Keine Angst, nur, weil du hochbegabt bist, heißt das nicht, dass du deswegen perfekt sein musst und nicht abschalten kannst.
Das Abschalten kann man nämlich lernen, genau so wie die Nachsicht.
Meine Eltern haben auch mal einen Test machen lassen vom Schulpsychologen, ob ich überhaupt geeignet bin für's Gymnasium, da wurde mir auch die Hochbegabung bescheinigt.
Jedenfalls ging es mir in meiner Schulzeit ganz oft wie dir. Ich war ruhelos. Ich hab mich auch oft gelangweilt. Ich hab mir selber so einen Druck gemacht wegen den Noten, dass ich irgendwann Nachts nicht mehr schlafen konnte, weil ich solche Angst hatte, am nächsten Tag zu versagen. Ich hab Hilfe bei der Schulpsychologin gesucht und bei Therapeuten -fühlte mich aber unverstanden. Ich kam mir so vor, als würde ich ständig Allen zuhören, aber mir hörte keiner zu. Ausgenutzt, weil ich zu freundlich war. Achja, und wie du ging ich nicht gern auf Parties, also fühlte ich mich sehr oft wie ein Außenseiter. Übrigens, wenn ich nervös bin oder unausgeglichen zupf ich mir noch heute die Lippe blutig -ich merk das gar nicht. Aber mein Gott, das ist halt dann ein Zeichen für mich, mal wieder runter zu kommen.
Es ist übrigens auch typisch für Hochbegabte, dass sie sowohl mit sich selber als auch mit Anderen wenig Geduld haben. Es ist auch typisch, dass Hochbegabte unrealistische Anforderungen an sich selbst und Andere stellen. Hab ich auch gemacht: Ich hab gewollt, dass man mich versteht, obwohl ich nie gesagt hab, wie'S mir geht - Ergo kontne mir keiner helfen, aber ich war trotzdem -allerdings zu Unrecht- enttäuscht.
Wie genau ich damals geschafft hab, das loszuwerden, das weiß ich leider auch nicht so genau. Aber ich denke, der größte Wendepunkt war, dass ich mich in sehr vielen Schulprojekten beteiligt habe. Da wurde meine Arbeit geschätzt, ich hing mehr mit Leuten rum anstatt Daheim vor dem PC zu sitzen und mich einsam zu fühlen. Meine Arbeit wurde anerkannt und respektiert und ich bekam Lob. Und gleichzeitig auch viele liebe Freunde. Da wurde der Druck irgendwie weniger, ich hab mich selber besser leiden können und mich nicht mehr so oft alleine gefühlt. Ich konnte arbeiten, was leisten, Dinge planen und oganisieren und gleichzeitig Leute kennen lernen -perfekt. Meine Freizeit war sinnvoll genutzt. Ich hab vor Allem erkannt: Keiner ist perfekt, auch ich nicht.
Früher fand ich es total assig, dass manche Leute sich jedes Wochenende sinnlos besaufen -heut ist mir das egal, ich kann trotzdem mit den Leuten befreundet sein. Jeder Mensch hat gute und shclechte Seiten, das musste ich lernen. Ich hab damals ein Spiel draus gemacht: Hab mir zu jedem Mitschüler eine gute und eine schlechte Seite ausgedacht, jeden Tag neue. Auch zu mir selber. Da hab ich schnell erkannt, dass wir im Grunde Alle gleich sind.
Ich hab mich aber auch oft ausgenutzt und alleine gefühlt, wie du es auch schreibst. Leider kann ich dir zu dem Thema nur sagen: Man muss sagen, was man will, Andere können deinen Kopf schlecht aufschrauben und reinschauen. Ich hab mühsam lernen müssen, Andere auch mal anzumotzen, wenn mir was nicht passt, und vor Allem musste ich lernen, Nein zu sagen. Man kann nicht immer für Jeden da sein, das musste ich erst mal lernen. Und dann noch lernen, das zu sagen.. Ebenfalls musste ich lernen, zu sagen, wenn mich was bedrückt. Ich hab so oft meinen Kummer in mich rein gefressen und mich von Anderen im Stich gelassen gefühlt -aber das war dumm, denn meine Freunde konnten ja nicht wissen, wie ich mich fühle, ich hab's ihnen nie gesagt. Und als ich das Alles endlich gelernt hatte, ging's mir besser. Aber das hat auch sehr lang gedauert.
Kannst du das denn Alles schon?
Ich hab das Gefühl, du bist einfach unausgeglichen. Mit dir selber nicht im Reinen, irgendwie. Dir fehlt einfach Beschäftigung, das kenn ich selber. Ich langweile mich schnell, wenn ich nichts Sinnvolles zu tun hab. Ich krieg dann richtige depressive Verstimmungen, wenn ich das Gefühl hab, nichts Sinnvolles zu tun zu haben.
Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass sich das ändern wird, sobald du ins Gymnasium kommst Find ich übrigens gut, dass du das planst!
Ich mach im Moment ein Praktikum bei einer Schulpsychologin, gestern hab ich eine 10te Klasse betreut, Übergangsklasse von Realschule aufs Gymnasium. Die hatten auf der Realschule allesamt super Noten, nur 1er und 2er -und jetzt müssen sie richtig büffeln und pauken und viel mehr Zeit fürs Lernen aufwenden als vorher. Ich denke, das Gymnasium wird dich gut auslasten.
Bis dahin: Such dir was, was dich beschäftigt.
Noch ein neues Hobby, noch mehr Sport vielleicht, Projekte in der Schule. Es gibt so viele günstige und kostenlose Angebote für Schüler und Studenten, da wird auch für dich was dabei sein, da bin ich mir ganz sicher. Such dir was für die Freizeit. Je mehr ein Mensch zu tun hat, je mehr er seinen Kopf beschäftigen kann, desto besser. Desto weniger anfällig ist man für dumme Gedanken. Das gilt für Menschen jeden Alters, besonders aber für junge. Wir ham halt Hummeln im Hintern, wir wollen was bewegen und verändern! Wenn wir dann den ganzen Tag bloß rumhocken und nichts zu tun haben, das tut uns einfach nicht gut.
Du könntest dich auch mal bei der Uni erkundigen, es gibt oft Angebote für Jugendliche zur Forschung. Das ist halt dann auf sehr hohem Niveau, aber das könntest du trotzdem gut schaffen. Eine Mitschülerin von mir, die hatte einmal die Woche frei, da ist sie dann an die Uni gefahren und hat im Chemielabor was gemacht. Es gibt auch diese Wettbewerbe in jedem Bundesland.. Physik und Mathe meistens. Die Aufgaben sind sehr knifflig, da sitzt man oft tagelang dran. Wenn du in dem Bereich begabt bist -hak mal nach.
Leider bekommen Lehrer an der Uni nichts erzählt über Hochbegabung und die verschiedenen Tests die man machen kann, daher wundert es mich nicht, dass deine Mathelehrerin dir nicht hilft -sie weiß einfach nicht, wie. Da könntest du höchstens mal zur Schulpsychologin gehen, aber leider gibt es die nur an Gymnasien als Ansprechpartner. Bei Realschulen muss sich meistens ein Psychologe um 5 Schulen kümmern. Da müsstest du erst mal heraus finden, wer das ist, die könnte dir bestimmt Vieles zum Thema Hochbegabung erzählen. Aber ich frag am Montag einfach nochmal meine Betreuerin, wir haben da eh ein langes Gespräch, da hak ich mal nach für dich, was man in deinem Fall speziell machen kann.
Wobei ich denke, dass es auf Förderung und mehr Beschäftigung hinaus laufen muss. Hochbegabte Kinder wollen ihre Freizeit viel intensiver nutzen als andere Kinder, sie wollen auch in der Freizeit lernen. Ich hab das damals nicht gewusst, aber von selber gemacht. Ich hab mich unglaublich für Biologie und Geschichte interessiert, und wir hatten Premiere mit einem History Channel und einem Animal Channel. Da hab ich mich jeden Tag hingehockt mit Block und Stift und Alles Wissenswerte notiert. Später konnte ich das in Referaten verwenden und zusammen tragen -sehr interessant und spannend fand ich das.
Was mir auch einfällt: Wenn du eh bald aufs Gymnasium wechseln willst, dann erkundige dich doch mal nach dem Lernstoff dort. Vielleicht macht es dir Spaß, schon mal vorzulernen.
Auf alle Fälle denke ich, dass du davon profitieren würdest, sowohl geistig als auch körperlich mehr ausgelastet zu sein.
Und zum Schluss nochmal: Du musst nicht perfekt sein.
Wenn du das von dir verlangst, wird es dir automatisch schlecht gehen.
Denn du kannst die Ansprüche, die du an dich selber stellst, nicht halten.
Ganz einfach, weil du nicht perfekt bist.
Keiner ist perfekt. Du bist intelligent und kannst viel leisten -aber ansonsten bist du ein Mensch mit Fehlern und Schwächen wie alle Anderen auch
Liebe Grüße,
Bianca
15.01.2010 12:26 •
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