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Es geschieht im Verborgenen, aber die Folgen sind nicht zu übersehen: das zwanghafte Kratzen und Zupfen an der eigenen Haut. Wohl jeder kennt den Drang, an einem Wimmerl oder Mitesser herumzudrücken - in einem gewissen Rahmen, glauben Experten, ist das ein angeborenes Verhalten der Selbstpflege. Manche Menschen aber können nicht mehr damit aufhören.
Stundenlang bearbeiten sie selbst kleinste Hautunreinheiten hinter der verschlossenen Badezimmertür. Manche melden sich sogar bei der Arbeit krank, so Birgit Mauler, leitende Psychologin an der Münsteraner Christoph-Dornier-Klinik für Psychotherapie.
Denn die jeweiligen Hautpartien sehen danach oft so geschunden aus, dass sich die Betroffenen nicht mehr auf die Straße trauen. Nicht selten entzünden sich die Wunden, es können Narben entstehen. Viele leiden jahrelang - und können dennoch nicht aufhören.
Stationäre Klinikaufenthalte
In den vergangenen drei, vier Jahren mussten laut Mauler immer mehr Menschen deswegen stationär in die Klinik aufgenommen werden.
Dabei ist das Problem der Dermatillomanie, auch Skin-Picking genannt, keineswegs neu - nach einer aktuellen Studie leiden immerhin 5,4 Prozent der Bevölkerung darunter. Allerdings wächst erst jetzt das Problembewusstsein: Möglicherweise liegt das an ersten Medienberichten über eine verwandte Störung, das Haareausreißen, glaubt Mauler.
Von Forschung lange ignoriert
Gerade weil die Betroffenen bisher mit großem Geschick versucht haben, ihre Störung zu verbergen, ist sie noch kaum bekannt, und auch von der Forschung wurde sie bisher weitgehend ignoriert.
Die Ursachen liegen denn auch weitgehend im Dunkeln. Ich bin aber ziemlich sicher, dass es eng mit unserem Schönheitsideal zusammenhängt, sagt die Psychologin: Die Haut muss perfekt sein, Hautunreinheiten werden nicht akzeptiert.
Verbindung mit Zwangserkrankung
Hier liege auch die Verbindung zu einer Zwangserkrankung: Die Patienten fühlen sich zum Beispiel unrein und müssen deshalb die Pickel, Mitesser oder eingewachsenen Haare beseitigen.
Eine andere Gruppe von Betroffenen kratzt dagegen spontan aus einem Impuls heraus - etwa, um Stress abzubauen. Häufig treten beide Formen des Skin-Picking parallel auf. Viele Patienten berichten daneben über depressive Phasen oder Ängste.
Mit Schere und Pinzette
Nicht nur im Gesicht, sondern auch in Körperregionen, die einfacher zu verstecken sind, kratzen und drücken die Betroffenen: am Rücken, im Brustbereich und an den Beinen. Manche Skin-Picker greifen zu Scheren, Pinzetten und Messern.
Andere kratzen auch den Schorf alter Wunden wieder ab. Das Paradoxe: Während das Ziel eigentlich darin besteht, die Hautunreinheiten zu beseitigen, ist die Haut nach einer solchen Bearbeitung erst recht von roten Stellen, Quaddeln und blutigen Wunden übersät.
Währenddessen, berichten Betroffene, befinden sie sich in einer Art Trance, spüren nicht einmal Schmerz.
Einschränkungen im Alltag
Der Leidensdruck kann erheblich sein. Sobald man durch die Dermatillomanie in seinem Alltag eingeschränkt ist, sollte man sich dem Arzt anvertrauen, rät deshalb Mauler.
Dieser entscheide dann, ob eine ambulante oder gar stationäre Therapie notwendig sei. Zwar lägen noch keine Zahlen vor, aber die Heilungsquote ist laut der Psychologin hoch.
14.03.2013 20:45 • • 05.09.2024 #1