Hallo,
Ich nahm über etwa drei Jahre hinweg 100mg Lamotrigin gegen eine bipolare Störung. Inzwischen habe ich das Medikament auf eigene Faust abgesetzt, was die beste Entscheidung seit langer Zeit war. Dennoch bleibt eine ambivalente Erkenntnis:
1. Die bipolare Störung ist verschwunden, was ich nicht nur, aber auch auf die Einnahme des Medikamentes zurückführe. Insofern kann ich sagen, dass Lamotrigin gegen diese Erkrankung wirklich geholfen hat. Ich bin auch heute - fast ein halbes Jahr nach dem Absetzen - erheblich ausgeglichener.
2. Das sind zwar keine verallgemeinerbaren Aussagen und es ist durchaus möglich, dass kein unmittelbarer Zusammenhang besteht, aber dennoch: so sehr das Mittel gegen die bipolare Störung geholfen hat, so sehr hat es meinem Eindruck nach andere psychisch-neurologische Schwierigkeiten verstärkt. Diese äußerten sich vor Allem in massiven Wortfindungsstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, starke Kopfschmerzen, generell starken kognitiven Einschränkungen und mehr oder weniger diffusen Ängsten, die sich zuweilen zu einer Art Paranoia steigerten. Es gab Zeiten, in denen ich kurz davor war, mich aufzugeben, weil mich die ausgeprägten Ängste und die geistigen Blockaden (die durchaus dementielle Dimensionen erreichten) so wütend, so traurig, so frustriert und so ratlos machten. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf das berufliche (bzw. in meinem Fall studentische) Vorankommen und das Sozialleben.
Ich hatte keine unmittelbaren Anhaltspunkte dafür, dass diese Probleme auf Lamotrigin zurückzuführen sind (z.B. haben Studien anscheinend keinerlei Nebenwirkungen dieser Art gefunden), aber ich entschloss mich dennoch, den Versuch zu wagen und die Substanz abzusetzen. Lange Rede, kurzer Sinn: es geht mir heute, ca. ein halbes Jahr nach dem Beginn des kalten Entzugs, deutlich besser, was mich zu der starken Annahme veranlasst, dass die vielfältigen Störungen ihre Ursache in der Einnahme von Lamotrigin hatten, zumal sich seitdem keine Änderungen in meinem Leben bzw. Lebensgewohnheiten ergeben haben.
Ich glaube, dass Lamotrigin in meinem Fall irgendwie die Nerven angegriffen bzw. Nervenzellen zerstört und generell die psychische Verfassung verschlechtert hat, daran ändert auch die Behebung der bipolaren Störung nichts. Hätte ich vorher gewusst, was mich erwartet, hätte ich ganz klar ein Leben mit der manischen Depression bevorzugt. Lieber hin und wieder mal eine schlechte Phase, als allgemeiner Verfall.
Heute weiß man, dass das Gehirn in der Lage ist, Nervenzellen neu zu bilden und ich glaube, dieser Prozess läuft bei mir gerade auf Hochtouren. Es geht mir im Schnitt jeden Tag ein Stück besser und die alten Fähigkeiten kehren allmählich wieder zurück, die Ängste haben deutlich nachgelassen, das Selbstbewusstsein steigt, das Denken in großen und abstrakten Zusammenhängen klappt wieder besser, die Schläfrigkeit ist verschwunden und und und. Ich kann nicht sagen, wie glücklich mich das macht.
Insofern hat sich das vermeintliche Wundermittel bei mir als eine Art zerstörerische Dro. entpuppt. Ich möchte aber nochmals betonen, dass das nur meine Erfahrungen sind und dass ich natürlich keinen wissenschaftlichen Beweis für meine Behauptungen habe. Das heißt also nicht, dass ich nun jedem rate, sofort Lamotrigin abzusetzen, der ähnliches bei sich feststellt. Es ist ja durchaus möglich, dass hier andere, verborgene Gründe eine Rolle spielen, dass Lamotrigin bei jedem anders wirkt oder oder oder.
Für mich war es jedenfalls das beste, was ich gegen meine Ängste und andere Probleme machen konnte.
20.09.2011 15:00 •
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