Hallo,
ich habe mich vor ein paar Jahren bereits lange mit NAC im Kontext psychiatrischer Erkrankungen befasst und gerade noch mal eine Runde durch die wissenschaftlichen Fachdatenbanken zu diesem Thema gedreht - Wikipedia ist für solche Themen keine gute Quelle.
Aus eigener Erfahrung kann ich folgendes berichte: Ich habe NAC gegen Trichotillomanie eingenommen und das mit Erfolg. Allerdings brauchte ich 1800mg/Tag, damit es gewirkt hat. Zu Beschaffungswegen komme ich am Ende des Textes. Vorher möchte ich ein paar Dinge zur Dosierung und zum Wirkmechanismus sagen:
- NAC wirkt auf
verschiedene neurokognitive Systeme bzw Neurotransmitter ein. Dazu gehören Glutamat, Dopamin, hat eine antioxidative Wirkung, die im Kontext verschiedener psychiatrischer Erkrankungen relevant ist und hat einen regulierenden, entzündungshemmenden Effekt auf bestimmte Teile des Nervensystems. Zu sagen, dass nur der Glutaminhaushalt auf neurokognitiver Ebene davon beinflusst wird, ist also nicht korrekt. Berk et al. (2013) fassen die mögliche Wirkweise in Hinblick auf das breite Wirkungsspektrum von NAC bei psychiatrischen Erkrankungen so zusammen: Oxidative stress and associated mitochondrial dysfunction are plausible candidates as they too appear to lack specificity across psychopathologies. -
http://www.sciencedirect.com/science/ar ... 4713000023- die
Dosis ist entscheidend. Es gibt Studien, die eine Dosis von 300 bis 600mg angesetzt haben, diese Studien sind aber in der Unterzahl. Zumeist kamen
mindestens 1000mg/Tag zur Anwendung, auch bei einer neuern Studie zur Depressionsbehandlung mit NAC war das der Fall. (Berk et al. 2013)
- die meisten Studien zur NAC-Therapie von Depressionen beziehen sich auf
bipolare Störungen. Das heißt, dass eine Wirkung auf unipolare Depressionen nicht unmittelbar daraus abgeleitet werden kann. Bipolaren Erkrankungen liegen, wenn man dem neurochemischen Krankheitsmodell glaubt, andere Veränderungen im Neurotransmitter-Kreislauf zugrunde als unipolaren Depressionen. Menschen mit bipolaren Erkrankungen bekommen ja auch andere Psychopharmaka verordnet als Menschen mit unipolaren Depressionen (= ohne manische Phasen). Dass aber auch bei vielen anderen psychischen Erkrankungen, wie der schon genannten Trichotillomanie eine Wirkung nachgewiesen wurde, lässt vermuten, dass es eben auch bei Depressionen wirken wird. Eine relativ aussagekräftige Studie von 2014 hat zB ergeben, dass NAC hilft, wenn es zusätzlich zu Antidepressiva gegeben wird und dann auch einen kleinen, aber durchaus vorhandenen Effekt auf begleitende Angststörungen hat. Aber: Da waren Patienten mit und ohne Antidepressivum dabei, und solche, die so ein Medikament gerade abgesetzt hatten. Die große Probandengruppe von über 200 Personen schrumpft damit auf diverse Subgruppen zusammen, die beachtet werden müssen. (Berk et al. 2014, keine paywall:
http://www.psychiatrist.com/JCP/article ... n0615.aspx )
- zu Angststörungen liegen bisher primär Befunde auf Grundlage von Tierversuchen vor. Neuste Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet sehen ganz vielversprechend aus und lassen vermuten, dass eine Anwendung am Menschen ebenfalls funktionieren könnte. Hier zB eine Studie an Zebrafischen (2015):
http://www.sciencedirect.com/science/ar ... 5715300435 oder, brandneu und erst im Januar 2017 im Printmagazin erscheinend, aber schon online:
http://www.sciencedirect.com/science/ar ... 2816307835- ebenfalls interessant zu lesen:
http://www.sciencedirect.com/science/ar ... 3415001190 das ist eine große Review zu Studien zu NAC bei psychiatrischen Erkrankungen. Bereits im Abstract steht, dass eine tägliche Dosis von bis zu 2,4g sicher und gut verträglich sein; daraus lässt sich ableiten, dass diese Dosis vielfach in Studien zum Einsatz kam. Ein Blick in das Dokument verrät, dass die Dosis teilweise noch höher lag, ein klarer Dosiseffekt jedoch nicht immer sichtbar ist - es könnte also sein, dass auch weniger gereicht hätte, klar ist aber zB nur, dass 1000mg/Tag in der Depressionsstudie wirklich wirksam waren.
(Hinweis: Ich habe legalen und unbegrenzten Zugang zu den verlinkten Artikeln weil ich an einer Universität studiere, die mir den Zugriff bereitstellt. Ich habe die verlinkten Studien also alle zumindest überflogen und verstanden )
Und jetzt... meine Anwendungserfahrungen Tipps zur Besorgung und Einnahme von NAC, dem Nahrungsergänzungsmittel (! )
- 1800mg oder mehr ohne Absprache mit dem behandelnden Arzt einzunehmen ist eine blöde Idee. Das sollte man besser sein lassen.
- aber: International gesehen wird NAC häufig als Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt. So wild kann es dann also doch nicht sein mit den Nebenwirkungen etc.
- günstiger wird das Zeug auf 2 Wegen: a) Privatrezept für einen 100er-Packung Brausetabletten. b) Online nach einem seriösen Händler suchen, der das Zeug als Nahrungsergänzungsmittel verkauft. Früher gab es das sogar auf Amazon(.de!); ob das noch so ist, weiß ich nicht. Ich habe problemlos im Ausland bestellt, in den Niederlanden. Das ist völlig legal, weil es als Nahrungsergänzungsmittel gehandelt wird. Und günstiger als die rezeptfreien Brausetabletten.
- in den oben verlinkten Studien wird tatsächlich darauf hingewiesen, dass es keine/kaum Erkenntnisse über NAC in der Daueranwendung gibt. Ein Problem könnte dabei sein, dass das Zeug bei der Verstofwechslung Vitamin C bindet. Darum wird oft empfohlen bei langfristiger Einnahme eine Vitamin C-Brausetablette oder Vitamin-C-Depottablette gemeinsam mit dem NAC zu nehmen, um gesundheitliche Folgen auszuschließen. Normalerweise ist es definitiv unnötig, Vitamin C zu supplementieren, weil man genug davon über die Nahrung zu sich nimmt, eine leichte Überdosis ist aber auch nicht schlimm und wird einfach über die Nieren ausgeschieden. Bei empfindlichen Menschen dann das aber Durchfall auslösen. Wer die NAC-Einnahme über den Tag verteilen will, kann darum Vitamin-C-Depot-Kapseln ausprobieren. Ansonsten gilt nämlich bei Vitamin C, dass es ausgeschieden wird, sobald zu viel aufgenommen wurde.
- ich habe das NAC wenige Tage in Zieldosis (1800mg bei mir!) nehmen müssen, um einen Effekt auf die Trichotillomanie zu bemerken. Bis der Effekt stabil blieb auch ohne Einnahme, verging etwa ein Jahr, vielleicht auch anderthalb. Ich denke aber, dass in diesem Fall der Wegfall des Automatismus des Haareausreißens (= die veränderte Gewohnheit durch die Unterdrückung) entscheidend war und weiß somit nicht, ob das auch für Ängste etc gilt.
So weit von mir. Wenn ihr Fragen habt, fragt mich gerne; Studien kann ich aber leider nicht weitergeben sondern nur auf die Links mit den Abstracts verweisen.
LG,
Chaosdenkerin
(ich studiere nicht Medizin, sondern nur ein Fach mit Überschneidung zu den biologischen Kognitionswissenschaften, wo ich meinen Studienschwerpunkt gesetzt habe. Darum kenne ich mich etwas auf dem Gebiet aus, kann aber keine Garantien geben bzw nur Studieninhalte wiedergeben und aus eigener Erfahrung sprechen)