App im Playstore
Pfeil rechts
16

Hallo beisammen,

stellt Euch vor, jemand liegt auf dem Boden und strampelt, weil ihm etwas nicht passt. So geht es mir immer wieder, genau dieses Gefühl. Ich durchlebe in meinem Leben immer wieder Konflikte: Ich möchte eigentlich etwas haben aber irgendwas passt mir daran nicht, weil irgendetwas nicht so gelaufen ist, wie ich es mir vorgestellt habe.

Drei Beispiele:

Bildliches Beispiel: Ich kaufe mir ein Sofa, ein Unikat. Das Sofa ist super, aber es hat einen Fleck. Was mach ich nun? Ich hasse diesen Fleck, der widerspricht meinen Vorstellungen, wie es sein müsste. Das Sofa austauschen? Es ist ein Unikat, ich wollte genau dieses Sofa haben. Was nun?

Beispiel 2: In meinem Leben passiert etwas dramatisches, das nicht zu dem passt, wie ich mir mein Leben vorstelle. Z. B. werde ich öffentlich bloßgestellt, ausgelacht oder sonst etwas. Ich hadere nun so intensiv. das sollte nie Teil meines Lebens sein, aber nun ist es da.

Beispiel 3: Ich mache einen Test, auf den ich mich seit Monaten vorbereite. Endlich geschafft. Es stellt sich heraus, dass jedoch beim Erfassen der Tests ein Fehler aufgetreten ist. Ist nicht alles reibungslos gelaufen, aber die Prüfer attestieren, dass schon alles in Ordnung ist. Aber ich wollte doch unbedingt diesen Test erfolgreich bestehen wie alle anderen auch. Und zwar ehrlich und nicht irgendwie. Auch wenn die Prüfer das bestätigen, war er nun irgendwie nicht reibungslos. Aber den Test nochmal machen? Da mach ich mich ja lächerlich bzw. wer weiß, ob ich ihn nochmal schaffe?

D.h. in allen Fällen passiert etwas, was ich irgendwie nicht in mein Leben lassen / zulassen will. Irgendwas blockt ab. Ich will das am liebsten los haben. Aber dann müsste ich auf das schöne auch verzichten. Das Sofa auf Beispiel 1, mein Leben ist nun eh nicht änderbar aus Beispiel 2 und den Test nochmal machen aus Beispiel 3.

Stattdessen grübel und grübel ich darüber. Ich überlege, was ich hätte anders machen können, ich entwickle Wut für diejenigen, die mir das eingebrockt haben, weil mein perfektes Bild nun einen Kratzer hat und weil ich weiß, dass ich damit doch so schlecht umgehe kann

Ich überlege nun: Ist das eine Anpassungsstörung oder was ist das genau? Habt ihr eine Idee?


Danke Vielmals

Tex

19.09.2022 20:55 • 27.09.2022 #1


10 Antworten ↓


Hallo Tex,
was Du beschreibst liest sich für mich nicht nach einer Anpassungsstörung nach ICD Kriterien. Aber nach verständlicher Unzufriedenheit und Missfallen. Es sind Dinge oder Vorfälle die je nach dem, wie zum Beispiel die eigene Reizbarkeit vorhanden ist, durchaus Wut oder Hass auslösen können. Also zunächst mal ganz normale Gefühle, wie sie nahezu jeder mal erlebt.

Aber wenn Du einen gesteigerten Perfektionismus an den Tag legst, der vielleicht sogar unrealistisch oder übersteigert scheint, liegt dem vielleicht etwas anderes zugrunde. Das kann auch eine psychische Erkrankung sein, muss es aber nicht, wenn kein relevanter Leidensdruck besteht. Da solltest Du noch mal in Dich gehen, wenn solche Situationen auf dich einwirken und auch auf somatische Reaktionen achten. Gegebenenfalls mal den Hausarzt ansprechen.

A


Wie löse ich innere Konflikte - Anpassungsstörung?

x 3


Vielleicht bist du zutiefst unsicher. Wahrscheinlich ist die Kontrolle haben, für dich sehr wichtig. Vielleicht gab es Situationen in deinen Kinderjahren, in denen du das Gefühl hattest, dass etwas nicht gut genug ist, was du getan hast oder dein Verhalten. Wenn du einen Fleck im Teppich siehst, ist das etwas, was du nicht beeinflussen oder kontrollieren kannst. Menschen, die alles und jedes kontrollieren meinen zu müssen, verstecken oft eine grosse Unsicherheit. Die Angst vor Ablehnung. Vielleicht kannst du damit was anfangen. Durch das Grübeln verstärkst du das.

Zitat von Sinnsucher:
Stattdessen grübel und grübel ich darüber. Ich überlege, was ich hätte anders machen können, ich entwickle Wut für diejenigen, die mir das eingebrockt haben, weil mein perfektes Bild nun einen Kratzer hat und weil ich weiß, dass ich damit doch so schlecht umgehe kann

Du bist wütend auf Menschen, weil sie dir das Bild von deiner perfekten Welt ankratzen. Mach mal einen kompletten Perspektivenwechsel und konzentriere dich auf dich. Du bist erfreut darüber, weil du du dir selbst das Bild von deiner perfekten Welt ankratzt. Das ist eine Umkehrung deiner Aussage. Im Prinzip sind es nicht die anderen. Du projizierst das bloss auf sie. In Wirklichkeit kratzt du selbst das Bild deiner perfekten Welt an und das ist gut so. Du kannst dich durchaus daran erfreuen, realistischer zu werden und mehr Boden unter den Füssen zu haben. Ich empfehle dir, weiter zu kratzen an deinem perfekten Bild, weil die Welt ist einfach nicht perfekt. Das sind Fantasien, Wünsche, Träume, ... irreal aber verständlich irgendwie.

Hi Tex (hello again),

Zitat von Sinnsucher:
Ist das eine Anpassungsstörung oder was ist das genau?

So genau wie möglich?: Alles passt, aber Du störst...

Man könnte meinen, dass es sich der Mensch selber leichter macht, aber das wäre auch zu einfach. Nur was die höchsten Kriterien erfüllt, passt in mein Leben. Ich bestimme, was passt.

Und so greifen wir - wieder mal - ein in das ursprünglich perfekt-unperfekte (wabi-sabi) in allem. Es ist die Natur des Egos, der Ich-Illusion, stets einzugreifen. Jeder Mensch nach seiner Art, aber strukturell bleibt es ein Eingriff und der bestimmt uns. Lieber am Ergebnis dieses Eingriffs leiden, als sich nicht bestätigt zu wissen.

Lieber Leiden statt die Abwesenheit von Freud und Leid.

Ich denke auch, hat etwas mit Kontrolle und Perfektionismus zu tun. Und dahinter steckt immer grosse Unsicherheit, sonst müsste ja nicht alles perfekt und kontrolliert sein.

Vielleicht kannst du besser damit umgehen, wenn du dir klarmachen kannst, dass du zwar Perfektionismus und Makellosigkeit erwartest, selbst aber jenseits davon entfernt bist, sonst würdest du nicht so reagieren müssen, denn augenscheinlich magst du das ja auch nicht.

Man kann auch perfekt zu perfekt unperfekt umkehren. Mit ein bisschen Humor und Fantasie gelingt das, dann ist das Unikatsofa noch besser, da der Fleck nun zu dir passt: Ein Einzelstück mit kleinen Fehlern.

Das mit der Zurschaustellung ist natürlich ein anderes Kapitel. Von solchen Menschen hält man sich fern, wenn man sich nicht auf deren Niveau runter begeben möchte.

Und dieser Test ist ähnlich wie dein Sofa: Kannst nicht mit glänzen, aber passt doch auch zu dir.

Bei vielen Themen hier im Forum kann man wirklich versuchen, so langsam seinen Fokus, seine Wahrnehmung zu ändern. Ist doch eh vieles eine Empfindung, die uns das Leben schwer macht. Also ändert man seine Einstellung, und wird offen für andere Sichtweisen.

Du willst doch nimmer so extrem unsicher sein, ergo, werde bissle unperfekter und sei stolz darauf.

Hallöle,

erst amal vielen Dank Euch! Habe das nun lange setzen lassen.

Es gibt tatsächlich einen gemeinsamen Nenner bei diesen Dingen: Wenn sie mir wichtig sind und eine gewisse Ewigkeit haben oder ich mich sehr stark damit identifiziere. Ich hatte das auch schon bei Beziehungen in der Vergangenheit. Da war ich immer sehr sehr streng. Wenn mein Partner etwas gemacht hat (und sei es noch so klein), das mit meinen Werten nicht vereinbar war, ist mein Partner quasi nicht mehr passend gewesen. Weil ich identifiziere mich damit und ich hatte dann Sorge, dass unsere Werte nicht stimmen oder ich Gefahr für mich und meine Integrität erkannt habe.

Genauso mit dem Sofa: Es ist in meinem Leben, in meinem Haus. Es ist immer da. Es ist nicht einfach nur ein Sofa. Es ist bei mir und ich werde es viele Jahre behalten. Wenn da etwas ist, was nicht passt, habe ich damit ein Problem. Weil das passt dann nicht zu mir.

Oder ein neues Motorrad. Mein Traum, mein Lebenstraum. Dabei ein schlechtes Ereignis, dann will ich es nicht mehr. Negative Assoziationen, Unstimmigkeit zu meinem Wunsch-Bild. Oder plötzlich für mich schlimme Ereignisse in Bezug zu meinem Lieblingshobby, dann will ich das am besten aus meinem Leben haben.

Ich komme einfach nicht damit klar, wenn negative Gedanken / Erinnerungen mit Dingen verknüpft sind, die für mich einen hohen Stellenwert haben.

Ich probiere übrigens schon zu meditieren moo

Icefalki, Deinen Ansatz finde ich total spannend, weil der in mir direkt was ausgelöst hat.

Manchmal schaffe ich es auch, das für ein paar Minuten anders zu sehen, aber es ist wie ein Gummiband. Die andere Denke holt mich immer wieder ein, so dass ich dann wieder kurz davor bin, das Sofa zu verkaufen. Nach dem Motto: Ich verzichte lieber auf das Gute bevor ich die negative Erinnerung so lange aushalten muss. Aber das will ich so nicht, das finde ich doof Ich will das schaffen und dafür will ich auch kämpfen!

Tex

Zitat von Sinnsucher:
Ich probiere übrigens schon zu meditieren moo



Zitat von Sinnsucher:
Ich verzichte lieber auf das Gute bevor ich die negative Erinnerung so lange aushalten muss. Aber das will ich so nicht, das finde ich doof Ich will das schaffen und dafür will ich auch kämpfen!

Obacht! Nicht dass der Perfektionstrieb einfach eine Etage höher rutscht... Nach meiner Erfahrung bedarf es keines Kampfes, sondern eher Verbrüderung mit dem Problem. Wenn Du Deine Angewohnheit, bei Dir wichtigen Dingen auf Perfektion jeglicher Umstände zu achten, verurteilst und sie vollständig beseitigen willst, kann das auch zu einer Art Perfektionswahn werden. Du blickst dann immer auf dieses Problem. (Ich glaube, das tust Du inzwischen auch und vielleicht sind wir hier im Forum an diesem geistigen Rundlauf nicht ganz unbeteiligt, denn wir haben es ja schon seit längerem mit Dir hier aufgedröselt).

Warte mal, bis Du noch ein paar Jahre älter wirst. Die körperlichen Sachen, die uns alle langsam heimsuchen lassen derlei Luxusprobleme dann mitunter in einem ganz anderen Licht dastehen.

Spannend, so habe ich es noch gar nicht gesehen Ich will nur sagen: Mir sind die guten Dinge, die mir passiert sind und immer wieder passieren einfach viel wert und ich möchte sie nicht aufgeben oder nicht mehr aufgeben. Und dafür muss ich vielleicht einen steinigen Weg gehen, aber das möchte ich schaffen. Wie auch immer das aussieht. Ich bin so lange immer in die Vermeidung gegangen, weil das bequemer war. Ich will endlich einen anderen Weg gehen.

Und ja, wie Du sagst: Ich will es so perfekt haben, was dazu führt, dass ich ständig auf das Problem schaue. Ich sehe irgendwann nur noch den Fleck vom Sofa. Weil ich immer wieder schauen will: Ist er jetzt weg? Ne noch da. Jetzt? Ne noch da. Stört mich der Fleck? Jaaaa! Bin ich zornig deswegen? Jaaaa... Ist es heute besser? Neeeeinnn. Argh!

Ích blicke ja nicht drauf, weil ich das möchte. Das passiert einfach. Ich sehe den Fleck, er ist da. Aber wie Du sagst: Ich muss diese Verbrüderung schaffen. Aber ich habe den Eindruck, dass hierfür irgendwas an meiner Einstellung nicht passt. Wie wenn man eine Schraube noch 5 Grad nach links drehen müsste, damit es in meinem Kopf ankommt Irgendein springender Punkt fehlt, denn rational ist es mir klar, aber ich fühle es nicht. Irgendwas fehlt, damit mir das gelingt.

Danke mal wieder

Tex

Zitat von Sinnsucher:
Irgendwas fehlt, damit mir das gelingt.

Vielen von uns fehlt vielleicht das, was ein guter Freund immer das schlumpfige Element nennt: der Unernst des Lebens... Mach dat jut!

Da Du explizit immer wieder auf diesen Fleck kommst, der Dich so ärgert, nehme ich mich dem Beispiel mal an und Frage, macht es für Dich Sinn, Dich über etwas, dass Du vermeintlich nicht ändern kannst, zu ärgern? Lässt er sich auch durch einen Profi nicht entfernen, oder durch ein Assessors nicht kaschieren oder abdecken, sodass er aus deinem Blickfeld verschwindet, dann ist es so. Vielleicht macht es dann Sinn, nicht ständig drauf zu schauen oder Dich in Achtsamkeit zu üben und die Dinge einfach nur wahrzunehmen, ohne zu bewerten. Da ist ein Fleck, der ist da. Da sind 99 Prozent eines Sofas ohne Flecken. Das ist, was jeder wahrnehmen kann, ohne eine Bewertung darüber abzugeben.

A


x 4





App im Playstore