Zitat von kein Wind:Hallo Sari,
sorry, aber ich finde Deine Sichtweise schon ein wenig seltsam und zu einfach.
Meine Großeltern (*1901 und 1903) haben als Erwachsene, meine Eltern (*1933 und 1936) als Kinder den Krieg erlebt. Sie waren sicher alle traumatisiert, waren allerdings keinesfalls neidisch auf andere oder Ähnliches.
Die Kindheit meiner Mutter war trotz der Geschehnisse von Liebe und Fürsorge geprägt, weil meine Großeltern mütterlicherseits halt liebevolle Menschen waren. Die Kindheit meines Vaters war völlig desolat, was aber daran lag, dass seine Eltern einfach nur grottenschlechte Eltern waren.
Meine Mutter war eine gute Ein-Kind - Mutter, will sagen, sie hat ihr erstgeborenes Kind wie eine Löwin beschützt und geliebt, das zweite (das war ich ) musste selbst klarkommen. Mein Vater war herrisch, cholerisch und hatte immer Recht, wenn man allerdings Hilfe brauchte, war er immer da. Schläge gab es von Beiden, je nachdem, wie sie gerade drauf waren.
Ich, Jahrgang 1960, habe zwei Töchter (*1981), die - wie mir immer wieder von ihnen bestätigt wurde und wird - liebevoll aufgewachsen sind. Auch haben mein Mann, der im Übrigen eine mehr als besch... Kindheit hatte, im Laufe unserer gemeinsamen Jahre einige Kinder mit betreut, die alle gerne bei uns waren.
Meine eine Tochter ist seit knapp vier Jahren selbst Mutter, und unser Enkel ist ein fröhlicher und gesunder Bengel.
Du siehst also, es mag bei vielen einen schlechten Start gegeben haben oder geben, schlußendlich sind wir aber Menschen, die auch für sich selbst die Verantwortung übernehmen müssen. Wenn mein Mann bzw. ich mit Schlägen und/oder Ignoranz erzogen wurden, bedeutet das noch lange nicht, dass wir dies an unsere Kinder und Kindeskinder weitergeben müssen.
Mir war sehr wohl immer bewußt, dass ich es selbst besser machen wollte, als meine Eltern es konnten.
Im Übrigen halte ich die Menschen heute nicht für egoistischer als früher, es gibt immer die einen und die anderen. Auch ist es nicht selten entscheidend, wie man selbst auf andere zugeht.
Wenn ich alleine das Heer der Ehrenamtlichen - auch dieses Forum hier ist seit seiner Gründung ein Beispiel dafür - sehe, spricht das sehr gegen die These, dass es so viele Egoisten gibt. Es gibt im Grossen und im Kleinen viele Menschen, die ganz leise viel für andere tun, nur hört und liest man darüber leider nichts - wie auch Gargamel schon schrieb.
Dass es im Umgang miteinander - wenn es um allgemeine Höflichkeit geht - roher geworden ist, möchte ich nicht bezweifeln. Es ist aber immer an einem selbst, dies in seinem eigenen Umfeld zu ändern und es besser zu machen.
Meine Erfahrung jedenfalls ist, dass die meisten Menschen sehr dankbar für Zuwendung gleich welcher Art sind, und mir meine Zeit einfach zu schade ist, mich mit den anderen zu befassen - geschweige denn, mich über sie aufzuregen
Lieben Gruss
kein Wind
Hallo kein Wind!
Ich bewundere, dass du positiv eingestellt bist und dich im Leben nicht unterkriegen lässt. Auch, dass du und deine Eltern trotz eines nicht leichten Starts das beste aus eurem Leben macht und dass du liebevoll mit deinen Kindern umgehst. Das alles sind gute Eigenschaften.
Ich meinte mit dem was ich schrieb nicht, dass jeder heutzutage krank ist hier in Deutschland, weil hier mal der Krieg war. Ich meine aber, dass die meisten Menschen, die Folgen davon in sich tragen und da sind nun einmal einige mehr und einige weniger betroffen.
Ich denke ganz sicher, dass jeder Mensch nur ein gewisses Potenzial hat, die Dinge besser zu machen als seine Eltern. Auch wenn du heute denkst, dass du deine eigene Kindheit, in der es Schläge gab (auch wenn diese selten gewesen sein sollten), ohne Schaden, bzw. große Folgen, überstanden hast, denke ich nicht, dass dem so ist. Du hast deine eigenen Erfahrungen gemacht und diese werden auch deine Kinder beeinflussen. Das hat nichts damit zutun, ob sie heute glückliche Enkelkinder haben oder - wie du sagst - ihre Kindheit als supertoll in Erinnerung haben. Dein Verhalten, deine Sichtweisen und Lebensphilosophie- alles ein Resultat aus deiner Kindeheit, deiner Vergangenheit, deinen Erlebnissen. Selbst, wenn du sagst ich mache es genau andersherum wie meine Eltern ist das eine Einstellung, die aus deinen Erfahrungen resultiert und somit wird alles was du erlebt hast, in irgendeiner Form auf sie Einfluss nehmen und wenn du einen Mangel hattest, wird dieser auch auf sie Einfluss nehmen, in welcher Form oder Ausprägung ist dabei egal.
Ich denke auch, dass das grundsätzlich nicht als Maß gesehen werden kann, wenn jemand bestätigt, wie gut es ihm geht, denn sehr oft ist das auch eine Schutzbehauptung. Besonders die Narzissten, also die Egoisten, von denen ich spreche, betonen doch immer wieder wie gut alles ist und immer sind die anderen Schuld. Die spalten die traumatischen Erlebnisse einfach von ihrer Persönlichkeit ab oder schieben sie auf andere. (Auch Menschen ohne Persönlichkeitsstörung haben ihre eigenen Schutzmechanismen).
Da schaut man evtl. ungern in seine eigene Seele und versucht zu kompensieren, wie z.B. mit einer guten Arbeit, wo es Annerkennung gibt. Mit guter Leistung holen sie sich dann mal eben Bestätigung (Liebe) um den eigenen Liebesmangel nicht zu spüren. Da wachsen viele dann über sich hinaus und leisten Arbeit im Ehrenamt, Mütter erwarten Anerkennung von ihren Kindern, dafür opfern sie sich dann auf, alles um Lob zu bekommen, von dem sie so abhängig sind. Das nennen viele dann Liebe- ihre Aufopferung- und so mag es auch von aussen den Eindruck erwecken. Ist es aber nicht. Es ist der pure Egoismus.
Dann gibt es die Menschen, die in der Kindheit geschlagen wurden und die ihr Leben lang mit dem Gefühl schuldig zu sein, durch die Welt laufen, denn wenn ein Kind geschlagen wird, denkt es es muss meine Schuld sein. Ein Kind muss so denken, denn es ist auf die Eltern angewiesen. Es würde nicht denken Es ist die Schuld meiner Eltern, denn die Eltern sichern ihm das Überleben. Ein Kind ist abhängig und muss die Eltern idealisieren.
Diese Kinder, die ihr Trauma nicht bearbeiten, suchen sich dann Partner, die sie schlecht behandeln, denn ganz tief drinnen ist es ja noch gespeichert Ich bin nicht gut. Diese Menschen denken dann, so eine destruktive Beziehung ist normal und finden gegenüber anderen viele Ausreden und Entschuldigungen für ihren Partner. Auch diese Menschen reden sich ein Alles ist gut, ich habe keine Probleme, denn auch hier ist das ein Schutzmechanismus. Man rechtfertigt die Dinge lieber so wie sie sind, anstatt sich das ganze Leid einzugestehen und seine eigenen Verletzungen zu sehen.
Es gibt tausende Möglichkeiten solche Defizite zu kompensieren. Die einen essen und sind deshalb übergewichtig, so wird der Seelenschmerz auf den Körper übertragen um ihn nicht zu fühlen.
Die anderen hungern, wieder andere sind sportsüchtig oder opfern sich auf und arbeiten hart um zu spüren, dass sie gebraucht werden. Das alles sind doch gesellschaftlich akzeptierte Dinge, die sofern sie nicht exzessiv betrieben werden, so schnell niemanden auffallen. Und so vererbt sich dann das Trama weiter. Man sagt übrigens, dass es etwa fünf Generationen dauert, bis eine Nation das Trauma des Krieges verarbeitet hat.
Noch einmal zusammengefasst:
Es gibt z.B. Co-Abhängigkeit, Narzissmus, Borderliner, Soziopathen, die sich alle mehr oder weniger egoistisch verhalten, oft im Alltag nicht auffallen oder zu spät und einige dieser Gruppen haben eben gemeinsam, dass sie ihr Trauma leugnen, andere fertig machen um selbst nicht zu leiden. Gehen wir davon aus, dass es viele Kinder gab, die im Krieg von ihren Eltern keine Liebe bekamen, weil die Eltern schwer traumatisiert waren. Gehen wir davon aus, ein Teil von ihnen leidet unter so einer Persönlichkeitsstörung (und diese sind nicht selten), dann liegt es doch auf der Hand, dass auch diese persönlichkeitsgestörten Kinder ihre eigenen Kinder nicht gut genug behandeln können, wodurch diese wiederum einen Schaden davontragen und so weiter und so fort.