Hallo Intimidator und andere,
die Ausgangsfrage finde ich interessant. Daher mal meine Gedanken dazu.
Ich finde, dass ich andere mit meinen Problemen nur bis zu einem gewissen Grad belasten kann. Ich selbst kann mit Menschen ganz schlecht umgehen, die viel jammern, ich finde es irgendwie rücksichtlos, andere so mit seinem Leid zu belasten. Damit vermehre ich ja bloß mein Leid. Oder auch schlecht: Ich sehe, wie wenig die anderen mit meinen Gefühlen und Gedanken umgehen können, und dann fühle ich mich allein und unverstanden. Schlimm finde ich dann die Leute, die denken, mir etwas Gutes zu tun mit diversen Ratschlägen, und dann auch noch Dankbarkeit für diese nicht funktionierenden Ratschläge erwarten. Wenn ich nicht jammere, laufe ich nicht Gefahr, mich unter Druck gesetzt zu fühlen, weil ich keine Dankbarkeit empfinde für solche Ratschläge für solche nicht Ratschläge. Jammern ist ja für viele scheinbar so ein soziales Wundermittel, das ihnen hilft, einander näher zu kommen. Wenn man gemeinsam an etwas leidet, kann das verbinden. Ich empfinde es eher als belastend.
Mir liegt das eher fern. Ich denke immer, dass alles Schlechte schlecht ist, weil ich es so bewerte. Für mich ist die Frage immer eher: Warum empfinde ich das so und so? Deshalb verlasse ich die Ebene des Jammerns und Empörtseins meist recht schnell. Ich bin auch ein Mensch, der Selbstmitleid verachtet, und Jammern hat für mich oft etwas von Selbstmitleid. Sich mal wieder so richtig schön ergehen in der Opferrolle und anderen die Verantwortung für eigenes Leid zuschieben ...
Bei großen emotionalen Krisen - Verwandter gestorben, Kind verschwunden, Job verloren, Beziehung zerstört etc. - kann ich das jammern gut verstehen. Denn solche Krisen gehen einem so nah, dass man sich keinen Gefallen tut, sich immer nur von seinen Gefühlen zu distanzieren. Dann muss es einfach raus. Dann ist auch niemand gefragt, der gute Ratschläge bringt, sondern der einfach da ist. Der einen den größten Unsinn erzählen lässt, ohne korrigierend einzugreifen (und damit neue Probleme zu verursachen), weil er/sie weiß, dass die Worte im Einzelnen jetzt egal sind. Und dass das, was in solchen Krisen gesagt wird, nicht auf die Goldwaage gelegt werden sollte.
Wenn jemand sein Kind vermisst, ist dessen Jammern ja leicht nachvollziehbar und auch akzeptiert. Komplizierter wird es dann, wenn jemand ein psychisches Leiden hat, das für andere kaum nachzuvollziehen ist. Ich werde niemals verstehen, also wirklich aus meiner eigenen Erfahrung heraus nachfühlen können, wie es ist, beispielsweise eine multiple Persönlichkeit zu sein. Ich kann nur akzeptieren, dass der andere dieses Leiden hat, ihm zuhören und ernstnehmen, ohne selbst je ganz nachvollziehen zu können, warum er gerade z. B. weint oder schreit. Das sind dann leider meine Grenzen. Die Frage ist dann, inwieweit ich bereit bin, diesen Problemen Aufmerksamkeit zu schenken, obwohl ich sie nicht verstehe. Wenn ich sie nicht verstehe, kann es schnell sein, dass ich etwas als Jammerei bewerte, was für die betroffene Person echt wichtig und befreiend ist.
Bei Leiden eher körperlicher Art bin ich weniger sensibel; das ist meines Erachtens eher eine Frage der Einstellung, wie man damit umgeht. Ich weiß oft nicht, was ich sagen soll, wenn jemand zB über ein gebrochenes Bein jammert. Es überfordert mich. Es ist für mich einfach ein medizinisches Problem, und gut ist. Anders als pragmatisch (Wann bin ich wieder gesund?) kann ich das gar nicht betrachten. Da würde ich dann auch eher ungehalten fragen: Was soll das Gejammer?