Wenn man über psychische Störungen redet, darf man nicht vergessen, dass alles irgendwie Interpretationsgebunden ist. Eine Störung setzt einen ungestörten Normalfall vorraus, damit sie definiert werden kann. Doch was ist normal? Ist das normal, was quantitativ in der Mehrheit der Fälle zutrifft. Wer sagt denn, dass nicht die Mehrheit der Menschen krank ist? Dann wäre die Krankheit der Normalfall und alle Nichtbetroffenen gelten als gestört (vgl. sinngemäß Lütz, Manfred: Irre! Wir behandeln die Falschen).
Es gibt also auch keine einheitlich festgelegte Definition dessen, was unter Narzissmus verstanden werden soll. Der Begriff geht auf Narziss aus der griechischen Mythologie zurück und wurde von Sigmund Freud im Rahmen der Psychoanalyse erstmals psychologisch verwendet.
Freud beschreibt den Erlebniszustand von Säuglingen als primären Narzissmus, also völlige Ichbezogenheit, weil der Säugling nicht zwischen sich selbst und Umwelt unterscheiden kann. Die sich später entwickelnde gestörte Form der Selbstliebe nennt Freud sekundären Narzissmus und ist ein Rückzug auf die Ebene des primären Narzissmus weil das Liebesbedürfnis des Kindes nicht erwiedert oder ständig enttäuscht wird.
Ich hab darüber eine Arbeit geschrieben und es ist müsig, alle Argumente zu belegen, wenn Du die Literaturliste haben willst, schick ich sie Dir per PN. Es ist im allgemeinen Sprachgebrauch üblich, unter Narzissmus die krankhafte Form der narzisstischen Persönlichkeitsstörung zu verstehen. Dies wird der Komplexität der Thematik aber nicht gerecht. Es gibt durchaus mildere Formen narzisstischer Störungen, die selbst nicht als Krankheit zählen, aber durchaus Ursache vieler psychischer Probleme (Depression, Zwangsstörungen, Angststörungen usw.) sein kann. Die Narzissmus-Thematik findet also in einem Spektrum statt, es gibt kein entweder narzisstisch oder nicht-narzisstisch. Deswegen finde ich, sollte man im Sprachgebrauch, wenn man über Narzissmus redet, differenzieren. Und deswegen definiere ich für mich als narzisstisch, wenn es um den Selbstwert allgemein geht. Dabei kann es gesunde Selbstliebe, gestörte Selbstliebe und klinische Formen gestörter Selbstliebe geben.
10.01.2014 20:30 •
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