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Hallo zusammen,
Ich der Max, 28 Jahre jung und das ist mein erster Post in diesem Forum und er soll dem Erfahrungsaustausch dienen.

Ich habe mir lange Gedanken gemacht, wie ich mein „Problem“ denn nennen soll und bin schlussendlich beim Wort Perspektivlosigkeit hängen geblieben. Seit circa einem Jahr begleitet mich dieses Gefühl immer stärker und ich würde euch gerne an Hand einiger Beispiele erklären, warum und am Ende mit euch darüber diskutieren, ob andere das genauso sehen und wenn ja, wie sie damit umgehen


Beruf und Karriere
Ich arbeite in der Region Rhein-Neckar im Bereich operative IT-Security, ein Themenfeld das mich schon seit ich 16 bin fasziniert. Ich habe das wahnsinnige Privileg, jeden Tag das zu tun, was mir Spaß macht. Allerdings ist es zunehmend so, dass mich die Ergebnisse der Arbeit frustrieren: während man eigentlich erwarten sollte, dass die gefundenen Schwachstellen bei Kunden mit der Zeit immer weniger werden, ist es genau andersherum: sie werden immer mehr. Natürlich macht das Aufspüren von Schwachstellen unheimlich Spaß, aber wenn sich dann jedes Mal aufs Neue nichts an der Gesamtlage ändert, wird es zunehmend frustrierend, das zu akzeptieren. Der Gesetzgeber hilft hier mit sinnlosen Papier-Regulierungen auch nicht unbedingt weiter.
Auch das Erklimmen der Karriereleiter ist sehr schwierig, da viele Konzerne in Deutschland hier eher fachfremde Wirtschaftsinformatiker (oder im Automotive-Breich auch gerne mal Wirtschaftsingenieure) auf Führungsstellen setzen. Es würde also nur die erste Ebene (Team/Gruppenleiter) bleiben und dafür lohnt es sich nicht, sich mit regelmäßigen 60-Stunden-Wochen kaputt zu machen.

Finanzen
Die Arbeit bringt mir ein auskömmliches Einkommen von knapp über 100.00Euro brutto im Jahr, von denen überragende 5000Euro auf meinem Konto landen. Vorneweg: ja, ich weiß dass das ein Nettogehalt ist, nach dem sich viele brutto die Finger *beep* würden!
Aber: meine Eltern sind getrennt und werden beide pflegebedürftig werden. Meine Mutter wird durch ihr „Hausfrauendasein“ in der Rente auf finanzielle Unterstützung angewiesen sein. Ich muss mich also im Hinblick auf Elternunterhalt wenn es blöd läuft künstlich arm rechnen.

Dazu implodieren unsere Sozialsysteme, für die ich jeden Monat knapp 1400Euro vom Gehalt abgezogen bekommen, dafür aber keinerlei Gegenleistung erhalte. Ich bräuchte dringend einen Termin bei einem Hautarzt, um einen Ausschlag prüfen zu lassen, der früheste Termin wäre in der Umgebung von 50 Kilometern im Februar. Die KV hätte mir einen Termin in sechs Wochen in Zeulenroda (das ist kein Witz!) vermitteln können. Die Rentenversicherung erhält von mir 700Euro im Monat, damit ich dann am Ende einen Bruchteil des über das Leben eingezahlten Betrag davon als Rente erhalte. Man müsse ja schließlich privat vorsorgen… (was man mit den 700 verlorenen Euronen an die RV auch hervorragend tun könnte)

Wenn ich schon eventuell an Hautkrebs sterbe, dann wenigstens in einer schönen Wohnung? Nichts da, Wohnungen mit drei Zimmern kosten hier in halbwegs vernünftiger Lage (nicht in der Heidelberger Innnestadt, aber auch nicht im 200-Seelen-Dorf) 500.000Euro aufwärts, wenn sie nicht ein Fall für die Kernsanierung sein soll. Unabhängig davon dass ich mir das aktuell nur auf Biegen und Brechen leisten könnte (ich habe aktuell „nur“ 60.000Euro Eigenkapital) muss man dann auch erst einmal den Zuschlag dafür bekommen, weil es hier hunderte Bewerber selbst auf völlig überteuerte Neubauprojekte gibt. Also wohne ich zunächst weiter in meiner nicht gedämmten Dachgeschosswohnung zur Miete

Auch hier, Frustration und Perspektivlosigkeit in allen Belangen.

Gesellschaft und Soziales
Die Gesellschaft wird in meinen Augen immer rauer und egoistischer. Besonders aufgefallen ist mir es beim Online-Dating (das ich mittlerweile wieder eingestellt habe), aber auch bei meinem Hobby (Freiwillige Feuerwehr in einer Kleinstadt mit 20.000 Einwohnern) fällt es zunehmend auf. „Früher“ war es noch normal, hilfsbedürftige Menschen zu betreuen, bis die ersten Einsatzkräfte vor Ort sind, heute ist es selbst bei Verkehrsunfällen im Wald mitten in der Nacht eine Seltenheit, den Anrufer oder einen Ersthelfer vor Ort noch anzutreffen.
Jeder ist auf sich fokussiert, ich muss jetzt hier durch, ich muss zur Arbeit/zum Einkaufen/ins Training oder hier im Halteverbot parken, sodass nicht mal mehr ein Smart durch passt. Ich bin der Nabel der Welt und alles hat sich nach mir zu richten.
Auch das Thema Familiengründung habe ich mittlerweile für mich abgeschrieben. Sollte man denn eine Frau finden, mit der man tatsächlich eine Familie gründen kann (und die nicht nur den C63 oder den M4 vor der Tür haben möchte), dann findet man für sein Kind keinen Kita-Platz, falls man denn einen findet werden andauernd die Betreuungszeiten gekürzt, weil Personal fehlt. Dafür hat der Arbeitgeber dann irgendwann auch kein Verständnis mehr.

Für mich bietet sich jeden Tag das gleiche Gefühl: ich kann jeden Tag die Arbeit tun, die mir Spaß macht. Ich kann Sport machen, wenn ich möchte. Aber es fällt zunehmend schwerer, sich jeden Tag dafür aufzuraffen, denn ich weiß genau: in allen Lebensbereichen erwartet mich in Zukunft eine absolute „Perspektivlosigkeit“, ein „Vorankommen“, weder finanziell und erst recht nicht gesellschaftlich ist für mich nicht absehbar.

PS: natürlich ist das nicht die Form von Perspektivlosigkeit, die ein Arbeitsloser oder jemand mit Depression hat, aber es fühlt sich für mich definitiv nach Perspektivlosigkeit an.

Was sind denn eure Gedanken dazu?

Gruß Max

Heute 08:46 • 18.11.2024 #1


8 Antworten ↓


Ähm, ich würde an deiner Stelle nicht so freizügig mit dem persönlichen finanziellen Status sein. Tja, viele hier haben Depressionen, kannst dich ja willkommen fühlen im Club dieser Menschengruppe, von denen einige arme Schlucker sind, weil sie mit dem Leben nicht mehr zurecht kommen deswegen.

A


Zunehmende Perspektivlosigkeit

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@Windy Warum freizügig mit meinem finanziellen Status?

Zitat von Renner98:
Was sind denn eure Gedanken dazu?


Hallo Max.
Ich finde, ich kann das, was Du sagst gut verstehen.
Die Entwicklungen in unserer Gesellschaft laufen darauf hinaus, dass wir überwiegend nach
beruflichem und finanziellem Erfolg streben.
Und wenn man den dann hat, merkt man sehr oft. Da fehlt noch etwas. Der Sinn für mein Leben.
Wo bekomme ich Anerkennung her? Gibt es wenigstens einen Menschen oder auch mehrere
Menschen, mit denen ich einiges in meiner Freizeit teilen kann.

Hast Du keine Kohle glaubst Du fälschlicherweise, Du bist ein Nichts. Weil Dir die Gesellschaft , die
Werbung und der Handel einreden, was Du materiell besitzen musst, damit Du zufrieden sein kannst.
Da es aber immer jemanden gibt, der noch mehr Geld und Macht hat als Du besitzt, wirst Du kaum
zur Ruhe kommen.

Verbessern kann sich das meiner Ansicht nach nur, wenn es Dir gelingt eine menschliche Perspektive
selbst zu bauen. Es gibt im Leben sinnstiftende Handlungen, welche eher wenig Geld, allerdings
einiges an Zeit und Verständnis für andere Mitmenschen erfordern.

Ob das aber etwas für Dich werden könnte? Wer weiß das.

Viele Grüße
Bernhard

@Renner98
Ich kann das auch ganz gut verstehen, aber ich habe den Eindruck als wolltest Du irgendwie schnell mit allem fertig werden.

Das fängt schon im Beruf an: ja es kommen immer wieder Schwachstellen und neue Herausforderungen dazu und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern (und ggf. wirklich noch mehr werden). Aber genau das ist doch dein Beruf / deine Berufung. Wenn Du nachhaltig was an der Situation verbessern willst, dann musst Du m. M. n. aus der Rolle des Reparierers heraus gehen und dich mehr ihn Richtung Vorbeugung orientieren. Du hast doch großen Spaß an deiner Arbeit – warum nicht selbst etwas in die Richtung entwickeln und statt immer nur die Suppe auszulöffeln, die andere sich einbrocken, selbst etwas verändern.

Gleiches beim Wohnen: Du beklagst dich, dass es keine fertigen Häuser oder Wohnungen in deiner Preislage gibt. Wenn ich Anfang 30 und finanziell ganz gut abgesichert wäre, würde ich mir eine alte, vielleicht historische Bruchbude zulegen und mir daraus mein Traumhaus renovieren.

Ja, das ist nicht für jeden was, aber vielleicht verstehst Du worauf ich hinaus will: Du bist grade mal 30 (noch nicht mal), ungebunden und hast alle Möglichkeiten dich zu entwickeln und Dinge auszuprobieren – es besteht eigentlich kein Grund zu Frust und Perspektivlosigkeit.

Gibt es denn nichts, was dich reizen und auch ausfüllen würde? Alle anderen Dinge wie Partner, Rente, Kinder usw. fügen sich irgendwann.

Wenn es dich beruhigt:

Auch mit der Hälfte des Nettoeinkommens stehen die Leute vor den gleichen Problemen (wobei 2500 EUR für einen Alleinstehenden ja kein schlechtes Nettogehalt ist, das haben viele gar nicht).

Die haben auch Probleme, eine bezahlbare Wohnung zu finden, kriegen auch nicht schneller einen Arzttermin und werden von ihrer Rente auch nicht leben können. Die können ihrer Traumfrau auch keinen C63 oder was da so angesagt ist, vor die Tür stellen.

Und bei denen, die Netto noch weniger in der Lohntüte haben, verschärfen sich die Probleme noch mehr.

Wenn sich allerdings jemand mit über 100t EUR Jahresgehalt keine eigene Wohnung leisten kann, wer soll es dann können? Da wäre dann vielleicht der Verzug in eine günstigere gegend des Landes eine Maßnahme. Als ITler kann man ja meist von überall arbeiten, wo man Internet hat.
Es gibt jedenfalls Gegenden, da kann man für 200t EUR ein durchaus vernünftiges Haus kaufen oder für die Hälfte und baut das dann im Rahmen der Sanierung nach eigenen Vorstellungen um.

Wegen Hautarzt würde ich mich umhören nach Privatpraxen die moderat und fair (2,3 Satz) abrechnen (vorher Kosten nachfragen) und die Rechnung bezahlen (evt. beim Finanzamt als aussergewöhnliche Ausgaben absetzbar). Dann hast du ein Problem weniger und ärgerst dich nicht weiter wegen den Wartezeiten .
Es ist nicht selten das auch Selbstzahler der GVK in Privatpraxen gehen (zumindest steht oft Selbstzahler willkommen).

Zitat von Hotin:
Hallo Max. Ich finde, ich kann das, was Du sagst gut verstehen. Die Entwicklungen in unserer Gesellschaft laufen darauf hinaus, dass wir überwiegend nach beruflichem und finanziellem Erfolg streben. Und wenn man den dann hat, merkt man sehr oft. Da fehlt noch etwas. Der Sinn für mein Leben. Wo bekomme ich ...

Diese sinnstiftende Tätigkeit habe ich ja grundsätzlich in meinem Hobby bei der Feuerwehr, allerdings wird es auch hier immer schwieriger, die Motivation hochzuhalten, was aber an externen Faktoren liegt.

Natürlich redet einem die (in meinen Augen vor allem) Gesellschaft ein, dass materieller Besitz sehr wichtig ist, aber eine schöne ETW hat in meinen Augen nichts mit materiellem Überkonsum in Dimensionen wie dem dritten Ferienhaus in den Alpen zu tun, sondern ist einfach nur ein Wunsch nach vernünftigem und abgesichertem Wohnraum (im Sinne von meine Wände, niemand setzt mich durch Eigenbedarf vor die Tür).
Zitat von Angstmaschine:
Ich kann das auch ganz gut verstehen, aber ich habe den Eindruck als wolltest Du irgendwie schnell mit allem fertig Das fängt schon im Ber...

Berufliche Veränderung ist in meinem Themenfeld tatsächlich „schwer“, weil es keine wirkliche „Seite gegenüber“ gibt. Ich müsste dann in einer Art IT-Architekten-Rolle in einen Konzern wechseln, das würde es für mich nur schlimmer machen. Ich beschwere mich ja mittlerweile nicht mal mehr groß über die Immobilienpreise, alleine das verfügbare Angebot ist ein Riesenproblem. Ich war neulich bei der Besichtigung eines Neubauprojekts mit ETW, alle 400.000Euro aufwärts, da waren bevor der Rohbau stand schon 80% weg, es sind nur noch die ganz großen Wohnungen mit fünf Zimmern weg. Für mich stellt sich die Frage, wo hier die ganzen Käufer herkommen, ich verdiene weit überdurchschnittlich und wenn da selbst für mich nichts mehr „übrig“ bleibt? So viele Erben und „100k+-Leute“ kann es ja gar nicht geben.
Bestand zu kaufen und zu renovieren habe ich mir auch schon überlegt, könnte ich auch selbst renovieren. Allerdings bin ich jobtechnisch immer mal wieder tagesweise Richtung Mannheim, Darmstadt und Frankfurt bei Kunden vor Ort, dann würden sich ewig lange Fahrtzeiten aus dem Hinterland ergeben.
Reizen tut mich Sport, bin bis Anfang/Mitte 20 gerne Marathon gelaufen und Rennrad gefahren, aber das hat sich durch 10/15 Kilo Übergewicht die letzten zwei Jahre erstmal erledigt, das möchte ich meinem Bewegungsapparat nicht zumuten. Zum Rennrad fahren komme ich nicht mehr wirklich.
Zitat von Drkingschultz:
Wenn es dich beruhigt: Auch mit der Hälfte des Nettoeinkommens stehen die Leute vor den gleichen Problemen (wobei 2500 EUR für einen Alleinstehenden...

Das ist mir durchaus bewusst (ich komme aus einer solchen „normalen“ Familie) und der soziale Sprengstoff, den das birgt, macht die Zukunftssorgen nicht besser.

Zitat von blue1979:
Wegen Hautarzt würde ich mich umhören nach Privatpraxen die moderat und fair (2,3 Satz) abrechnen (vorher Kosten nachfragen) und die Rechnung bezahle...

Darauf wird es wohl oder übel rauslaufen, oder TeleClinic führt wiedererwartend noch zum Erfolg

Es werden aber auch viele Häuser und Wohnungen gekauft von Leuten, die sich das eigentlich nicht leisten können.

Das ging in der Vergangenheit, weil man bei einem Zinssatz knapp über Null war.

Da wird die Finanzierung auf Kante genäht und da darf nichts, absolut nichts passieren. Wird einer der Partner arbeitslos oder kommt für längere Zeit ins Krankengeld, wackelt sofort alles.

Viele bekommen dann auch heftige Probleme, wenn die Zinsbindung ausläuft und man dann plötzlich 3 Prozent Zinsen mehr zahlen muss. Da geht es dann schnell in die Zwangsversteigerung.




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