Wir lernten uns während des Aufenthalts immer besser kennen, unternahmen viel und merkten schließlich, dass wir mehr für einander empfinden. Jedoch hielten wir uns noch zurück, um nichts zu überstürzen und einander noch besser kennenzulernen. Nachdem ich entlassen wurde, verblieb sie noch 5 weitere Wochen in der Klinik. Wir schrieben und telefonierten mit einander und ich besuchte sie auch regelmäßig. Die gemeinsame Zeit war wunderbar und gerade weil wir nur zeitlich begrenzt zusammen sein konnten war es emotional um so intensiver. Vor ihrer Entlassung habe ich mich bereits in Eigeninitiative mit Depressionen und Borderline auseinandergesetzt um in einer Beziehung mit ihr, besser auf sie eingehen zu können, sie zu unterstützen und eventuelle Fehler durch Unwissenheit zu vermeiden. Am Tag ihrer Entlassung holte ich sie ab und wir fuhren erst einmal zu ihr nachhause um ihre Sachen abzuliefern und die Post zu holen. Dann ging es zu mir, da wir im Vorfeld geplant haben, nach ihrer Entlassung uns erst einmal Zeit für einander zu nehmen. Das taten wir und es war wunderbar. Einzig der Punkt, dass sie plötzlich anfing abends vermehrt hochprozentigen Alk. zu konsumieren, machte mich etwas besorgt.
Bis vor 4 Wochen war sie auch fast die gesamte Zeit, also 8 Monate, bei mir und wir kamen in ca. 90% der Zeit auch wirklich gut mit einander zurecht. Sie wahr sehr einfühlsam und wir haben uns viel unterhalten, Filme geschaut, gekocht, etc. Was allerdings problematisch war, war die Tatsache, dass sie sich nur sehr wenig in der gesamten Zeit um ihre weitere Therapie gekümmert hat (bis heute hat sie keinen Therapeuten für die Depressionen oder die Borderlineerkrankung). Dass sie da mehr tun muss war ihr auch bewusst und wir haben auch offen darüber gesprochen. Ich habe sie nicht unter Druck gesetzt und hab in Absprache mit ihr sie da unterstützt wo ich konnte.
Dir Kehrseite der Borderlinestörung sind in Beziehungen die sehr extreme Konflikte, die ja aufgrund von Kleinigkeiten einen wahren Krieg entfachen können. Aufgrund solcher Auseinandersetzungen kam es im Jahr 2020 4 mal vor, dass sie Hals über Kopf ihre Sachen packte und zu sich fuhr. Begleitet wurde das ganze von harten und wüsten Beschimpfungen, etc. Ich denke, jeder von euch, der sich mit der Thematik auskennt weiß was ich meine. Beim ersten mal war es wirklich hart für mich, weil ich trotz vorheriger Informationsbeschaffung völlig überfordert war mit der Situation, der enormen negativen Energie und meinen eigenen Emotionen. Doch dank, intensiver Gespräche mit meiner Therapeutin und meiner Freundin (im Nachhinein) konnte ich die folgenden male besser damit umgehen. Jedes mal war sie nie länger als 1 bis 1,5 Wochen weg. Zuletzt kurz vor Weihnachten 2020. Am 31.12. kam sie wieder wir redeten über alles und starteten in ein Neues Jahr. Das lief tatsächlich auch drei Monate sehr gut, zwischen uns, aber auch ihre Verfassung war besser als zuvor. Ab März änderte das sich jedoch abrupt. Ihre Depressionen wurden immer schlimmer, sie trank fast jeden Tag Alk. (Rum), rauchte viel zu viel und ich musste sie immer öfter fast zwingen zu essen. Sie litt und in vielen Nächten, wenn sie komplett zusammenbrach, habe ich gedacht, wie viel Leid kann ein Mensch ertragen. Mich selbst belastete es auch immer mehr und ihr Verhalten wurde von mal zu mal auch immer aggressiver, gereizter, verletzender. Ich merkte schließlich, dass ich mich kaum auf meine Therapie konzentrieren konnte und es in den Gesprächen mit meiner Therapeutin fast nur noch um diese Beziehung ging und nicht um Ängste- und Panikstörungen. In Konfliktsituationen waren konstruktive Gespräche kaum möglich und aufgrund ihres Alk. in Verbindung mit ihrem Lebenswandel und den Medikamenten machte ich mir immer mehr Sorgen um ihre Gesundheit. Wenn es eskalierte, machte ich ihr keine Vorwürfe oder versuchte sie zu sehr unter Druck zu setzen. Im Gegenzug schluckte ich ihre Beschimpfungen und verletzenden Äußerungen, indem ich mir immer wieder vor Augen führte, dass es nicht mutwillig und böswillig ist, sondern an der Borderlinestörung liegt.
Vor 4,5 Wochen ging ich auf sie zu um die Alk. anzusprechen und ihr zu sagen, dass ich Angst um ihr Leben habe und es nicht mit mir vereinbaren kann tatenlos einfach nur zuzusehen. Denn auch wenn ich ihr den Alk. nicht kaufte, billigte ich ihren exzessiven Konsum. Einen Tag später kam sie zu mir, nahm mich in die Arme und sagte, dass sie den Restalkohol wegschüttet und selbst davon weg will und mich um meine Unterstützung bittet. Ich war überglücklich. Ich hatte jetzt nicht die unrealistische Erwartung, dass das von einen auf den anderen Tag so funktioniert und alles reibungslos abläuft. Tiefpunkte und Rückschläge gibt es immer. Es ist wichtig, wie man damit umgeht und dann weitermacht. 4 Tagen war sie Alk. und es ging ihr nach eigener Aussage auch schon körperlich um einiges besser. Allerdings schlug der Verzicht ziemlich auf ihr Gemüt.
Dann kam der Tag, an dem sie eine Nachricht vom Amt mit einem Termin bekommen hat. Das hat sie innerlich sehr aufgewühlt. Sie war den ganzen Tag mit den Unterlagen beschäftigt und es ging ihr dadurch nur noch schlechter. So schlecht, dass sie am Abend Alk. brauchte. Das hat uns beide auch belastet, da sie vier Tage bereits ohne durchgehalten hat. Aber es gibt immer Situationen, in denen man nicht anders kann. Wichtig ist dann nur, dass man dann, wenn es wieder geht versucht ohne auszukommen. Abends ging ich zu Bett und sie kam noch zu mir, um gute Nacht zu sagen. Wir haben uns lange umarmt, was wundervoll war und sie hat dann noch bitterlich geweint. Was mir Leid tat und ich ihr das Leid so gerne abgenommen hätte. Dann habe ich versucht einzuschlafen, konnte es aber nicht, weil ich die ganze Zeit daran denken musste, dass es ihr schlecht geht und ich wollte am liebsten aufstehen und bei ihr sein und sie halten. Irgendwann bin ich dann mal eingeschlafen und bin, weil ich nicht tief geschlafen habe, dann aufgewacht, weil ich sie in der Küche gehört habe. Dann bin ich aufgestanden und in die Küche gegangen und habe mit einem etwas angepissten Ton zu ihr gesagt, was sie da veranstaltest. Hätte ich auch anders reden können? Ja! Aber ich kennen niemanden, der übermüdet und sauer aufwacht und dann besonnen reagiert. War ich sauer wegen ihr? Nein! Ich war sauer weil ich nicht schlafen konnte, wegen der Situation. Aber das war egal. In ihren Augen habe ich sie unangemessen angepisst. Dann hat sie angefangen ihre Sachen zu packen. Sind wir am nächsten Tag aufeinander zugegangen und haben das, was geschehen ist noch einmal reflektiert und einfach geklärt? Nein! Wir haben gar nicht mehr gesprochen. Irgendwann ging es mir dann so beschissen, dass mir nur noch übel war, ich gezittert habe und kurz vor dem Platzen stand. Sie saß im Arbeitszimmer und trank. Dann bin ich zu ihr gegangen und fragte, was ihr Plan ist und sagte ihr, dass die Situation mit gepackten Taschen und Nichtreden reiner Psychoterror ist. In der Situation wollte ich einfach nur, dass sie ihre Taschen wieder auspackt, wir uns in die Arme nehmen und weitermachen. Aber dass dieser Wunsch unrealistisch ist, war mir bereits bewusst. Ich war ihr sehr dankbar, dass sie mir an dem Tag noch Essen gebracht hat und ich hatte die kleine Hoffnung, dass wir alles noch abwenden. Am nächsten Tag kam sie zu mir und fragte, ob es okay ist, wenn sie erst am nächsten Tag fährt, da sie sich nicht im Stande fühlte zu fahren. Ich habe nicht geantwortet, sondern erst einmal geschwiegen. Warum? Weil ich sie zum einen nicht einfach losschicken wollte wenn es ihr schlecht geht und weil ich im Gegensatz das Gefühl hatte, dass ich einen weiteren Tag so nicht aushalte. Ich war im Zwiespalt. Ich habe nicht gesagt: "Doch, du musst fahren oder "Raus oder dergleichen. Bevor ich was sagen konnte sagte sie: "Ist okay, ich fahre. Ich habe sie nicht rausgeschmissen! Hätte ich in der Situation etwas daran ändern können? Nein! Denn ihr Entschluss stand fest. Sie fuhr weg.
Das war vor nun über 4 Wochen. In der Zeit haben wir uns nicht gesehen, nicht telefoniert und auch nur sporadisch geschrieben. Zwischendurch sah es immer wieder danach aus, als wenn wir uns einander annähern. Und plötzlich kippte das ganze wieder und es kamen eine Flut von Vorwürfen, Hass und verletzenden Worten. Auch hier waren konstruktive Gespräche nicht möglich. Vor einer Woche schrieb ich ihr, dass ich sie wirklich sehr vermisse und sie wieder in die Arme nehmen möchte. Sie erwiderte diese Äußerung aber betonte, dass sie noch ziemlich sauer ist, weil ich sie rausgeschmissen habe und sie Zeit alleine braucht. Jetzt sind es über 4 Wochen und ich bin mittlerweile seelisch und auch physisch am Ende. Ich fühle mich nur noch ausgebrannt und leer. Konnte die letzten Wochen kaum essen, schlafen und nur mit großen Aufwand auf wichtige Dinge konzentrieren. Ich weiß nicht was ich noch machen soll oder kann. Ich habe es ihr heute mitgeteilt, wie fertig ich bin und dass sich etwas ändern muss. Sie sagte es tut ihr leid, sie will auch mit mir zusammen sein, aber sie kann es noch nicht und zu mir kann sie auch vorerst nicht kommen. Ich habe ihr dann gesagt, um ihr zu zeigen, in welcher Entscheidungsmisere ich mich befinde. Entweder wir gehen auf einander zu und packen es gemeinsam an und wollen das auch beide, oder wir geben auf und der gemeinsame Weg endet. Dass ich die zweite Möglichkeit nicht habe ich ihr noch einmal klar verdeutlicht aber auch, dass ich einfach nicht mehr kann. Und da schlug die Stimmung wieder um. Sie fasste das ganze als ein Ultimatum auf. Ich erklärte ihr, dass dies nicht der Fall sei und es auch nicht in meiner Absicht liegt.
Nun stehe ich vor diesem Scherbenhaufen und weiß weder vor noch zurück. Beende ich das ganze, weil ich einfach nicht mehr kann und nicht komplett daran zerbrechen will oder halte ich daran fest und kämpfe weiter. Ich habe mit meiner Therapeutin darüber gesprochen. Sie sagt, machen sie Schluss, das war ihre persönliche und nicht fachliche Meinung. Eine Boderlinerbeziehung kann nur funktionieren, wenn der Betroffene seine Erkrankung akzeptiert und auch therapieren lässt. Ich will noch, aber ich kann nicht mehr.
PS: Bei einer Trennung steht noch der Fakt im Raum, dass sie keine weiteren Kontakte hat. Keine Freund, Familie, etc. Und die Suizidproblematik ist bei ihr auch sehr ausgeprägt.
Entschuldigt den langen Roman, während des Schreibens musste ich teilweise unterbrechen, weil ich einfach weinen musste und zugleich war ich auch etwas erleichtert es mir von der Seele zu schreiben. Ich freue mich über eure Antworten und Meinungen!
18.06.2021 01:49 • • 23.06.2021 #1