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@Vreni1976
Ich denke, wenn man ständig unzufrieden ist, obwohl es einem eigentlich an nix mangelt, dann hat die Unzufriedenheit Methode. Sie ist dann eher zwanghaft und erfüllt dergestalt ihren Zweck: Man ist erst zufrieden, wenn man unzufrieden ist...

Chronische Unzufriedenheit ist eine Lebenseinstellung, wage ich zu behaupten. Jede Einstellung zum Leben hat man selbst geschaffen. Dafür hat jeder seine individuellen Gründe, aber den Wenigsten sind diese bewusst.

Oberflächlich benutzte Gründe sind eben die oben Genannten: Familie, Beruf, Freunde oder auch der Staat, die Steuern, die Gesellschaft usw.

Zitat von Vreni1976:
Über meine Kindheit kann ich dir verraten, dass sie nicht glücklich war. Ich habe viel Schlimmes erlebt, aber ich sage mir, dass das ein Teil meiner Vergangenheit ist und ich damit abgeschlossen habe. Nun lebe ich im Hier und Jetzt.

Zitat von Vreni1976:
Meine Eltern waren übrigens auch ständig unzufrieden und haben sich über alle möglichen Dinge beschwert. Sie hatten auch enorm hohe Erwartungen an mich, an andere Menschen und Dinge in ihrem Leben.

Auch Kindheit und Elternhaus werden gerne als objektiv erkennbare Ursache genannt, aber so richtig weiter bringt uns diese Adresse letztendlich auch nicht.
Man kann zwar aufhören, über seine Kindheit nachzudenken und/oder den Eltern im Nachhinein die Verantwortung zuzuschieben, aber wir können niemals unsere Herkunft neutralisieren. Durch diese karmische Brille müssen wir letztendlich schauen aber die Entscheidung was wir anschauen, liegt bei uns.

Es könnte helfen sich klarzumachen, dass Unzufriedenheit zumindest einen Zweck erfüllt. Sie ist die Antwort auf eine missliche Lage. Diese Lage hat immer drei wechselwirkende Aspekte: Dich, das Erlebte und der etablierte Bezugsrahmen.

Erst der Bezugsrahmen ermöglicht es, sich mit der Welt im Einklang oder in Dissonanz zu erleben. Wenn der Bezugsrahmen z. B. mit beinhaltet, dass unser Leben, (und damit meinen wir eigentlich uns selber) glücklich bzw. erfolgreich zu sein hat, dann ist alles, was nicht unserer (ebenfalls etablierten) Definition von Glück und Erfolg entspricht, negativ: fehlendes Glück bedeutet Unglück/Pech, fehlender Erfolg bedeutet Misserfolg/Versagen. Daraus folgt: es gibt kein Weder-Noch und kein Sowohl-als-auch, keinen Neutralbereich.

Das führt im praktischen Alltag ebenfalls zu zwei Wahrnehmungsmodi: gut und schlecht bzw. mag ich und mag ich nicht. Diese beiden Modi werden im Laufe des Lebens immer schärfer in ihrer Abtrennung.

Nun bringt es das menschliche Dasein so mit sich, dass tendenziell ab einem gewissen Alter vieles eher abbaut statt aufbaut: Körper, Nerven, Lebenszeit, Phasen der Ausgelassenheit, Unendlichkeitsgefühle usw. Die Boten unserer Endlichkeit schauen öfter als bisher üblich vorbei. Manchmal bleibt der ein oder andere dauerhaft bei uns...

Hätten wir uns im Laufe der letzten Jahrzehnte diesen Neutralbereich in unserem Bewertungsschema mit aufgebaut bzw. erhalten, könnten wir mit der nun immer mehr zu Tage tretenden Ambivalenz wohl deutlich besser umgehen.

Das ist eine Aufgabe, die unser Alter mit sich bringt. Viele scheuen sich davor. Aber man kann daraus sehr viel über bisherige Fehleinschätzungen (dem Leben und Sterben gegenüber) lernen. Wer diese Herausforderung annimmt, beginnt ein neues, anderes Leben - ohne den offiziellen Alltag groß verändern zu müssen.

@moo

Toller Beitrag, moo.
Viel Wahres dran!

Ich finde das Thema einfach schwierig, weil die Bandbreite der persönlichen Unzufriedenheit schwer zu messen und einzuschätzen ist.

Bei einigen kann eine dauerhafte und extreme Unzufriedenheit mit dem Leben ja schon eine Depression darstellen.
Bei anderen kann es dagegen einfach banales Jammern auf hohem Niveau sein.
Vermutlich kann keiner hier von Weitem nur annähernd einschätzen, auf wen was eher zutrifft. Das ist ja schon im Alltag schwer bei engen Freunden - selbst da tun sich nach Jahren immer wieder Abgründe auf, die man so nicht erwartet hätte.

Mir schwirren zudem bei dem Thema immer einige Fragen und Gedanken durch den Kopf.
Ist es verwerflich, wenn jemand eigentlich auf dem Papier alles hat und dann z.B. über seinen langweiligen Job jammert und immer wieder betont, wie unzufrieden er damit ist, während viele andere froh sind, dass sie überhaupt einen Job haben und (einfach gesagt) Mülltonnen ausleeren oder an der Kasse im Supermarkt sitzen (soll nicht abwertend sein!)?
Ist es verwerflich, wenn jemand Familie mit Partner und Kinder hat, gleichzeitig aber ständig jammert, dass das nur purer Stress ist, während viele andere ihr Leben lang niemals Kinder haben werden, obwohl sie es sich so wünschen (manche finden ja nicht einmal einen Partner)?
Sind wir manchmal vielleicht zu gesättigt durch unseren Wohlstand/unser Glück/unser eigentlich gutes Leben? Ergibt sich vielleicht erst durch diese Sättigung diese Unzufriedenheit? Denkt mal zurück, wie man sich manchmal fühlt, wenn man (körperlich) krank ist (Grippe etc) oder die Kinder krank sind und man sich Sorgen um diese macht?
Fühlen wir uns in diesen Phasen auch unzufrieden? Ich stelle in solchen Situationen immer wieder fest, dass ich dann sozusagen geerdet werde und alles anders ist.

Vielleicht täusche ich mich, aber in Bezug auf Herumjammern (über Politik, Steuern usw) stellte ich im Bekanntenkreis eher fest, dass es die tun, die eigentlich nicht jammern müssten und denen es in den bestimmten Bereichen sehr gut geht.

Sind nur so Gedanken....

Dauerhafte Unzufriedenheit mag sicherlich aus mancher Sicht nicht im Verhältnis stehen zu dem, was man wirklich hat oder nicht hat, aber letztendlich ist und bleibt es ein Leiden, sofern es nicht weggeht. Vielleicht kann es helfen, intensiv an seiner Einstellung zu allem zu arbeiten (vielleicht hilft auch ein Urlaub in einem Entwicklungsland, in dem man massiv geerdet wird). Oder aber man findet eine Leidenschaft, die dem Leben mehr Sinn gibt?
Ich bin ja selbst glaube ich noch auf der Suche (wobei ich nicht genau sagen kann, wie viel meine Erkrankung ausmacht oder einfach meine Einstellung).

A


Unzufriedenheit macht mir das Leben schwer

x 3


@SteveRogers

Auch für Deine Beiträge ein herzliches _()_. Mir geht das Thema seit gestern nicht mehr aus dem Kopf, denn mit Unzufriedenheit habe ich seit einiger Zeit auch zu tun.

Ein zusätzlicher Aspekt fiel mir heute morgen ein, als ich um 4.45h mal wieder vom seit 3 Wochen defekten Auspuff der Zeitungsausfahrerin geweckt wurde (trotz Ohrenstöpsel): oft entsteht die Unzufriedenheit erst dann so richtig, wenn wir uns über unsere Taten- bzw. Sprachlosigkeit ärgern!

In der Corona-Zeit schwoll mir z. B. sehr lange der Kamm, bis ich selber aktiv wurde und mich zu Wort meldete, also schlicht und ergreifend das Maul aufmachte. Da ich ungerne unreflektiert über irgendwelche Sachverhalte offiziell Stellung nehme, musste ich mich natürlich vorher eingehend mit der ganzen Thematik befassen, was einiges an Recherche und Literatur bedurfte.
Ich stellte fest, dass im Zuge dieser intensiven Beschäftigung der Ärger etwas nachließ und stattdessen eine gewisse (positive) Lust auf Verteidigung und sogar Angriff erwuchs. Ich hangelte mich quasi aus der Opferrolle raus ans Tageslicht der Inhalte.

Das war für mich extrem lehrreich:

1. Die Unzufriedenheit kann man also auch nutzen. Wir müssen allerdings wirklich unterscheiden, wie angemessen sie inhaltlich ist.

2. Ich darf unzufrieden sein! Wenn ich für mich feststelle, dass etwas in Schieflage ist, habe ich das Recht, damit nicht einverstanden zu sein und das auch nicht auf sich beruhen zu lassen. Notfalls muss ich mir Rechtsbeistand holen, notfalls kostet es mich einen gewissen Preis.

3. Seitdem nehme ich fast alle Probleme, die ich früher als zu waghalsig, zu riskant anzugehen einstufte (und in der Folge in der Opferrolle verblieb) als inhaltliche Herausforderung wahr.

4. Ich versuche, mich dabei weitgehend rauszuhalten und stattdessen nüchtern mit der Thematik umzugehen und eine Lösung zu finden. Oft erledigt die finale Entscheidung, wie weiter vorzugehen ist mein Bauchgefühl. Hierzu evtl. auch: beziehungsaengste-bindungsaengste-f64/kann-ich-mich-auf-mein-bauchgefuehl-verlassen-t113712.html

Ich würde sagen, ich bin heute deutlich konflikttüchtiger als noch vor wenigen Jahren. Und in meinem Umfeld geht es mehreren Leuten so. Unserer Gesellschaft wird derzeit von oben eine kürzere Zündschnur zugesagt. Das mag stimmen. Ob das per se negativ ist, wage ich zu bezweifeln.

Zitat von moo:
Ich würde sagen, ich bin heute deutlich konflikttüchtiger als noch vor wenigen Jahren. Und in meinem Umfeld geht es mehreren Leuten so.

Hochinteressant.

Bei mir ist es witzigerweise genau anders herum, was aber auch mit meiner Erkrankung zu tun hat.
Ich war früher sehr oft so, dass ich Konflikten nicht aus dem Weg ging und z.B. fast jeden blöd angemacht habe, der nur seinen Auto-Motor sinnlos laufen ließ.
Heute kann ich das nicht mehr, weil ich meist sofort psychosomatisch meine Quittung bekomme. Ich bin also in der Hinsicht null belastbar.
Ich hätte sogar ein sehr großes Problem, wenn es um eine wichtige, große Sache gehen würde und ich z.B. dafür einen Rechtsstreit angehen müsste. Allein der Gang zum Anwalt samt Aufgreifen des Themas und Öffnen eines riesen Bürokratiekrieges, würde ich mental nicht mehr packen. Ich muss also mittlerweile für mich sehr genau (!) abwägen, welche Konflikte ich einfach gut sein lassen sollte (notfalls auch auf Geld verzichten) und wo es das wert ist, aktiv zu werden (dafür aber wirklich psychisch und auch körperlich leiden zu müssen).
Weitere Beispiele wären z.B. das Herumstreiten bzgl. medizinischer Rechnungen mit meiner privaten Krankenversicherung. Belastet mich unheimlich und daher mache ich das bei kleineren Beträgen oft gar nicht mehr, sondern zahle lieber die paar Euro selbst dafür, dass ich weniger leiden muss.

Zitat von SteveRogers:
Nicht selten ist man in den obigen Punkten nicht 100%ig ehrlich zu sich selbst glaube ich.

Du hast Recht. Ich habe die Tage nachgedacht und festgestellt, dass ich einiges ausgeblendet habe.

Mein Job ist richtig toll und mein Team großartig. Aber ich komme mit meiner Stellvertretung nicht klar. Sie ist sehr unkollegial und handelt nur zu ihrem eigenen Vorteil.

In meinem Freundeskreis gibt es viele nette Menschen. Aber es gibt halt auch ein paar Leute, die sehr egoistisch sind und keine gute Kinderstube genossen haben.

Meine Beziehung war lange von Liebe, Respekt und Wertschätzung geprägt. Mein Partner hat mir lange das Gefühl gegeben, dass er mich so liebt, wie ich bin. Seit einem Jahr haben wir gewisse Probleme. Eine Eigenschaft von mir, mit der er lange normal umgehen konnte, bringt ihn dermaßen auf die Palme, dass er immer wieder ausrastet und seine ganze Wut an mir auslässt. Mir geht es nach seinen Ausrastern richtig schlecht, weil ich mich verletzt und gedemütigt fühle. Er sagt, dass er mir niemals weh tun möchte und ihm diese Eigenschaft von mir manchmal einfach zu viel wird.

Zitat von Vreni1976:
Du hast Recht. Ich habe die Tage nachgedacht und festgestellt, dass ich einiges ausgeblendet habe. Mein Job ist richtig toll und mein Team großartig. Aber ich komme mit meiner Stellvertretung nicht klar. Sie ist sehr unkollegial und handelt nur zu ihrem eigenen Vorteil. In meinem Freundeskreis gibt es viele nette ...

Solche Dinge meine ich.
Ich weiß, dass das jeder hat und nie alles perfekt ist (muss es auch nicht und soll es auch nicht).
Die Summe solcher Kleinigkeiten kann aber vielleicht ein Grund sein, warum man insgesamt nicht so recht zufrieden bist. Die Balance insgesamt im Leben muss einfach passen.
Wenn sich die nervigen Dinge mit den schönen und spaßigen ungefähr ausgleichen/die Waage halten, dann ist alles eigentlich gut. Wenn die negativen Dinge aber über längere Zeit Überhand haben, dann kann das Probleme verursachen innerlich.
Meine Erfahrung ist, dass es die Leute meistens dann umhaut, wenn es gleichzeitig über längere Zeit private und auch berufliche Konflikte/Probleme/Stress gibt, also z.B. Unzufriedenheit und Ärger im Job und dazu z.B. noch eine schwere Erkrankung im Familienkreis oder Beziehungsprobleme. Eine gewisse Zeit und je nach Charakter/Mensch können diese Phasen überstanden und ausgehalten werden. Manchmal ist es aber zu lange und zu anstrengend und dann kommen die ersten Symptome (nicht selten Schlafprobleme, Verspannungen usw). Spätestens wenn diese psychosomatischen Dinge auftreten, sollte man unbedingt aufwachen und was dagegen tun (Therapie überlegen und versuchen, Dinge im Leben zu ändern).

Jeder Fall ist halt absolut individuell, aber manchmal sind da schon eindeutige Muster zu erkennen finde ich.

Bei dir kann es aber z.B. schon reichen, Klartext zu reden mit deinem Partner und mit deiner Arbeitskollegin und auch deinen Freunden. Meine Erfahrung ist, dass Ehrlichkeit und (höfliche!) Aussprache bei Konflikten schon viel hilft. Runterschlucken und einfach aushalten halte ich für den falschen Weg.




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