Zitat von Hallo2020:es ist so, als würde ich gegen meinen eigenen Verstand kämpfen der mir immer und immer wieder sagt, dass ich das auf keinen Fall verzeihen kann und das obwohl meine Seele damit Frieden finden will.
Verstand und Seele werden gerne getrennt kategorisiert, doch beides ist lediglich der menschliche Geist. Ein gefühlter Widerspruch (zweier Parteien) ist nur ein Gefühlskonflikt, eine Reibung zweier oder mehrerer Bewertungen, die mit - in diesem Fall unangenehmen - Gefühlen einhergehen.
Wenn die Bewertung unverzeilich auf die Bewertung unfriedlich stößt, kommt es zu diesem Konflikt.
Ich sehe es ähnlich wie Du: das mittelbare (ersichtliche) Hauptproblem ist der Stolz. Aber aus meiner Erfahrung hat kein wirklich stolzer Mensch ein Problem damit, stolz zu sein, sondern damit, dass der Stolz verletzt wird. Man steht also zu einer Eigenart, die einen gleichzeitig dafür prädisponiert, angreifbar bzw. verletzbar zu sein.
Was könnte dahinter stehen? Wie entsteht Stolz und warum?
Stolz wird allgemein negativ bewertet. Gemeint ist damit schlicht ein übersteigertes (unangemessenes?) Selbstwertgefühl. Wir fühlen uns über alle Maßen wertig. Wer legt den Maßstab fest, was ist angemessen, was nicht?
Wenn wir uns das Gegenteil anschauen neigen wir dazu, ein geringes Selbstwertgefühl prinzipiell als unzutreffend zu bezeichnen: Jeder Mensch ist gleich wertvoll! sagt uns jeder Therapeut und Psychoratgeber. Aha! Aber zuviel Wert darf´s dann also auch nicht sein...!? . Wo ist also dieser gleiche Mittelwert?
Im therapeutischen Kontext würde der Mediziner wohl sagen, er endet da, wo´s weh tut. Also, sobald ich Probleme mit geringem oder hohem SW-Gefühl habe, wird´s pathologisch. Nun, wie justiert man aber dann diesen subjektiv empfundenen Level?
Ich persönlich glaube nicht, dass eine willkürliche Justage möglich ist, weder durch einen Außenstehenden noch durch mich selber. Nein, mir erscheint es weitaus sinnvoller, das Wertprinzip Selbst selbst in Frage zu stellen. Wer das Selbst auf Herz und Nieren untersucht, wird feststellen, dass überhaupt kein Wert festzumachen ist. Das erlebte Ich ist jedoch deswegen nicht wertlos (von nichts wert), sondern wertfrei (von jenseits von Wert).
Was sich etwas kryptisch anhört, wird greifbar, wenn man es an einem Beispiel erläutert. Nimm eine Unze Gold - die ist derzeit um die 1700,- Euro wert, 1979 hingegen nur 550,- DM. Hat diese Wert(=Preis)entwicklung an dem wahren Faktum der Goldmünze selbst irgendwas geändert? Natürlich nicht. Was Gold überhaupt ist und bedeutet ist übrigens ebenfalls Auslegungssache. Man kann diese grundsätzliche Betrachtung mit jedem physischen und psychischem Phänomen anstellen und kommt immer letztlich zu dem Schluss, dass es nicht möglich ist, eine zutreffende Bewertung abzugeben, außer vielleicht, dass jegliches Phänomen bedingt entstanden (in Abhängigkeit von Ursache) und vergänglich ist.
Derlei Überlegungen sollten langfristig dazu führen, dass sowohl Stolz als auch Minderwertigkeitsgefühle aufhören. Einsicht in das oben Gesagte justiert demnach keinen Wert sondern beendet die einen Wert postulierende Verblendung. Sie hebt die Ursache auf, anstatt dem Symptom (Stolz etc.) zu folgen...
01.08.2022 08:35 • x 3 #21