Macht es Sinn, an eine gemeinsame Auszeit zu denken? Mit festgelegter Dauer und definierten Aufgaben, die jeder von Euch beiden für sich selber klären muss in dieser Zeit? Aber dann eben ohne Angst vor der endgültigen Trennung. Es muss ein deutlicher Unterschied spürbar sein zu den willkürlichen Trennungen in eurer bisherigen on-off-Beziehung, dann kann man die Zeit auch konstruktiv nutzen. Ich hatte keinen ganz so extremen Freund, aber eine ähnliche Abhängigkeit von ihm. (Wobei ich das auch zu einseitig negativ gewertet finde: Menschen brauchen Menschen um sich zu entwickeln, und wenn jeder gleich das Handtuch schmeisst, wenn es unangenehm wird, bleibt die Chance auf Entwicklung auf der Strecke. Es ist ja schon klar, dass man besser nicht bis zur Selbstaufopferung gehen sollte, aber die Wegwerfmentalität finde ich auch schlimm!)
Also: ich hätte so eine Auszeit rückblickend als eine Chance für meinen Ex und mich gesehen. Aber wir waren damals schon zu tief im Chaos und ich war emotional und kräftemässig nicht mehr fähig, meine Situation halbwegs realistisch einschätzen zu können, um auf solch eine Idee zu kommen bzw. sie dann auch noch sinnvoll in Angriff zu nehmen. Du scheinst mir noch etwas besser auf den Beinen zu sein, so wie Du hier sehr reflektiert schreibst. Eine Freundin von mir hat auch diesen Weg gewählt. Sie konnten die Beziehung zwar nicht retten, aber sie kam mit Erklärungen aus dieser Auszeit, die es ihr ermöglicht haben, die Dynamik der Beziehung zu verstehen und das Fehlen zwingend nötiger Potentiale bei ihrem Freund zu erkennen. Damit ist eine mögliche unvermeidbare Trennung dann zumindest leichter zu ertragen.
Für solche Auszeiten kann man sich auch professionelle Hilfe nehmen.
Noch eine Gedankenidee zu Deinem Ex (aus meinen Theorien über meinen Ex ;o): er könnte mit sich und seinen inneren Widersprüchen überfordert zu sein. Ein Teil von ihm (der mutige, sensible) spürt vielleicht, dass Du ihm gut tun würdest, aber der andere Teil (der ängstliche, unselbstbewusste und damit narzisstische) kann das nicht zulassen. Er würde sich ja mit Dir zusammen auf einen unbekannten Weg begeben, den er vorher nicht einschätzen kann. Womöglich müsste er auch einen Teil der Kontrolle abgeben müssen und so kämpft dann der Mutige mit dem Angsthasen in derselben Person... Es hat ja immer was mit Ängsten zu tun. Und wäre ein wichtiger Aspekt, dem man in einer Auszeit nachgehen sollte.
Drücke Dir die Daumen und wünsche Dir eine klitzekleine Portion Mitmachwillen bei deinem Ex, egal welchen Weg ihr einschlagt!
PS: ich bin jetzt auch keine von denen, die dir aus Schutzgründen für deine Tochter den endgültigen Schritt der Trennung nahe legen. Aber es wäre sicher gut, wenn Du ihr deine Situation und Dein Verhalten nachvollziehbar machen könntest. Ein junger Mensch ist nicht blöd. Er kann sich bereits recht früh eine eigene Meinung bilden (wenn die nötigen Informationen und eine emotionale bindung da sind) und sich sehr wohl auch im Umfeld schwieriger zwischenmenschlicher Beziehungen gesund entwickeln - ohne Spätfolgen für das eigene Beziehungsverhalten.
17.02.2016 23:32 •
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