Hallo Harald,
da ich ebenso in der Unterhaltung weiterkommen möchte, überspringe ich alles, was meiner Ansicht nach als geklärt erscheint.
Zitat:Wenn ich Dich hier richtig verstanden habe beschreibst Du genau das, was verhindert,
dass Menschen sich leichter und besser verstehen.
Vermutlich hast du mich falsch verstanden oder ich kann den Zusammenhang zwischen deiner Antwort und dem Zitat von mir nicht erkennen. Denn im Zitat von mir zeige ich nur auf, dass es mir mehr schadet, passe ich mich nur jenen an, sie aber nicht an mich. Das eben nicht zu wollen und nur begrenzt zu machen, ist gewiss ein (gesunder) Egoismus. Kein Mensch bei klarem Verstand will sich eben absichtlich Schaden zufügen.
Zitat:Um in unserer Unterhaltung vorwärts zu kommen, interessiert mich, welche Werte Du in Deinem Leben wichtig
findest und welche Interessen Du verfolgst.
Das ist eine schwierige Frage, da diese Thematik auf der einen Seite komplex ist und auf der anderen Seite ziemlich dehnbar. Eine pauschalisierte Antwort könnte sehr leicht ein einseitiges und verzerrtes Bild meines Wesens und Daseins liefern. Dies möchte ich lieber vermeiden, aber ich versuche dennoch eine adäquate Antwort zu liefern.
Grundlegende Werte sind:
Akzeptanz, Gerechtigkeit, Kreativität, innere Balance, Wissen, Qualität, Schönheit, Effizienz, Zeit für mich, Stabilität, Gefühle ausleben, Mitgefühl, Achtsamkeit, Vertrauen, Natürlichkeit, Toleranz, Freiheit, Neugierde, Treue, Sicherheit, Großzügigkeit, Objektivität, Nachhaltigkeit, Transparenz, Gesundheit, Ordnung, Verlässlichkeit, Offenheit, Authentizität, Ehrlichkeit
Davon essentiell:
Akzeptanz, Gerechtigkeit, Qualität, Zeit für mich, Gefühle ausleben, Natürlichkeit, Objektivität, Nachhaltigkeit, Authentizität, Ehrlichkeit
Mehr also eine Top 10 kann ich nicht verfassen, da alles seine Wichtigkeit hat und zu meinen Werten zählt. Zudem gibt es mindestens zwei Seiten von mir - die emotionale und die rationale - die nicht unbedingt alle Werte teilen. So müsste für den emotionalen Teil in der Liste beispielsweise noch der Wert der Zuneigung hinzugefügt werden. Generell lässt sich aber sagen, dass für mich Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Qualität am wichtigsten sein dürfte, zumal Qualität beispielsweise oftmals auch Nachhaltigkeit inkludiert.
Meine Haupt-Interessen finden sich vor allem im kreativen Bereich. Ich will Dinge erschaffen, sei es real oder virtuell (digital). Ein nachhaltiges und spezifischen Interesse gibt es (leider) nicht, aber das nächste, was da ran kommt, ist das Schreiben. Ich schreibe sehr gerne. Danach kommt wohl das Programmieren und dann Musik und dann das Zeichnen. Neuerdings ist aber das Modellieren am PC und anschließende Drucken sehr präsent und dominant geworden.
Neben den kreativen Interessen gibt es noch die handwerklichen Interessen. Einfach gesagt, an Dingen technischer bis funktionaler Art basteln, diese reparieren oder neu kreieren. Dabei verwerte ich gerne das, was andere wegwerfen oder versuche aus billigen, einfachen Materialien, etwas funktionelles zu bauen, wie ein Bücherregal nur aus Dachlatten und MDF-Platten.
Zusammengefasst, habe ich im Grunde kein einheitliches Interesse, sondern viel mehr ein Interessenspektrum innerhalb des technisch-funktional Handwerk und dem rein kreativen Tun und zwischen beidem eben noch eine Schnittmenge. Ich tue eben gerne genau das, was mir gerade in den Kopf kommt und/oder was mich akut interessiert bis fasziniert. Was ich gar nicht kann, etwas machen sollen, was mich nicht interessiert. Ich denke, ich bin da wie ein Kind - durchaus recht neugierig und zwanglos innerhalb eines Interessenspektrums zwischen Interessen wechselnd. Wobei ich aber auch bis zu einem Jahr lang intensiv nur einem Hauptinteresse nachgehen kann und ich generell dies lieber habe als ständig parallel zwischen vielen Interessen binnen kürzester Zeit hin und her wechseln zu müssen.
Ich brauche im Kopf eben ein Mindestmaß an Ordnung und Übersicht. Mehr als 3 Dinge parallel (also innerhalb von einer entsprechenden Zeitspanne) sind schon zuviel. Ich kann zwar dennoch mehr, aber das erschöpft mich halt äußerst schnell und macht mich auf Dauer sehr kaputt.
Die Folge davon ist, dass ich immer weniger tun kann, will und werde. Wie aktuell der Fall. Wichtigen Interessen folgen geht dabei eben auch in aller Regel nicht. Eher im Gegenteil, meist ist es so, dass ich mich dann um immer mehr Dinge kümmern muss, die mich nicht interessieren und das macht mich dann noch mehr kaputt. Das Gefühle-Ausleben wird dabei dann ebenso möglichst eingestellt, weil dafür eben keine Zeit und Energie übrig ist. Die vorhandene Energie und der vorhandene Antrieb muss dann eben so effizient, wie möglich genutzt werden, um oftmals nur das erfüllen zu können, was von anderen verlangt und/oder erwartet wird. Dass dies mich nur kaputt machen kann, sollte für jeden nachvollziehbar sein.
Mein bisher stabilstes und nachhaltigstes und essentiellstes Interesse seit den letzten Jahrzehnten - das Schreiben - leidet darunter letztendlich auch schon. Sprich, es fällt teils schwer, noch zu schreiben. Es strengt an - ein Gefühl, was eher neu ist, bzgl. Schreiben. Das hat sicher auch noch andere Gründe, wie eben nicht zu wissen, warum und worüber man überhaupt noch schreiben soll, weil die Zahl jener, die mich verstehen, doch sehr begrenzt ist, und das stete Wiederholen der selben Sache nach 10 Jahren ebenso an Reiz verliert - sprich die Neugierde kommt zu kurz.
Zitat:Bisher habe ich von einer anderen Funktionsweise noch nichts von Dir erfahren.
Vielleicht kommt das noch irgendwann.
Ich denke, es ist die Frage, was du im Speziellen erwartest, was nun anders sei. Dazu kann ich nur soviel sagen, dass ich insbesondere im Schreiben nicht als anders funktionierend auffalle, da dies einerseits ja das ist, was ich seit Kindheit an liebe und durch und durch beherrsche. Zwar habe ich darin noch zahlreiche Eigenheiten, wie eben lange Texte schreiben, gerne auch ohne roten Faden (wie ich halt gerade im Kopf denke - in meinem Kopf gibt es ja immer einen Faden, der halt nur nicht rot ist), oder generell meine Wortwahl, die bei anderen als sehr gehoben ankommt, oder aber auch meine Eigenschaft, lange Sätze mit vielen Kommata und Bindestriche zu machen; sprich ohne Punkt.
Zu allem kommt ebenso noch, dass ich mich natürlich stetig im Rahmen meiner Möglichkeiten anpasse - ich muss ja, wenn ich gesellschaftlich akzeptiert und ungehindert weiter kommen will. Lange Zeit wusste ich ja nicht einmal um meine Andersartigkeit. Ich erkannte zwar, dass ich irgendwie anders bin, aber hatte Null Ahnung vom Warum und Wieso, und mein Denken war halt nur, dass ich mich irgendwie dem Gegebenen anpassen muss, indem ich es verstehe und lerne. Insbesondere das Simulieren der Verhaltensweisen anderer war ein sehr früher Weg, um in meiner Ahnungslosigkeit eine gewisse Anzahl auftretender Problematiken zu kompensieren - alles aber immer unter viel höheren Energieaufwand, wie es andere hatte. Einfach gesagt, leisten andere 100%, muss ich 500 % leisten, um die selben 100% der anderen zu erzielen. Nicht weil ich dumm sei oder ineffizient, sondern weil ich eben sehr viel kompensieren muss, indem ich Verhaltensweisen anderer simuliere, Verhaltensweisen und Reaktionen in Echtzeit analysiere, und dabei im Kopf eben stetig nach der idealen Reaktion meinerseits suchen muss. Die Intuition, die andere einfach so machen, berechne ich sozusagen im Kopf, in Echtzeit.
Beim Schreiben kann ich hingegen Pausen einlegen. Ich kann mir Zeit lassen. Ich bin für mich. Ich muss nicht schnell erkennen, analysieren, reflektieren und reagieren können.
Wer die andere Funktionsweise erfahren will, muss mich daher schon persönlich kennenlernen. Aber selbst da wird es dauern, diese zu erkennen, denn selbst da bin ich sehr angepasst und eben nicht wirklich authentisch unterwegs. Unter Fremden bin ich immer nahezu wie ein Nicht-Autist, weil ich unter Nicht-Autisten aufwuchs, und alles, was an mir autistisch ist, einfach schlecht war und getadelt wurde oder sogar mit psychischer und/oder körperlicher Gewalt beantwortet wurde. Ich kann Nicht-Autisten schon sehr gut simulieren, sprich ich bin schon ein guter Schauspieler. Nebenbei fallen Asperger-Autisten so und so eher schlecht unter in der Sache ungebildeten Menschen auf. Ich bin zwar kein Asperger, aber im Laufe meiner Entwicklung wurde ich jenen immer ähnlicher.
Ich bin vermutlich ein sog. Hoch-Funktionaler Autist (HFA). Einfach gesagt bedeutet das nur, dass ich in den frühen Lebensjahren eine atypische Entwicklung zu anderen Kindern aufwies. Beispielsweise erlernte ich erst mit 4-5 Jahren ein so halbwegs verständliches Sprechen. Vorher hatte ich eine eigene Sprache, die keiner verstand, außer mein etwas älterer Bruder. Ich hatte in meiner eigenen Sprache damals für Kanner-Autisten typische Ausrufe. Als Hilfeausruf - also wenn ich z.B. Angst hatte, machte ich halt ein schrilles ii-ii-ii und das kontinuierlich.
Bei HFA ist es letztendlich so, dass sie am Anfang typische Zeichen für Kanner-Autismus haben, sich dann aber sehr gut und rasant entwickeln, so dass sie ähnlich zu Asperger sind. Sie sind in der Summe aber weder das eine noch das andere. Es ist eben nur ein anderes Andere. Alles und jeder ist immer anders als der oder das Andere. Es ist letztendlich auch keine Störung oder Krankheit, sondern nur ein anders funktionierendes Gehirn. Ich lernte ja auch mit etwa einem Jahr das Sprechen, eigentlich schon früher. Aber eben in meiner eigenen Sprache. Erst später lernte ich so zu sprechen, wie die anderen. Dafür konnte ich schon vor den anderen lesen. Das konnte ich schon mit 4, während es andere i.d.R. erst in der Grundschule lernen. Das Schreiben lernte ich dann auch sehr schnell und ebenso das Rechnen. Insbesondere in Mathe (Rechnen) hätte ich problemlos jedes Jahr 2-3 Klasse überholen können und mit 14 Abi darin machen können. Wurde halt nie in der Richtung gefördert. Ich wurde gerade in den Dingen durch das existierende Schulsystem am Ende so stark ausgebremst, dass ich mich in Mathe so langweilte, dass ich dafür nichts mehr machte und in Folge dessen den Anschluss verlor. Vom 1er Schüler in Mathe wurde ich dann sogar zu einem Schüler, dessen Versetzung durch Mathe bedroht war. Ab diesem Zeitpunkt kam es auch nach und nach zu dem Split in den Interessen. Mathe war eben langweilig, weil ich unterfordert war, verlor dann den Anschluss, und ich wandte mich anderem zu, was mich mehr begeistern konnte.
Meine eigene Geschichte ist ziemlich interessant. Insbesondere, wenn man das ganze vorhandene Potential betrachtet. Aber das tut alles nichts zur Sache, denn ganz akut geht es im Grunde nur darum, dass ich nicht weiß, wie ich nun als Erwachsener in einer Nicht-Autisten-Freundlichen Welt eine stabile und funktionale Lebensgrundlage schaffen soll - insbesondere in dem Aspekt, dass ich eben seit sehr vielen Jahren stetig über meine Grenzen gehen musste, so einige Depressionen hatte und auch im Jetzt viel zu wenig Energie habe. Das Potential, mein eigener innerer Trieb ist nach wie vor da, es mangelt nur an Energie und einem soliden Antrieb. Das Problem ist wohl im Kern, dass ich keinen Leitfaden mehr habe und eben jemanden bräuchte, der mich erstmal führt und mich entlastet. Aber so etwas, wie ich es suche und bräuchte, gibt es nicht (mehr).
Ich komme also nicht weiter, sondern zerbreche an Ort und Stelle. Um das zu verhindern, versuche ich jedoch, mich und meine Interessen einzuschränken. Mehr und mehr auch meine Werte und das, was mich authentisch macht. Ich passe mich noch mehr an, um nicht anzuecken und nicht in energieraubende Diskussionen oder gar Streits zu geraten. Aber das ist der falsche Weg.
Letztendlich will ich nur entspannt leben können und mich weiterentwickeln können, um dann im Weiteren mich für die Welt auf meine Art und mit meinen Gedanken und Ideen und Schöpfungen einsetzen zu können. Ich will leben für das Leben und nicht für das eigene Überleben. Aber das eigene Überleben ist essentiell, um überhaupt für das Leben im Generellen leben zu können. Deswegen überlebe ich nur, weil mich umbringen will ich nicht, obgleich es ab und an diverse Gedankenläufe dazu geben mag. Aber ich bin für das Leben, egal was auch ist. Also auch dann noch, wenn es sehr schwer ist und ich komplett am Boden liege und die emotionale Seite mich im Griff hat.
Das ist auch das, was ich an der emotionalen Seite schätze. Die hat scheinbar immer Energie. Über die Emotion lassen sich geballte Kräfte ausleben und auch Grenzen überwinden. Wie überwindet man eine Angst am besten? Nicht mit der Ratio, sondern mit Emotionen. Emotionen sind daher, aber nicht nur deswegen wichtig. Sie sind nur ein Problem, wenn es da tendenziell nur Schwarz und Weiß gibt und diese dann kommen, wenn sie nicht gebraucht werden, sondern hinderlich sind UND immer dann, wenn man in einer Welt lebt, in der ein offenes Ausleben von Emotionen verpönt ist. Im Grunde generell in einer Gesellschaft, in der ich nicht einfach mal meinem natürlichen - für andere teils als kindlich betrachteten - Verhaltensweisen nachgehen kann.
Wenn ich mich beispielsweise unter fremden Leuten einfach mal auf den Boden lege, weil mir danach ist, ist das schon etwas, wofür ich nur Misskritik erhalte und ausgegrenzt werde, sofern man mich nicht näher kennt. Dabei liebe und brauche ich das ab und an einfach, dass ich mich eben auf den Boden werfe, mich entspannt und frei dort drehe, wende, stecke, ausbreite und so weiter.
Ab und an brauche ich es auch mal, dass ich spontan in aller Öffentlichkeit laufe, springe und hüpfe. Das durchaus in der Art und Weise wie es Kinder machen, sofern sie das machen (dürfen). Ich bin generell gerne mit meinem Körper aktiv und ich brauche, mag und liebte es schon immer, Druck auf meinem Körper zu spüren. Das entspannt mich in einer so und so viel zu reizüberfluteten Welt. Ebenso das biedermaierhafte sture Bewegen von A nach B mag ich gar nicht. Ich bewege mich viel lieber immer genau so, wie ich es gerade will. Wenn ich mal laufen, springen, mich um die eigene Achse drehen, oder mich eben mal auf den Boden werfen will, um nach oben zu gucken, dann würde ich das auch gerne machen, egal, wo ich bin.
Nur wird man dann nicht nur dumm angesehen, sondern als verrückt erklärt. Die Reaktionen fremder Menschen sind mir nahezu egal, nur hält man sich damit auch keine gute Bekanntschaften und Freunde bzw. gewinnt erst gar keine. Es geht also so gut wie immer nur um Anpassung, gutes Schauspiel und irgendwie den Energiehaushalt vorm Zusammenbruch zu bewahren. Authentisch sein, wie man wirklich ist und sein will, geht zumindest in dieser irdischen Welt gar nicht. Dabei fände ich das so viel besser, wenn sich jeder immer frei und ungezwungen überall zeigen und bewegen können dürfte, ohne durch gesellschaftliche Tabus und Zwänge ausgegrenzt zu werden.
Denn dabei lebe ich eben nicht und fühle ich nicht, und das will ich halt nicht, aber ich muss halt.