Ende März letzten Jahres ist meine Mama an ihrem Brustkrebs verstorben. Sie war zu Hause und ich und mein Bruder waren bei ihr. Erst seit ein paar Wochen fange ich an zu realisieren, dass der wichtigste Mensch in meinem Leben, der immer für mich da war und mir immer zugehört hat, mir seine Liebe in so vielen kleinen Gesten gezeigt hat, nicht mehr da ist. Irgendwie war ich seit dem Spätsommer 2014, als der Krebs bei meiner Mutter sich wieder mit Hirn- und Lungenmetastasen zurückgemeldet hatte, gar nicht mehr wirklich vorhanden. Wenn ich nachts nicht einschlafen kann, kommen die Erinnerungsbilder: Meine Mama, wie Sie das Essen eingestellt hat, als die Ärzte ihr erklärt hatten, dass die Chemotherapie keinen Sinn mehr macht, wie tapfer sie alles angenommen hat, wie die Ganzhirnbestrahlung und die Chemotherapie sie fertiggemacht haben, unser letztes gemeinsames Weihnachten, das aber nicht so harmonisch verlief, wie ich es uns allen, meiner Mama, meinem Bruder und mir gewünscht hätte, weil die Verzweiflung und die Anspannung bei meinem Bruder und mir so groß war. Die schrecklichen Konflikte mit meinem Bruder, der mich in der Zeit, als er die Generalvollmacht hatte, total schikaniert hat, ihre Tränen und ihre Verzweiflung, weil es keine Hilfe mehr gab und meine Unfähigkeit so für sie da zu sein, wie ich so gern dagewesen wäre: Stark und belastbar. Ich habe Gott um Heilung für meine Mama gebeten, jeden Tag habe ich geweint und ihn angefleht.
Aber vergeblich. Alles war wie ein böser Traum, aus dem ich monatelang nicht erwachen konnte. Ich schaffe es auch nicht, alles im Zusammenhang zu erzählen, weil die Erinnerungsbilder - in den ersten Nächten danach habe ich ständig ihr Stöhnen im Ohr gehabt und musste jedesmal weinen - noch so nah waren. Selbst jetzt, wenn ich schreibe, muss ich ständig weinen. Die ersten Wochen danach stand ich total unter Schock.
Das enge Verhältnis zu meiner Mama rührt auch daher, dass ich mit einem angeborenen Herzfehler auf die Welt gekommen bin und von allem Anfang an ein sehr verletzliches und später auch oft verletztes und seelisch verwundetes Kind war, das viel Zuwendung und Einfühlsamkeit gebraucht hat. Ich hatte ein sehr schwieriges Verhältnis mit meinem Vater, weil der mit meiner Sensibilität schwer zurecht kam. Gleichwohl war mein Vater wie der große Weltenbaum, der dann durch seinen Bauchspeicheldrüsenkrebs blitzartig gefällt wurde. Da war so viel Leid in meinem Leben, das mich, obwohl ich schon so viel versucht habe, einfach sprachlos macht. Ich weiß einfach noch nicht, wie ich damit fertigwerden soll, wie ich weiterleben soll (das ist nicht als Suiziddrohung gemeint), ich habe mich völlig zurückgezogen.
Obwohl ich früher, als ich noch am Gymnasium gearbeitet habe, einigermaßen gut mit Menschen zurecht gekommen bin, habe ich heute das Problem, dass ich meistens gar nicht weiß, wie ich anfangen soll von mir zu erzählen. Ich hoffe sehr, liebe Administratoren, dass es deshalb nicht schlimm ist, wenn ich erstmal über die Gefühle schreibe, die mich so belasten und die es mir gerade schwer machen, selbst die Reihenfolge: Erst vorstellen, dann schreiben, einzuhalten.
Vielleicht mag ja trotzdem jemand antworten?
01.01.2016 23:11 • • 10.01.2016 x 1 #1