zusätzlich zu meiner kürzlich erneut ausgebrochenen Angststörung habe ich ein weiteres großes Problem, das mich gerade wirklich daran hindert, mir selbst die nötige Zuwendung und Mitgefühl zu geben, um wieder auf die Beine zu kommen.
Von Anfang an: Ich habe vor ein paar Monaten einen Mann kennengelernt. Ich muss sagen, anfangs war ich nicht sonderlich begeistert, weil er sehr ruhig und schüchtern war und ich so gar nicht einschätzen konnte, wo die ganze Reise überhaupt hingehen soll. Allerdings hab ich schon beim ersten Date, beim Kaffeetrinken, gemerkt, dass wir sehr harmonieren, ich konnte sehr offen und viel über mich erzählen, was kaum jemand von Anfang an bei mir erreicht. Direkt eine Stunde nach unserem ersten Treffen hatte ich eine Nachricht von ihm, dass er den Abend sehr schön fand. Am nächsten Tag eine Einladung ins Kino. Wir trafen uns von da an jeden Samstag, jeden Tag kamen ein paar liebe Nachrichten von ihm. Ich war es nicht gewohnt, dass mir ein Mann nicht direkt zu verstehen gibt, was er von mir will, aber seine Ruhe und irgendwie niedliche Schüchternheit hat mich doch immer neugieriger gemacht. Auf seine Art hat er sich wirklich bemüht und ich habe mich sehr geschmeichelt und gut behandelt gefühlt. Allerdings kamen nie irgendwelche Andeutungen, dass er mehr möchte, keine Komplimente, kein Körperkontakt. Als ich mich mal in der Bahn ganz nah an ihn lehnte, fragte er ein bisschen stotternd, ob wir uns am nächsten Tag noch einmal treffen wollen. Ich habe das alles also so interpretiert, dass er schon Interesse an mehr hat, aber sich vermutlich nicht traut. Unser letztes Treffen war eine Einladung zum Kochen bei ihm Zuhause. Dort war er super fürsorglich, wollte alles perfekt machen und in einem ruhigen Moment nach dem Essen war ich kurz davor zu fragen, in welche Richtung das hier denn bitte gehen würde, habe mich aber aus Angst vor Abweisung nicht getraut, weil ich gemerkt habe, dass ich mich schon in ihn verknallt habe. Dieses letzte Date ist nun fast 3 Wochen her und war bis jetzt das Letzte. Plötzlich war da nur noch Schweigen. Nach täglichen Nachrichten kam keine einzige mehr. Nach ein paar Tagen hab ich nachgefragt, da meinte er, er brauche gerade Ruhe, das hätte nichts mit mir zu tun. Fiel mir schwer, das zu glauben, weil ich generell sehr selbstkritisch bin, besonders, wenn meinerseits Gefühle im Spiel sind.
Nun noch eine wichtige Info: Er hat seit Ende letzten Jahres Depressionen, macht eine Therapie in einer Tagesklinik und nimmt Medikamente. Das hat er mir nach unserem 2. Treffen per Nachricht erzählt, vorher wusste ich von nichts. Dazu kommt, wie gesagt, dass meine Angststörung in den letzten Wochen wieder ausgebrochen ist. Als wir uns kennenlernten, war davon jedoch noch keine Rede. Ich muss sagen, ich glaube an Dinge wie Schicksal und dass er und ich uns nicht ohne Grund begegnet sind. Wir konnten uns sehr viel über unsere Krankheiten austauschen und ich fand es toll, zum ersten Mal jemanden gefunden zu haben, der Verständnis hat, weil alle anderen Freunde es bisher nie verstehen konnten und irgendwann gegangen sind, weil ihnen meine Krankheit zu anstrengend wurde.
Stand der Dinge jedenfalls: Seit fast 3 Wochen höre ich fast nichts mehr von ihm. Vorgestern habe ich ihm noch einmal geschrieben. WhatsApp sei Dank konnte ich sehen, dass er an seiner Antwort scheinbar eine Stunde lang getippt hat, das Ergebnis waren 3 kurze Sätze, er hätte gerade keine Gedanken für andere, weil er nur an seine Erkrankung denken müsse und ein sorry. Während ich beobachtet habe, wie fast eine Stunde lang bei WhatsApp schreibt... stand und aufs Abschicken seiner Nachricht gewartet habe, saß ich auf meiner Terrasse und sah plötzlich ihn unten vorm Haus mit dem Handy in der Hand, er schlenderte dort am kleinen Fluss entlang, verschwand dann aber ohne raufzuschauen um die nächste Ecke. Bis zu ihm nach Hause sind es ungefähr 20 Minuten Fußweg und so lange dauerte es auch, bis seine knappe Antwort dann ankam. Ja, er weiß, dass ich dort wohne. Er steht vor meinem Haus und braucht eine Stunde, um mir zu schreiben, dass er keinen Gedanken an mich verschwendet?
Ich weiß nicht, was ich denken und schon mal gar nicht, was ich tun soll. Eigentlich sollte Mitte April seine Therapie vorbei sein und er wieder arbeiten gehen. Dass es ihm wirklich so schlecht geht und er deshalb keinen Kopf für andere Menschen hat, fällt mir deshalb gerade schwer zu glauben. Ja, vielleicht sind wir Gift füreinander, weil wir beide mit unseren Krankheiten selbst zu viel zu schultern haben. Ich kann und möchte ihn aber nicht aufgeben, wir hatten so schöne Gespräche und Momente und es tut weh, dass seine Begeisterung verflogen zu sein scheint. Wenn dem so ist, warum tippt er dann an 3 Sätzen eine Stunde lang ausgerechnet vor meinem Haus? Zumal sein Verhalten mein sowieso schon sehr schlechtes Selbstbewusstsein und meine Angst vor Einsamkeit und Verlust gerade nur umso mehr verstärkt. Niemand von uns kann in seinen Kopf schauen und verstehen, was die Krankheit gerade mit ihm anrichtet, aber ich frage mich, ob es nicht auch für meine Gesundheit besser wäre, ihn aufzugeben. Ich warte nämlich jeden Tag, ob nicht doch eine Nachricht kommt und es tut weh, dass keine kommt.
Vielleicht gibt es jemanden hier, der ähnliche Erfahrung gemacht hat. Vielleicht brauche ich auch nur jemanden, der mir eine mentale Ohrfeige verpasst, damit ich aufhöre auf ihn zu warten und mir selbst endlich wichtiger bin. Vielleicht hat er einfach gemerkt, dass ich doch nicht so toll bin. Vielleicht lohnt es sich aber auch zu warten, ich kenne es nämlich, wenn man einfach weggeworfen wird, weil man gerade nicht mehr richtig funktioniert und würde das niemandem antun wollen.
10.04.2018 19:06 • • 19.04.2018 #1