Zitat von Danah:Würde ich das Kind abtreiben, würde ich nicht mehr glücklich werden, ich könnte nicht damit leben.
diese Feststellung ist ja schon mal die halbe Miete. Zumindest bist Du Dir über diese Frage im Klaren - und das trotz der aktuell schwierigen Situation, Gratulation!
Zitat von Danah:Mein Freund dagegen ist alles andere als begeistert, er wollte erst in 2-3 Jahren Kinder. Zuerst freute auch er sich, dann änderte sich seine Meinung schlagartig, er will es noch nicht, ein Kind sei gerade total unpassend, er hätte Zukunftsängste, ein Kind würde momentan alles zerstören, meint er.
Kein Lebensverlauf ist wirklich 100%ig planbar und wenn das Kind grad zu Euch will, dann ist es eben jetzt so.
Frag ihn in einer ruhigen Minute mal, was genau Euer Kind momentan alles zerstört seiner Meinung nach. Sollte er einige Punkt finden, dann akzeptiere seine Ansicht. Es ist wichtig, dass er konkret sagen kann und darf, was ihn diesbezüglich belastet. Das gilt auch später - für Euch beiden! Das hat zwei Effekte:
1. Durch die persönliche Formulierung seiner eventuell noch diffusen Ängste wird er sich ein Stück weit bewusst, ob diese wirklich angemessen sind.
2. Er erlebt sich von Dir (noch) gesehen. Komme ihm nun nicht mehr als Geliebte sondern als Partnerin entgegen. Die werdende Mutter kommt erst später...
Lass ihm Zeit und versuche bewusst, keine Zuwendung von ihm einzufordern, auch wenn Du sie Dir gerade von ihm wohl sehnlichst wünschst. Denn natürlich ist auch für Dich die Zukunft ein klein wenig ungewisser geworden.
Zitat von Danah:Vorher war er das Gegenteil von dem, was er jetzt ist, er war immer sehr liebevoll. Ich könnte nur noch weinen und frage mich, wie das so schlagartig sein kann.
Sieh es vorerst mal als temporären Zustand an. Viele Menschen brauchen für eine harmonische Beziehung einen stabilen, kontrollierbaren Gegebenheitsrahmen, so unbewusst das denjenigen vielleicht ist. Vater zu werden, ohne es jetzt geplant und gewollt zu haben, ist für solche Menschen ein wahres Erdbeben. Das kann durchaus traumatische Züge annehmen. Du erlebst nun eine Seite Deines Freundes, die Du noch nicht kanntest. Er fühlt sich vielleicht in seiner Souveränität, in seiner Männlichkeit, in seiner Rolle insgesamt beschädigt o.ä.
Gestehe ihm bitte dieses Problem zu und lass ihm die nötige Zeit, um sich neu zu orientieren.
Die Sache mit dem Beischlafversuch würde ich als eine Mischung aus verzweifeltem Kommunikationsversuch und körperlichem Frustabbau einschätzen.
Zitat von Danah:Er behandelt mich, als wäre ich nichts besonderes mehr, als würde ich ihm nichts mehr bedeuten, als wäre ich ihm total egal, als wäre seine Liebe zu mir verschwunden.
Davon abgesehen, dass m. E. keine(r) von uns etwas besonderes ist, hat sich in seiner Wahrnehmung jedoch durchaus etwas wesentlich geändert: Du stehst für ihn nun nicht mehr vordergründig als Geliebte, sondern als lebende Metapher für das Erwachsenwerden. Dass er das (noch) nicht verkraftet, ist menschlich und macht ihn mir ehrlich gesagt, sogar sympathisch... Er zeigt sein Leiden, seine gefühlte Unfähigkeit, seine Wut, seinen Frust. Wo sollte er ihn sonst zeigen als bei seiner Partnerin? Das alles hat nichts mit Schuld zu tun.
Zitat von Danah:Ich frage mich, ob ich mich nur getäuscht habe, ob er mich jemals geliebt hat.
Ungeachtet Deiner Enttäuschung über die aktuelle Gefühlslage auf beiden Seiten rate ich Dir, davon auszugehen, dass er Dich noch genauso liebt wie vorher. Doch Liebe muss nun ein wenig anders interpretiert werden. Höchstwahrscheinlich wird er nach dieser Krise eine etwas andere, eben ge- und erwachsenere Liebe zu Dir entwickeln. Auch Du wirst von Deinem Bedürfnis des Begehrtwerdens, welches ich doch recht auffällig rauszuhören glaube, ein Stück weit abrücken müssen. Sieh es als eine zwar anstrengende, aber im Endeffekt hochbereichernde Lebensphase an! Ein Kind gibt und nimmt. Der Job ist, das Kriegen und Geben zu transzendieren und eher sich in dem gemeinsamen Kind wahrzunehmen.
Zitat von Danah:Für ihn ist es natürlich nicht leicht, ich kann nachvollziehen, dass es ihn überfordert, zumal er das Kind nicht will, aber das gerechtfertigt doch nicht sein Verhalten mir gegenüber, oder?
Nochmal - es geht nicht um Schuld oder um Recht oder Unrecht. Für seine Gefühle kann man keinen Menschen schuldig sprechen. Ich bin mir sicher, er selber ist von seiner Reaktion geschockt. Schieb ihn bitte nicht in eine solche Ecke, sondern lass ihn sich sammeln und sich Dir irgendwann mitteilen. Glaube an den Vater in ihm, der sich langsam reckt und streckt und sich nun allmählich auf den Weg macht...
Alles Gute Euch!
25.06.2022 16:24 • x 7 #41