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Hallo cbra

Jupp, wer nicht fragt bleibt dumm, sagt die Maus.

Ich selber habe Dummheit einmal so definiert:
Dummheit ist nicht nichts zu wissen, Dummheit ist nichts wissen zu wollen.
(also nicht zu fragen um Antworten -Wissen- zu bekommen = Dummheit)

Zu Emotionen und Authismus (Aspergersymptomatik):

Natürlich kann ich hierzu nur aus meiner persönlichen Erlebniswelt schreiben.
Bei mir ist die Wahrnehmung besonders ausgeprägt, sowohl in der Intensität,
als auch in den Dingen (Fokus und Selektion) die ich wahrnehme.
Emotionen, die von den Wahrnehmungen oder den normalen Bedürfnissen
und möglichen Sehnsüchten ausgelöst werden, sind ebenfalls verstärkt vor-
handen. Es ist also absolut nicht so wie häufig angenommen, dass der Authist
nichts fühlt (ganz im Gegenteil).
Allerdings fehlt die Fähigkeit (die neuronalen Werkzeuge) um diese Gefühle
in zwischenmenschliche Interaktionen/Handlungen umzusetzen oder anderen
Menschen verstehbar zu vermitteln.
Welche Kommunikationsprobleme (besonders im Beziehungssektor) damit
verbunden sind, lässt sich bestimmt leicht vorstellen. Es ist in etwa so, als ver-
suche man als von Geburt an blinder Mensch mit einem sehenden Menschen
über Farben zu reden. Die Vorstellungen/Erfahrungen/Bilder werden viel zu
unterschiedlich sein, um eine gemeinsame Ebene zu finden.

Liebe Grüsse, Der Beobachter

Hallo lieber Beobachter,

überschätze bitte nicht meine Vorstellungskraft. Ich kann dich ja nur hier im Forum sehen und finde es gar nicht so einfach, das, was du beschreibst, damit in Einklang zu bringen. Hier im Forum kommunizierst du deine Gedanken und Gefühle, du antwortest auf Beiträge, die Interaktion mit den anderen ist vorhanden. Ich gehe also davon aus, dass sich die fehlende Interaktion in der persönlichen Begegnung abspielen muss.

Und versuche mal, es mir vorzustellen: Du findest etwas lustig, was jemand erzählt, lächelst aber nicht? Jemand ruft um Hilfe, und du gehst nicht hin? Ein Kind weint, und du versuchst nicht, es zu trösten? Jemand geht dir auf die Nerven, aber du fährst ihn nicht ärgerlich an? Ein Hund springt schwanzwedelnd an dir hoch, und du kraulst ihn nicht hinter den Ohren? (Macht es einen Unterschied, ob du mit Menschen oder Tieren interagierst?)

Oder bist du auf Grund von besonderer Fokussierung und selektiver Wahrnehmung mit deinen Gedanken und Gefühlen ganz woanders als dein Gegenüber und hörst kaum (zu), was erzählt wird?

Oder: Jemand erzählt dir eine traurige Geschichte, und du lachst, weil sich deine Wahrnehmung auf eine bestimmte lustige Stelle fokussiert?

Und/oder ist die persönliche Begegnung mit deinen lieben (oder auch nicht so lieben) Mitmenschen von vornherein mit Nervosität verbunden, so dass keine unbefangene Kommunikation aufkommen kann?

Das sind mögliche Szenarien, die ich mir zu deiner Erklärung vorstellen kann.

Du schreibst, es fehlt die Fähigkeit, deine Gefühle in Interaktionen/Handlungen umzusetzen - nimmst du denn selber die Gefühle der anderen wahr, auch wenn sie nicht verbalisiert werden?

Oder bin ich auf einem ganz falschen Dampfer, und man merkt dir gar keine Andersartigkeit an, wenn man nur mal nett mit dir plaudert, und die Kommunikationsprobleme machen sich erst bei größerer Nähe oder Tiefe der Beziehung bemerkbar?

Also, du siehst, lässt sich leicht vorstellen ist leicht gesagt, hapert aber - zumindest bei mir - in der Umsetzung doch erheblich.

Liebe Grüße
cbra

A


Sich selbst erfüllende Befürchtungen

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Hallo cbra

Ich merke gerade, dass ich die Sache etwas genauer beschreiben muss.

Kognitive Interaktionen stellen für mich kein Problem dar, im Gegenteil, ich
brauche und suche sogar den Austausch, das Gespräch.
Es betrifft eher den emotionalen Nahbereich. Zusammenarbeit und/oder
Freundschaften sind problemlos möglich, aber ab einer gewissen Beziehungs-
nähe stehen mir keine Verarbeitungsmöglichkeiten mehr zur verfügung. Eine
Zweier- oder Paarbeziehung ist dadurch unmöglich. Zuneigung von einem
anderen Menschen annehmen, oder gar jedweder körperlicher Kontakt, löst
nahezu Todesangst aus und macht mich damit absolut Handlungsunfähig.

Was die veränderte (besser: erweiterte) Wahrnehmung betrifft, so ist es
nicht so, dass ich Situationen ambivalent/umgekehrt wahrnehme und ent-
sprechend falsch darauf reagiere (als z.B. bei traurigen Dinge lache oder
bei lustigen Dingen keinen Humor erkenne etc.). Auch einen lieben Hund
würde ich stundenlang knuddeln, und ein weinendes Kind trösten.
Es ist so, dass ich in den Dingen um mich herum viele zusätzliche Aspekte
wahrnehme, ihnen daher auch oft eine andere Wertigkeit/Wichtigkeit zu-
ordne. In gleichen Situationen nehme ich also oft eine völlig andere Sache
als vordergründig relevant auf, als wie es meine Mitmenschen empfinden.

Das ist aber sehr schwer pauschal zu erklären da es in jedem Einzelfall
natürlich völlig anders ist. Ich kann nur versuchen, es an einem von fast
unendlich vielen möglichen Alltags-Beispielen zu beschreiben:
Wenn ich mit einer Lebensmittelverpackung konfrontiert bin, die sich nur
schwer vernünftig öffnen lässt, dann erlebe ich keinen Ärger über diese
Verpackung, sondern es laufen sofort komplexe Gedankengänge über das
Zustandekommen solcher industriellen Fehlleistungen ab (Warum kann ein
solcher Fehler zustandekommen? Warum wird er nicht sofort korregiert?
Welche arbeitsplatzpolitische und strukturelle Verhältnisse führen zu diesen
Fehlleistungen? etc. ...).
Es gibt dann zwei Möglichkeiten für mich mit dieser Wahrnehmung/Denken
umzugehen:
1. Das Denken nur mit mir selber, also nur in meiner eigenen Welt, zuzulassen.
2. Das Denken mit Menschen zu teilen, und so oftmals Irritationen auszulösen.

Zur letzten Frage mit den Tieren:

Umgang (angstfrei) mit Tieren fällt mir bedeutend leichter als wie mit Menschen.
Die Gründe dafür liegen heute aber auch zunehmend in der Achtung und Wert-
schätzung, die ich Tieren im allgemeinen entgegenbringe, was mir ebenfalls zu-
nehmend bei Menschen (nicht der Einzelne, aber als Art/Lebensform) immer
schwerer fällt.

Ganz liebe Grüsse, Der Beobachter

Hallo lieber Beobachter,

super, vielen Dank, das hilft meinem Verständnis sehr auf die Sprünge .

Zitat von Beobachter:
Wenn ich mit einer Lebensmittelverpackung konfrontiert bin, die sich nur
schwer vernünftig öffnen lässt, dann erlebe ich keinen Ärger über diese
Verpackung, sondern es laufen sofort komplexe Gedankengänge über das
Zustandekommen solcher industriellen Fehlleistungen ab (Warum kann ein
solcher Fehler zustandekommen? Warum wird er nicht sofort korregiert?
Welche arbeitsplatzpolitische und strukturelle Verhältnisse führen zu diesen
Fehlleistungen? etc. ...).

Ach, ich wünschte, es gäbe mehr Führungskräfte, die von solchen komplexen Gedankengängen geplagt werden.


Zitat von Beobachter:
Umgang (angstfrei) mit Tieren fällt mir bedeutend leichter als wie mit Menschen.
Die Gründe dafür liegen heute aber auch zunehmend in der Achtung und Wert-
schätzung, die ich Tieren im allgemeinen entgegenbringe, was mir ebenfalls zu-
nehmend bei Menschen (nicht der Einzelne, aber als Art/Lebensform) immer
schwerer fällt.

Scheint mir sehr verständlich. Auch ich stelle häufig fest, dass die Menschheit bei längerem Hinsehen nicht unbedingt gewinnt und meine Sehnsucht nach einer besseren Welt (sowohl was moralische Qualitäten betrifft als auch nach einer besser funktionierenden Welt mit leicht zu öffnenden Verpackungen) mir manchmal schlechte Laune machen will. (Da solche komplexen Gedankengänge, wie du sie beschreibst, bei mir nicht automatisch ablaufen, beschränkt sich meine spontane Kritik meist auf ein ärgerliches oder trauriges Gefühl und höchstens noch ein bis zwei Verbesserungsvorschläge, die mir in den Sinn kommen.)

Weil ich aber nicht als verbitterte alte Krähe enden möchte, die an allem was zu meckern hat, bin ich stets bemüht, Perfektionismus-Wünschen gar nicht erst großen Raum zu geben. Meine beliebtesten Kurz-Argumente, um ihnen entgegenzuwirken:

1. Bin ja auch nicht perfekt und könnte dem Anspruch, es zu sein, gar nicht entsprechen. Wie gut, dass das in einer nicht perfekten Welt auch nicht von mir gefordert wird.

2. Wir haben auf diesem Planeten nur begrenzte geistige, moralische und materielle Ressourcen zur Verfügung und müssen eben das Beste daraus machen und uns mit der seltsamen und ambivalenten Wesensart, die uns als Menschheit eigen ist, so durchwurschteln. Dafür schlagen wir uns gar nicht sooooo schlecht.

Will damit nicht sagen, dass diese Argumention lückenlos logisch und unwiderlegbar ist, aber sie hilft mir, den perfektionistischen Ball flach zu halten und gelassener mit den Unvollkommenheiten in allen Bereichen umzugehen. (Etwas, das ich bei meiner gegenwärtigen Arbeit im Büro einer dem kapitalistischen Wertesystem zutiefst verschriebenen Versicherungsgesellschaft täglich üben darf.)


Zitat von Beobachter:
Zuneigung von einem
anderen Menschen annehmen, oder gar jedweder körperlicher Kontakt, löst
nahezu Todesangst aus und macht mich damit absolut Handlungsunfähig.

DAS ist gruselig. - Und was sagten all deine (gewesenen) Therapeuten dazu? Ein paar vage Vermutungen zur Ursache und ein schlussendliches Is eben so und liegt wohl am Asperger-Syndrom kann doch wohl nicht alles gewesen sein, was ihnen dazu einfiel?

Wie ist es denn mit professioneller Berührung? Magst du, z.B., Mass.?

(Über eine im weitesten Sinne ähnliche Erfahrung, die ich in der Vergangenheit einmal machen musste, berichte ich ein andermal.)

Liebe Grüße
cbra

Huhu liebe(r) cbra

Vorab: Ich finde den Austausch hier sehr gut.

Ja, vieles von dieser Asperger-Authismus-Symptomatik ist sehr schwer
in verständliche Worte zu fassen. Die Symptomatik selber ist auch bei
vielen Betroffenen sehr unterschiedlich.
Selbst Fachärzte sind oftmals damit überfordert, das liegt aber auch da-
ran, dass sie gerne alles in Schubladen ordnen wollen, was bei dieser
sehr komplexen Symptomatik aber nicht immer möglich ist.
Daher versuche ich es oft mit eher verstehbaren Beispielen/Gleichnisse
zu erklären oder zu beschreiben.

Führungskräfte und der Blick über den Tellerrand:

Ich selber dachte eigentlich auch einmal, dass Rundumblick und Perfekt-
ionszielsetzung beruflich gewünscht und erfolgreich sein müssten.
Dieser Glaube hat sich aber in der Praxis leider als Irrglaube entpuppt.
Denn wer fachlich diese Eigenschaften besitzt, der besitzt sie auch in den
restlichen Persönlichkeits- und Lebensbereichen, und genau das ist heute
oftmals sehr unerwünscht.
Nach drei erlernten Berufen (Elektriker, Metallfacharbeiter und Ausbilder/Er-
zieher) und nach etwa 36 Arbeitsplätzen, die nahezu alle nicht wegen fach-
lichen oder wirtschaftlichen Gründen, sondern wegen zwischenmenschlichen
Unverträglichkeiten ihr Ende gefunden haben, bin ich heute (seit letztem
Jahr) in der EU-Rente (also voll Erwerbsunfähig berentet mit 52 Jahren).

Therapeuten und Berührung:

Fachärzte und Therapeuten sind nach meiner Erfahrung mit dieser Sympto-
matik überfordert. Ich selber habe viele Monate Krankenhaus und genug
Psychologengespräche hinter mir, um diesen Weg als aussichtslos erkannt
zu haben. Therapien befassen sich hauptsächlich mit den menschlichen und
sozialen Beziehungen der Patienten, und wenn man keine hat, dann fehlt
den Fachleuten jedweder Ansatzpunkt (das wird wohl im Studium nicht ver-
mittelt und gelehrt).

Körperliche Berührungen könnte ich heute nicht mehr zulassen, würde dabei
innerlich vor Angst sterben.
Arztbesuche (körperlich) sind einer meiner grössten Alpträume, zum Glück
bleiben sie mir derzeit noch weitgehend erspart.
Mass. wären für mich unvorstellbar, ich gehe seit etwa 15 Jahren noch
nicht einmal mehr zum Frisör, schneide mir die Haare selber.
Trotzdem, und hier liegt eine grosse und schwer zu verstehende Ambivalenz,
gibt es in meinem Innersten eine grosse Sehnsucht nach verbotenen Dingen
wie Liebe, Berührung und Zärtlichkeit.

Der Mensch und die Welt:

Auch dieses Thema hat zwei Seiten, hier treffen sich Anthropologie (Entwick-
lungsgeschichte des Menschen) und Philosophie.
Ohne seine destruktiven Eigenschaften hätte sich der Mensch nicht zu dem
entwickelt was er heute ist, aber gleichzeitig wird er mit genau diesen Eigen-
schaften das Ökosystem des Planeten, und am Ende wohl auch sich selber,
zerstören.
Persönlich betrachte ich die Menschheit (nicht zu verwechseln mit dem ein-
zelen Menschen) heute als eine Art Parasit, also eine Lebensform die alles
ohne Rücksicht auf Erhalt bedenkenlos auffrisst, bis nichts mehr übrig ist.

Ganz liebe Grüsse, Der Beobachter

@ Beobachter:
Fantastisch! ... deine Erklärungen. , danke! Sehr, sehr interessant!
Ich wünschte, die zuständigen Fachmediziner würden sich das mal zu Gemüte führen!


@ Beo cbra:
Macht weiter so!
Ich verfolge euren Dialog sehr interessiert, auch wenn ich nicht immer aufnahmefähig dafür bin und nicht so flink wie cbra ... ich lerne viel daraus!

So, und jetzt lasst euch nicht weiter stören. Ich bin schon wieder weg.

FG
Capri

Hallo lieber Beobachter und Capri! (Nicht sooo flink, wie du siehst – viel zu tun die letzten Tage und gestern zu müde, um noch flink eine Anwort zu schreiben . - Aber auch mir gefällt der Austausch hier gut.)


Zu: Führungskräfte und der Blick über den Tellerrand

Deine Erfahrungen in der Arbeitswelt sind bestimmt interessant. Magst du ein bisschen davon erzählen? Eine Geschichte las ich schon hier im Forum, über den Einsatz in einer Großküche, in der es wohl nur jemandem gefallen hätte, der eine Karriere in der russischen Mafia erwägt

Was genau ist das, was du als unerwünscht erlebt hast?



Therapeuten ...

Und ich dachte, Therapeuten befassen sich mit der menschlichen Psyche und der ihr innewohnenden Logik. Dann sind das ja alles mehr Sozio- als Psychologen?

Wie schon gesagt, meine Psychiaterangst hat mich immer vor einer schulmedizinisch orientierten Therapie bewahrt. Nur einmal hatte ich eine unvermeidliche Begegnung mit einer Psychiaterin, aber wir kamen so schnell darauf, dass wir keine Lust aufeinander haben, dass es zu einer Behandlung nicht kam. („Unvermeidlich“, weil ich damals eine Panikattacke hatte, die ich leider nicht diplomatischerweise als Erkältung tarnte und für mich behielt, sondern am Arbeitsplatz kommunizierte, worauf mein damaliger Chef auf einer psychiatrischen Behandlung mit abschließendem Gutachten bestand, dem zu entnehmen ist, dass ich der Arbeit bei ihm gewachsen bin und eine Krankschreibung aus psychischen Gründen nie wieder vorkommt. Genauer gesagt stellte er mich vor die Wahl: psychiatrisches Gutachten oder Kündigung. So kam es, dass auch mir einmal die Begegnung mit dieser gefürchteten dritten Art nicht erspart blieb. Bisher meine grausigste Erfahrung zum Thema Arbeitsplatz und psychische Probleme.)



... und Berührung

Wer Rainman und Mr. Monk aus dem Fernsehen kennt, weiß natürlich, dass mit Autismus eine gewisse Berührungsscheu einhergeht. (Mr. Monk war allerdings mal verheiratet...)

Kannst du denn erkennen, ob die Angst physisch oder psychisch begründet ist? Ich meine: Ist es eine taktile Überempfindlichkeit, so dass Berührung mit physischen Schmerzen und Unannehmlichkeiten verbunden ist? Oder ist es ein inneres, seelisches Sträuben dagegen, von anderen angefasst zu werden?

Du schreibst, du könntest es „heute nicht mehr zulassen“, dass dich andere berühren – heißt das, es war auch schonmal anders und ist mit der Zeit schlimmer geworden?

Traditionell wird das Auslösen von Todesängsten bei Berührung ja schnell mit sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung assoziiert –
als psycho-logische Reaktion darauf. Irgendwelche Hinweise darauf, dass solche Ursachen bei dir vorliegen könnten?

Du hast einmal von emotionalem Missbrauch in deiner Kindheit erzählt – wie genau sah das denn aus?


Wie bereits angedeutet, litt ich selbst auch schon einmal unter Berührungsängsten (fast 20 Jahre her). Das hatte aber weder mit meiner Hirnstruktur noch mit scheußlichen Erfahrungen zu tun, sondern war wohl nur eine Reaktion auf meine damalige Situation – ich hatte gerade eine psychisch schwere Zeit, und es war mir unangenehm, wenn mir jemand nahe kam. Nach dem Motto: „Ich komm ja schon mit mir selbst nicht klar, dann jetzt gerade schon gar nicht mit anderen. Bleibt mir vom Leib!“ Was sich eben unter anderem auch darin äußerte, dass ich selbst in alltäglichen Situationen zurückschreckte, wenn mich andere – absichtlich oder auch nur zufällig – berührten, und von einem „nix wie weg“-Gefühl gepackt wurde.

Es verging mit der Zeit: Als sich meine psychische Situation stabilisiert hatte, war auch der Spuk mit der Berührungsangst wieder vorbei. Daher die Vermutung, dass es lediglich ein „Begleitsymptom“ meiner allgemeinen Verfassung war.

Soviel für heute, ich freue mich auf weitere Antworten.

Liebe Grüße
cbra (weiblich, 48)

Huhu cbra

Erst einmal mein Entsetzen und Mitgefühl für deine Erfahrung am
Arbeitsplatz.
Ein psychiatrisch-medizinisches Gutachten, welches zukünftige Aus-
fallerscheinungen ausschliessen soll, hat man bei mir noch nicht ver-
langt.
Das ist auch leider noch etwas typisch deutsches, denn hier gehören
psychische Erkrankungen immer noch zu den suspekten Dingen, die
man nicht in seinem Umfeld (oder Arbeitsplatz) haben möchte.

Bei mir traten die krankheitsbedingten Arbeitsplatzprobleme weniger
bei der Arbeit als solches, sondern vielmehr in den Pausen (also den
eher privaten Austauschsituationen) zutage.
Die Interessen/Themen und das Kommunikationsverhalten sind eben
zu unterschiedlich, das lässt sich bei 8 Stunden täglicher Begegnung
nicht langfristig überspielen oder verbergen. Man fällt als irgendwie
anders auf, und das Andersartige ist den Leuten nicht geheuer und
muss weg.
In einigen Firmen habe ich sogar nach wenigen Monaten relativ hohe,
gesetzlich nicht vorgeschriebene Abfindungen bekommen, wenn ich da-
für die (arbeits- oder betriebsbedingt nicht erklärbare) Kündigung akzep-
tiert habe. Zuletzt wurde ich dann sogar aus einem 1-Euro-Job gefeuert,
mit dem Satz/Begründung. Du warst ja schon einmal in der Klappsmühle,
und so etwas wollen wir hier nicht haben (Der Fall ist amtlich und polizei-
lich Aktenkundig da ich natürlich Strafanzeige gestellt habe). Nach diesem
Erlebnis (war vor 2 Jahen) habe ich dann aufgegeben und die EU-Rente
beantragt.

Rainman und Mr. Monk sind übrigens sehr gute Beispiele für die unter-
schiedlichen Ursachen bei fast gleicher späteren Asperger-Symtomatik.
Bei Rainman war die Symtomatik genetisch vorgegeben, also angeboren.
Bei Mr. Monk hat sich die Symptomatik durch den Tod seiner Frau (Atten-
tat welches er nicht verhindern konnte) erst später (reaktiv) entwickelt.

Im Film oder in TV-Serien finden die Betroffenen Menschen natürlich immer
eine (wenn auch manchmal zähneknirschende) soziale Akzeptanz und
einen geduldigen und verständnisvollen Psychiater. Das ist so aber leider
in der gelebten Realität nicht immer der Fall.

Noch etwas zu den Berührungen (auch emotionale Nähe und/oder Sex):

Das Verbot und die Unmöglichkeit sind auf jeden Fall absolut psychisch
bedingt, keinesfalls körperlich (physisch / taktile Überempfindlichkeit etc.).

Früher konnte ich normale Berührungen auch noch ganz normal zulassen,
zuletzt sogar noch vor etwa 10 Jahren im Krankenhaus (Ergotherapie mit
Berührung aber auch privates in den Arm nehmen).
Ich denke, es hat heute auch etwas mit dem nicht mehr gewohnt sein
zu tun, Berührungen werden mir immer fremder und daher wohl auch zu-
nehmend verbots- und angstbesetzter.

Missbrauchserlebnis:

Mein Missbrauchserlebnis war nicht körperlicher (sexueller) Natur, sondern
auf der psychischen Ebene.
Während der Trennung meiner Eltern (2 Jahre Scheidungskrieg, ich war da-
mals 8-9 Jahre alt) wurde ich von meiner Mutter als Waffe gegen meinen
Vater (ihren Ex-Mann) verwendet. Ich habe damals mit einem Tonbandge-
rät heimlich Beweisaufnahmen von Streitgesprächen für das gerichtliche
Scheidungsverfahren machen müssen. Habe auch alle Schriftstücke für das
Verfahren für meine Mutter (sie kann nicht lesen/schreiben da sie wegen
der Nachkriegszeit -Flüchtlingsfrau- keine Schule besucht hatte) damals auf
einer Schreibmaschine tippen müssen (sie hat hysterisch schreiend diktiert
und ich zitternd getippt). Das Ganze ging mehr als zwei Jahre lang so.
Nach der Trennung hat sie wohl ihren Hass auf ihren Ex-Mann (meinen Vater)
auf mich übertragen. Ich musste mir bis zum 14 Lebensjahr fast täglich an-
hören, dass ich genetisch krank (von Vater geerbt) und eine Missgeburt
sei. Männer seien auch allgemein alle gestört, und Sex sei das dreckigste
was es auf der Welt gäbe ... etc.
Erst im Alter von 14 Jahren konnte ich diese Frau (Mutter?) mit Hilfe des
Jugendamtes verlassen und mich diesem, fast täglichem, Terror entziehen.

(Wegen den Bildern im Kopf muss ich hier heute erst einmal aufhören zu
schreiben, weil, sonst zuviel Gedankendrehen)

Ich freue mich für dich, dass du deine (wahrscheinlich reaktiven) Berührungs-
ängste erfolgreich aufgearbeitet und besiegt hast.

Bis bald und ganz liebe Grüsse und ein schönes Wochenende, Der Beobachter

Hallo lieber Beobachter,

Ein psychiatrisch-medizinisches Gutachten, welches zukünftige Aus-
fallerscheinungen ausschliessen soll, hat man bei mir noch nicht ver-
langt.


Das könnte daran liegen, dass es, nach Aussage der Psychiaterin, ein solches Gutachten nicht gibt. Jedenfalls war ihr niemand bekannt, der sich dazu hinreißen lassen würde, so etwas zu attestieren. Was von meinem Chef schließlich zähneknirschend akzeptiert wurde, und ich durfte mein Glück bei ihm nochmal versuchen. Aber das Vertrauensverhältnis war gestört, wie es so schön heißt: Mein Chef kannte eine fleißige, ausgeglichene und selbstbewusste Mitarbeiterin, und das Bild war unwiederbringlich zerbröselt. Er konnte offenbar nicht dagegen an, mich nicht mehr so recht „für voll“ zu nehmen. Ich hingegen kannte einen Chef, der mir vertraute, meine Ansichten respektierte, meine Beiträge wertschätzte und sich nicht in meine persönlichen Belange mischte - und ich konnte ihm die Nötigung „Gutachten oder Kündigung“ nicht so ganz von Herzen verzeihen. Wir gerieten immer öfter aneinander, und nach wenigen Monaten endete das Arbeitsverhältnis mit einem großen Krach und einer „ordentlichen Kündigung“.

Gelernt habe ich daraus (unter anderem, natürlich): Der Gesetzgeber hatte seine Gründe dafür, mich als Arbeitnehmer davor zu schützen, dem Arbeitgeber über die Natur meiner Krankheiten Rechenschaft geben zu müssen. Ehrlich währt eben doch nicht immer am längsten.
C’est la vie...


In einigen Firmen habe ich sogar nach wenigen Monaten relativ hohe,
gesetzlich nicht vorgeschriebene Abfindungen bekommen, wenn ich da-
für die (arbeits- oder betriebsbedingt nicht erklärbare) Kündigung akzep-
tiert habe.


Das ist das Schöne am kapitalistischen Wertesystem: Manchmal bekommt man die Grausamkeiten, die man erleiden muss, wenigstens gut bezahlt. Trotzdem würde ich mir eine Welt wünschen, in der nicht diejenigen den Kopf gewaschen bekommen, die – auf gewaltfreie Art - ein bisschen anders sind, sondern diejenigen, die dafür sorgen, dass man deshalb keinen Fuß auf den Boden bekommt.


da ich natürlich Strafanzeige gestellt habe

Lass mich raten: Das Verfahren wurde eingestellt? Oder gab es wenigstens eine kleine Genugtuung?


Bei Mr. Monk hat sich die Symptomatik durch den Tod seiner Frau (Atten-
tat welches er nicht verhindern konnte) erst später (reaktiv) entwickelt.


Bist du sicher? Ich dachte, er hat Trudy gerade deshalb besonders geschätzt, weil sie mit seiner Symptomatik so elegant umgehen konnte... Kann aber sein, dass ich mich falsch erinnere.


Missbrauchserlebnis...

Man kann wohl nur annehmen, dass solche Menschen so sehr im eigenen Käfig eingesperrt sind, dass sie einfach nicht mehr merken, was sie anderen antun. Scheint mir mehr als Grund genug für eine nachhaltige „reaktive Symptomatik“.


Ich freue mich für dich, dass du deine (wahrscheinlich reaktiven) Berührungsängste erfolgreich aufgearbeitet und besiegt hast.

Danke. Ja, ich kann nicht klagen, so insgesamt. Angst- und Verwirrungszustände begannen bei mir erst im Alter von 27 und sind in den letzten 3 Jahren nicht mehr aufgetaucht. Ich hatte Glück in mehrfacher Hinsicht: Zum einen war ich, als es begann, schon so erwachsen, dass ich nicht völlig hilflos ausgeliefert war, sondern mit „Eigentherapie“ viel erreichen konnte, auch wenn ich mich damit manchmal in der Hölle fühlte. Zum anderen habe ich vor 6 Jahren, gerade, als ich fand, dass mich allmählich die Kraft verlässt, solchen früher oder später immer wiederkehrenden Zuständen entgegenzutreten, doch noch mein „therapeutisches Zuhause“ in der alternativen Medizin gefunden. Das war ein ordentlicher Schub nach vorne – zum einen durch Behandlungen, die mir im akuten Notfall Linderung verschafften und langfristig Kraft, Unterstützung und neue Anregungen für die Selbstheilung gaben. Zum anderen aber auch einfach dadurch, dass ich jetzt weiß, wo ich vertrauensvoll hingehen kann, wenn meine „Hütte brennt“ – eine nicht zu unterschätzende Beruhigung, denn die Angst vor der Angst und der damit verbundenen Hilflosigkeit („Was ist, wenn es so schlimm wird, dass mir nix mehr dazu einfällt?“) hatte einen ganz erheblichen Anteil am Leidensdruck.


Also: Lass dich nicht unterkriegen, lieber Beobachter! Und deiner Mutti muss ich doch an dieser Stelle mal ganz entschieden widersprechen: Sex kann eine sehr schöne Sache sein!

Liebe Grüße und auch dir und allen Mitlesern ein schönes Wochenende
cbra

P.s.: Und was ist aus deinem Vater und eurer Beziehung geworden?

Huhu cbra

Ich brauche zu diesem Thema nun einmal eine kurze Pause, es nimmt sonst
zu viel Raum in meinem Denken/Bewusstsein ein.

Duch derzeitigen vermehrten Kontakt zu meiner Halbschwester, und durch
eine Mutterbegegnung an Heiligabend, ist das Thema momentan zu sehr
tagesaktuell.

Was aus meinem biologischen Vater und unserer Beziehung geworden ist:

Er hat, kurz nachdem ich im Alter von 14 Jahren zu ihm gezogen bin, wieder
eine Frau gefunden, die vier Kinder mit in die neue Ehe eingebracht hat.
Ich war mit diesem plötzlichen Trubel damals überfordert, und bin dann mit
19 Jahren in meine erste eigene Wohnung geflohen.

Vor knapp 10 Jahren, kurz nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus,
hat mein Vater sein Haus und sein Vermögen den angeheirateten Kindern
überschrieben. Er begründete dies damit, ich hätte ja keine Nachkommen,
sei ständig arbeitslos, und somit würde am Ende alles der Staat bekommen.
Natürlich hat er mir das alles nicht persönlich gesagt, sondern über seinen
Rechtsanwalt mitteilen lassen.
Obwohl wir nur weniger als 100 Meter voneinander entfernt wohnen, haben
wir heute keinen Kontakt mehr.

Ganz liebe Grüsse, Der Beobachter

Bilder, die hochkommen, Gedankenkreisen, Raum einnehmen... ist das nicht ein Zeichen dafür, dass zu dem Thema noch Bearbeitungsbedarf besteht?

In meiner Erfahrungswelt heißt Selbstheilung oftmals, die Zeichen der Seele nicht wegzudrängen, sondern ihnen mit wachem Bewusstsein zu folgen und für Seele und Bewusstsein eine (neue) Einigung zu finden.

Aber versteh mich nicht falsch, lieber Beobachter: Ich bin auch nicht dafür, alles zu verzeihen. In der Theorie eine hübsche Idee, die in der Praxis leicht die Gefahr mit sich bringt, dass man doch wieder Opfer derer wird, denen man verziehen hat, obwohl sie selbst ihr verletztendes Verhalten gar nicht geändert haben – und schon ist man wieder drin im seelischen Teufelskreis. Sich erstmal selbst zu retten, halte ich für häufig sehr viel wichtiger. (Aber manchmal auch schwerer, wenn man ein harmoniebedürftiger Mensch ist.)

Ich hatte übrigens auch eine in weiten Teilen scheußliche Kindheit. Und hab meinem Vater erst nach seinem Tod vollumfänglich verziehen, weil er mir da nichts mehr tun konnte. Klingt hart, aber dafür habe ich auch lange das schlechte Gewissen mit mir herumgetragen, keine nette Tochter für ihn zu sein. Dennoch fand ich das schlechte Gewissen das kleinere Übel.

Würde mich freuen, mehr von dir zu lesen, aber natürlich nur, wenn es dir auch gut tut, mehr zu schreiben. Das soll hier ja ein Selbsthilfeforum sein und kein Selbstquälereiforum, wenn ich das richtig verstanden habe

Auch liebe Grüße
cbra

Huhu cbra

Nein, wirkliche Qual ist es heute nicht mehr, wenn ich über diese Dinge schreibe.
Allerdings ist es aber auch noch nicht allzulange her, da war es noch Qual, den
Weg (Akzeptanz) den ich heute gehe, den gehe ich erst seit etwa drei Jahren.
Vorher hat es meinem Gedächtnis Spass gemacht, aus solchen kurzen Bildern
einen oftmals wochenlangen Film mit sehr viel Gedankendrehen und Depression
zu machen.
Na ja, und natürlich ist mein (Über)Lebenskonzept nicht perfekt, manche Dinge
hängen quasi (für immer?) an einem seidenen Faden.
Ich habe das auch an Heiligabend erlebt, als ich meiner Mutter beim Essen bei
meiner Schwester gegenübersass.
Bearbeitet und Abstand bedeuten eben leider nicht, dass die Dinge wie unge-
schehen sind, sie werden dadurch nur besser lebbar und bestimmen nicht mehr
allzusehr das tägliche Dasein.

Die gute Frage, wie es emotional einmal sein wird, wenn die Täter nicht mehr
am Leben sind, habe ich mir auch schon öfters gestellt. Findet das Ganze dann
ein wirkliches Ende? Die Antwort darauf kann nur die Zukunft geben.

Verdrängung und Zwangsharmonie:

Es gibt natürlich immer einmal kurze Momente, wo sie erst einmal die einzige
Denk- und Handlungsmöglichkeit ist, aber mittelfristig oder gar als Dauerlösung
ist dieser Weg auf jeden Fall falsch, denn er kann nicht funktionieren. Er gaukelt
uns eine unwahre Realität vor, und unser Unterbewusstsein lässt sich davon nie-
mals in die Irre führen.

Achtsamkeit, die Akzeptanz des Unvermeidlichen, wozu auch die geschehene Ver-
gangenheit gehört, erkennen wo man im Hier und Jetzt für die Zukunft positiv
handeln kann, nur das sind die wirklich begehbaren Wege.
Mir selber hat dabei eine Achtsamkeitsmeditation (Bodyscan nach Jon Kabat Zinn)
sehr geholfen.

Verstehen und Verzeihen müssen:

Dieses Thema verlässt etwas den Boden der Psychologie und streift unvermeidlich
auch Bereiche des Glaubens und der Philosophie.
Ich selber erlaube mir heute, nicht mehr alles was Menschen (Eltern/Täter) getan
haben oder noch tun, verstehen und verzeihen zu müssen. Es ist nicht einfach in
Worte zu fassen, aber auch das nicht Verzeihen kann zu einem ehrlichen und
machbarem Abschluss der traumatischen Vergangenheitserlebnissen führen.
( Sich selber verstehen und verzeihen wäre noch einmal ein extra Thema )

Ganz liebe Grüsse, Der Beobachter

wollte auch mal meinen Senf dazugeben zum Thema Verzeihen - was mir geholfen hat

Wenn wir verzeihen, heißen wir damit das, was der andere getan hat, nicht automatisch gut. Wir können es nach wie vor falsch finden, niederträchtig, unangemessen, kriminell oder was auch immer.

Wir entscheiden uns damit lediglich dazu, nicht länger zuzulassen, dass die Tat unser Leben dauerhaft negativ beeinflusst. Die Tat selbst aber wird dadurch nicht besser.


und wenn wir uns Nur Verzeihen, das wir derzeit noch nicht alles Verzeihen können

Huhu

Sich verzeihen zu wollen/müssen dass man derzeit noch nicht verzeihen
kann, das kann zu einem sehr gefährlichen Gedankengang werden . . .

Hallo liebe,

ich stimme zu: Wenn wir verzeihen, heißen wir nicht automatisch gut, was der andere getan hat. Aber wir lassen unsere Abwehrwaffen sinken und öffnen wieder Raum für Vertrauen (oder nicht?) Und was machst du, wenn der andere die Gelegenheit nutzt und dir gleich wieder eine klatscht?

Oder ist Verzeihen aus deiner Sicht etwas, das sich nur in dir selbst abspielt und keine Auswirkung auf die Beziehung zu der anderen Person hat?

Liebe Grüße
cbra

Huhu

Mir fällt gerade einmal wieder verstärkt auf, dass viele Begriffe
die wir umgangssprachlich im Alltag so verwenden, eigentlich
überhaupt nicht wirklich auch für jeden gleich definiert sind.

Die meisten Begriffe haben kulturell eine bestimmte Wertigkeit,
sie sind in der Vorstellung mit Attributen wie positiv oder neg-
ativ verbunden. Positiv besetzte Begriffe werden sehr gerne
und oft verwendet, da sie meistens den geringsten Anlass zur
Meinungsverschiedenheit oder zur Kritik bieten.

Ganz liebe Grüsse, Der Beobachter
Sponsor-Mitgliedschaft

Zitat:
Und was machst du, wenn der andere die Gelegenheit nutzt und dir gleich wieder eine klatscht?


Totschlagen lassen müssen wir uns natürlich nicht, aber ich versuche den geistigen Schlagabtausch zu beenden. ( wie weiteren Groll oder Hass zu hegen )
Meiner Meinung nach besteht der Denkfehler dahin, daß wir dann in zu kurzen Zeitabständen denken. Wenn ich heute aufhöre meinen Nachbarn zu hassen, den ich jahrelang als Feind betrachtet habe, wird er mich wohl morgen kaum umarmen. Aber vielleicht kann ich mich in einem Monat, einem Jahr, in ein paar Jahren wieder normal mit Ihm unterhalten. Ich will ihn ja nicht zum Freund aber ein normales Verhältnis.

Zitat:
Oder ist Verzeihen aus deiner Sicht etwas, das sich nur in dir selbst abspielt und keine Auswirkung auf die Beziehung zu der anderen Person hat?


stimme dir zu - die Frage ist jedoch ob es die Beziehung zur anderen Person nicht automatisch ändert. Wir sind doch nicht doof und spüren doch oft genug was der andere denkt - auch wenn aus dem Mund was anderes kommt


Zitat:
Sich verzeihen zu wollen/müssen dass man derzeit noch nicht verzeihen
kann, das kann zu einem sehr gefährlichen Gedankengang werden . .


ich sehe es so.... damit lasse ich mich in Ruhe

Hallo liebe,

ich persönlich sehe einen Denkfehler darin anzunehmen, dass mein Verzeihen das Handeln einer anderen Person automatisch ändert. Und wenn ich dich richtig lese, würde ich sagen: Du hast ein besonderes Gespür für den richtigen Zeitpunkt. Dass ich nicht wieder eine geklatscht bekomme, setzt voraus, dass auch beim anderen ein Entwicklungsprozess stattgefunden hat, der dazu führt, dass er nicht dasselbe Verhalten in ähnlichen Situationen immer wieder abspult. Wenn ich spüre, dass er mir oder der Situation nun anders gegenübersteht als vorher und selbst bereit bin, achtsam mit ihm umzugehen, kann ich natürlich auch gefahrlos verzeihen - oder jedenfalls mit minimiertem Risiko.

Die Stelle, wo du mir zustimmst: Meine persönliche Ansicht ist das nicht, habe nur versucht, mich in dein Denken hineinzuversetzen.

Ich selber würde es grammatisch aufrollen: Das Verb verzeihen fordert ein Objekt (jdm. verzeihen steht dazu bestimmt im Duden), stellt also eine Handlung zwischen Subjekt und Objekt = 2 Personen dar. Und ist daher, für mein Verständnis, per se eine Sache, die nicht nur auf meiner eigenen inneren Bühne spielt.

Das Szenario des inneren Verzeihens, ohne die reale Beziehung zu ändern, würde ich eher als inneren Waffenstillstand bezeichnen: Ich hab mir ggf. selbst verziehen, dass es soweit kommen konnte, habe vielleicht sogar ein Verstehen der Geschehnisse und ihrer Ursachen entwickelt, und beschäftige mich nicht mehr damit, dem anderen die Vergangenheit übelzunehmen. Dass wir deshalb eine normale Beziehung haben können, ist damit jedoch nicht gesagt. Zumal die Erwartungen, wie eine normale Beziehung definiert ist, je nach Umständen sehr auseinanderklaffen können.

Ich greife zur Veranschaulichung mal nach einem von mir bereits angedeuteten Beispiel: mein Vater zu Lebzeiten in meinem Erwachsenenleben. Meine Definition einer lebbaren normalen Beziehung: Wir telefonieren einmal in der Woche, wir besuchen uns (z.B.) einmal im Monat, ich helfe mal aus, wenn ich kann, und wir gehen respektvoll und freundlich miteinander um. Seine Definition einer lebbaren und normalen Beziehung: Wir sind durch unser familiäres Band zutiefst verbunden. Er kann mich jederzeit anrufen - ggf. auch gerne nachts, wer sieht nach der dritten Flasche Wein schon so genau auf die Uhr? - und seine Gefühle in langen Weltschmerz- und Beschimpfungstiraden auf mich entladen. (Wir sind ja ehrliche Leute, hieß das in seinem Weltbild.) Wenn er meine Hilfe braucht, dann bin ich da, und wenn ich es nicht schaffe, seinen verwahrlosten Haushalt an einem Wochenende auf Vordermann zu bringen, dann sollte ich für eine Weile bei ihm einziehen und ihm helfen, seine tonnenweisen Altlasten Stück für Stück durchzugehen und Ordnung zu schaffen. Und wenn ich das anders sehe und kein Verständnis dafür habe, dass dies die einzig mögliche Form der für ihn sinnvollen Zuwendung ist, dann bin ich eben ein kaltschnäuziges und herzloses Biest, dem man das immer wieder sagen muss.

Eine Situation, aus der wir im Rahmen unserer Möglichkeiten das Beste gemacht haben, ohne jedoch einen Zustand zu erreichen, den einer von uns als normal oder als positiv erlebt hätte. Und hätte ich ihm sein Verhalten bereits zu Lebzeiten verziehen, so wäre ich gnadenlos untergebuttert und Opfer seiner emotionalen Erpressungen geworden, hätte mein Selbstwertgefühl von ihm in den Boden stampfen lassen und bis zum Ende seiner Tage bei ihm gewohnt und seinen Haushalt geführt.

Nicht wünschenswert, hab ich für mich befunden, und daher das kleinere Übel des Nichtverzeihens gewählt. Das Leben ist nunmal nicht immer voller Harmonie - auch das eigene Seelenleben nicht. Sich damit abfinden zu können, ist auch viel wert.


@ Beobachter: Verzeih, ich habe noch gar nicht auf deinen langen Beitrag geantwortet. Nun - das liegt vor allem daran, dass ich dir vollumfänglich zustimme und dem nichts hinzuzufügen habe.

Bei Gelegenheit werde ich, wenn es recht ist, nochmal auf die vielen Fragen zum Thema Der Beobachter und die Asperger-Symptomatik zurückschwenken.

(Es sei denn, du möchtest auch mal wieder selber die eine oder andere Frage in den Raum stellen?)

Für heute liebe Grüße
cbra

Hallo lieber Beobachter,

wie schon angekündigt: Ein paar Fragen kommen mir noch in den Sinn zur Asperger-Symptomatik.

Als Wohnort gibst du „im eigenen Käfig an“ – steht denn am Ende Deines Weges der Akzeptanz eine (gefühlte oder auch reale) Befreiung aus dem Käfig, oder heißt Akzeptanz für dich, den Käfig so, wie er ist, anzunehmen? Oder auch: Welche Komponenten willst du akzeptieren, und welche möchtest du noch ändern?

Hast du Freunde, die dich besuchen oder die du besuchst?

Liest du gerne Bücher? Oder funkt der Hang zu komplexen Gedankengängen beim Lesen dazwischen?

Nicole Schuster in dem Link von Capricorn erzählt von ihrem Wirsingkohl – hast du auch besondere Gewohnheiten oder Rituale, ohne die du dich unwohl fühlst?

Liebe Grüße
cbra

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