen, bleib ich halt in Rente. Ich muss ihre Handys und Smartphones ja nicht kaufen. Solln se ihrer Illusion doch weiter nachrennen, geht mich nix an.....

es ändert sich so langsam aber sicher etwas zum Positiven in der deutschen Gesellschaft denke ich. Ich fand es auch nicht einfach, das AD in der Apotheke zu kaufen, aber der Familie und engen Freunden habe ich es natürlich gesagt, sogar meinen Chefs bei der Arbeit, aber im öff Dienst ist das wohl etwas anderes als in der freien Wirtschaft. Ich würde immer ein paar langjährige Vertrauensmenschen informieren, dadurch wird es leichter, den andern erzähle ich ja auch von anderen schwerwiegenderen Krankheiten nix.

Ich war mir auch immer klar, dass das nur vorübergehend sein wird. Tatsächlich war es bei mir nur der immunsuppressive Effekt, der schon 1 Minute nach Einnahme wirkte (ich wurde plötzlich wegen vorhergehenden Schlafmangels müde, so dass ich direkt ins Bett gin und 11 Stunden durchschlief). ADs werden heute ja auch inflationär gegen alles Mögliche verschrieben und die Wirkung von manchen ist sehr zweifelhaft, die Nebenwirkungen manchmal haarsträubend, aber von Person zu Person auch ganz unterschiedlich. Dann muss man notfalls ein anderes ausprobieren.

Obwohl es etwas verrückt klingt bin ich inzwischen überzeugt dass alle nicht-existenziellen problematischen Emotionen im normalen Alltag eher durch hormonelle und andere stoffechselbezogene Probleme begründet sind, vor allem durch Allergien bedingt. Nach der Geburt gibt es ja manchmal Depressionsphasen bekannter Ursache, zB durch Vit B12 oder Omega 3 Mangel. Die sollte man zuerst diagnostizieren und dann ggf mit Vit B12 und viel roher grüner Blattkost (am besten Wildkräuter, Gräser, bittere Salate etc) beseitigen. Eine Haaranalyse gibt Auskunft über Mineralstoffmängel, Urin- und andere Untersuchungen über HPU, Schilddrüsenunterfunktion etc. Am besten auch zu einem naturheilkundlichen Arzt, und die Bücher von Dr Joachim Mutter lesen. alles Gute!

Ich weiß nicht warum, aber das Nicht-mehr-Funktionieren eines Menschen strahlt auf mich Hoffnung aus ... es ist wie die Bestätigung, dass das Menschliche=Unvollkommene existiert. In all der Manie nach Perfektion. Ich krieg es nur nicht hin, auf mich selbst so zu blicken.

A


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Dr. med. Andreas Schöpf
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