Als Borderliner habe ich mir nichts mehr gewünscht, als gefühlskalt zu werden. Jedes Gefühl, das ich hatte, war falsch und zu viel für meine toxische Mutter. Also hat sie mir so lange Vorträge darüber gehalten, dass ich funktionieren soll, bis ich (leider nur halbwegs) funktionierte. Heute komme ich so gefühlskalt rüber, dass man mich fälschlicherweise für autistisch hält! (Ich bin noch NICHT als autistisch diagnostiziert, daher bitte keine Diskussionen darüber.)
Wie ich dieses Wunder vollbracht habe? Über den Gesichtsausdruck. Wenn man lächelt, obwohl man nicht glücklich ist, wird man irgendwann automatisch glücklich. Im Umkehrschluss heißt das: Wenn man einen neutralen Gesichtsausdruck hat, fühlt man irgendwann normal bzw. kann das Gefühl dadurch soweit unterdrücken, dass man neutral rüberkommt. Auch die Stimme ist ein wichtiges Werkzeug, immer gut darauf achten, dass sie neutral ist oder monoton. Meine Methoden empfehle ich aber wirklich nur bei Borderline/emotional instabiler Störung/Hochsensibilität, also wenn man es nicht erträgt, so viel zu fühlen. Auch ich finde es schade, wenn man gefühlskalt werden will, weil Gefühle bereichernd sind, aber ich kann das Anliegen gut verstehen. Ich bin diesen Weg gegangen. Ich bin äußerlich gefühlskalt geworden. Jetzt fällt es mir schwer, diese Maske wieder abzulegen. Also überleg dir, ob du diesen Weg wirklich gehen willst.
Ob sich Gefühlskälte trainieren lässt? Ich glaube, innerlich muss man dazu eine gewisse Veranlagung mitbringen. Ich zum Beispiel habe von Natur aus fast gar keine Empathie (also vielleicht doch Autismus). Als im Nebenraum meiner Therapeutin jemand geweint hat, hat es mich null interessiert, warum. Aber auch Empathie lässt sich trainieren, heute ist es besser und ich interessiere mich für andere Menschen und denke mich in sie hinein. Also müsste sich im Umkehrschluss auch rein hypothetisch Gefühlskälte trainieren lassen.
07.05.2022 18:48 •
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