siliisa
Dies ist mein erster Beitrag, in der Vorstellungsrubrik habe ich mich kurz vorgestellt, wen es interessiert
Also erstmal: Esoterik an sich finde ich nicht schlimm und eine Art Glauben oder Religiosität zu besitzen, das liegt ja im Ermessen jedes Einzelnen.
Esoterik ist womöglich auch nicht das richtige Wort, um die aktuelle Situation meiner Schwester zu beschreiben. Sie ist aktuell 29, hat mit 23 die Diagnose Lymphdrüsenkrebs bekommen und das hat sie verständlicherweise alles ziemlich aus der Bahn geworfen. Sie hat dann auch eine Chemo und Bestrahlung über eine längere Zeit gemacht und der Krebs war wohl soweit weg. Wie ich jedoch vor kurzem von ihr erfuhr (meine Schwester redet nicht sehr gern über Probleme, will anderen keine Sorgen bereiten und die Dinge generell eher mit sich selbst ausmachen), hatte sie wohl 2014/15 ein Rezidiv des Krebs'.
Währenddessen ist mir und meiner Mutter (derzeit wohnt meine Schwester überwiegend bei ihr) auch seit ein bis zwei Jahren ihr Hang zur Esoterik aufgefallen (sie hört z. B. Louise Hay, die so ziemlich kuriose Selbst-Suggestionen macht, ein frei formuliertes Beispiel Wenn ich kein Geld habe, macht das nichts. Ich muss nur daran glauben, dann wird das Geld schon kommen.). Sie macht wohl auch immer so eine Art Segnungszeichen über ihr Essen und hat einige Monate eine bewiesenermaßen unwirksame Ölzieh-Kur gemacht, also mit Öl gespült und gespuckt. Meiner Mutter war das sogar peinlich, weil meine Schwester wohl ständig rumgespuckt hat.
Auch redet meine Schwester seit einiger Zeit sehr ungewöhnlich, wenn ich sie z. B. frage, was sie gerade macht, erwidert sie sowas: Ich lasse mich treiben, lausche dem Universum und gucke mal, was sich ergibt. Oder bei der Frage nach ihrem Krebs, ob es denn jetzt besser sei, antwortete sie ungefähr: Mir geht es super, bin topfit und gesund dank dem weltbesten Krebsarzt, den ich kennenlernen durfte. oder Dank eines umfassenden Körper-Geist-Seele Programms geht es mir bestens. Dieses Programm scheint aus Vitamindiät (sie hat mehrere große Packungen mit spanischer Aufschrift drauf und etlichen Nahrungszusätzen drin rumstehen) und Glauben an das Universum zu bestehen.
Mit dem besten Krebsarzt meint sie einen venezuelanischen Arzt (ich weiß nicht, ob er wirklich Arzt oder Dr. oder ähnliches ist), der regelmäßig in Deutschland auch seine Patienten besucht. Meine Schwester scheint ihn laut Aussage meiner Mutter auch bei seinen Terminen zu unterstützen, indem sie aus dem spanischen übersetzt und ein Buch für ihn übersetzt (in dem es auch um einen Glauben an eine göttliche Mutter und Handauflegen und sowas geht - meine Mutter hat mal nachgesehen). Dafür bekommt sie scheinbar kein Geld, nur ab und an läd er sie zum Essen ein. Sie scheint teilweise über 10 Stunden am Tag am PC zu arbeiten, aber fragt meine Mutter am Ende des Monats noch nach Geld, daher die Ansicht, dass sie dafür wohl nichts bekommt. Nebenbei arbeitet sie noch in Bayern bei einem befreundeten Paar, um Geld zu verdienen.
Dann hat meine Schwester schon seit einiger Zeit scheinbar mehrere Kredite am Laufen, von einem weiß ich, da sie mal in Verzug mit der Rückzahlung gekommen war und mich fragte. Das ist eine Kreditbank in Luxemburg, die auf mich keinen besonders seriösen Eindruck machte. Zusätzlich hat sie vor Kurzem mit dem Venezuelaner eine Firma gegründet, um aus Südamerika Kaffeebohnen, Kakaobutter und so etwas in Deutschland zu vertreiben, und einmal meinte sie auf Nachfrage meiner Mutter: Mach dir keine Sorgen, in einem Jahr hab ich 100.000 verdient.
Jetzt, wo ich weiß, dass der Krebs wiedergekommen ist, bildet sich langsam der Zusammenhang und ich mache mir ernsthafte Sorgen um meine Schwester.
Sie hatte vorher nie irgendetwas mit Religion, Esoterik oder so am Hut, aber hatte immer schon Probleme mit sich selbst und oft Diäten gemacht, weil sie sich nicht in ihrem Körper wohlfühlte. Bevor der Krebs kam, hatte sie zwar auch schon ihre Eigenheiten, aber das ist auch für sie nicht mehr normal. Auch, als sie mit dem Entgiftungs-Programm und so anfing, hatte ich manchmal das Gefühl, dass sie sich selbst wegen ihrer Lebensweise die Schuld an dem Krebs gab, was ja rein rational betrachtet wirklicher Unfug ist!
Zur Person meiner Schwester muss ich sagen, dass sie sich oft (ich denke unbewusst) egoistisch und herablassend verhielt und auch noch verhält. Sie war mit sich selbst nicht zufrieden und übertrug diese Einstellung auch mal auf andere, vor allem unsere Familie. Ich habe ihr auch damals, als sie solche Ängste wegen des Krebs' hatte, empfohlen, sich einen Therapeuten zur Unterstützung zu suchen (ich habe selbst wegen eigener Problematik eine Therapie durch und es hat mir ernsthaft geholfen, mich selbst zu akzeptieren), aber sie meinte, sie schafft das schon und brauche keine Hilfe so ungefähr.
Meine Schwester ist eigentlich sehr schlau, hat Politikwissenschaften und Weiteres in Bachelor und Master studiert, diverse Praktika im Journalismusbereich und sogar in Brüssel beim Europäischen Parlament gemacht, aber war scheinbar nie zufrieden (sie sagte es zwar, aber an ihrer Reaktion oder Art, es zu sagen, blieb immer das Gefühl in mir, dass sie dass nur so sagt). Sie reiste (da sie in einer Spielshow etwas Geld gewonnen hatte) in mehreren Jahren kreuz und quer durch alle möglichen Orte der Welt (Türkei, Bosnien, Polen, Spanien, Indien, etc. ) und sammelte in meinen Augen ganz viele spannende Erfahrungen.
Leider habe ich schon seit einigen Jahren (bereits vor der Krebsdiagnose) das Gefühl gehabt, dass sie sich anders gibt, als sie sich fühlt, also eine Art Maske auflegt, die total souverän, selbstsicher und so rüberkommt. Aber ich spüre es meist, wenn Menschen nicht ganz ehrlich sind und irgendetwas nicht stimmt und wenn sie dann ihre Maske ablegte, kamen darunter Selbstzweifel, Unzufriedenheit und Zukunftsängste zum Vorschein. Allesamt unbegründet eigentlich, aber sie fühlte es scheinbar wirklich. Ich hatte immer mehr Mühe, zu ihr vorzudringen und kam immer weniger mit ihr klar, weil ich dieses maskenhafte furchtbar anstrengend finde :/ .
Trotz allem ist sie meine Schwester und sie ist mir sehr wichtig. Und nun habe ich die große Angst, dass ihr Krebs (obwohl sie es sagt) nicht wieder besser geworden ist und sie sich einem Scharlatan anvertraut hat. Am meisten Angst habe ich davor, dass sie (was bei Lymphdrüsenkrebs normalerweise der Fall ist) konventionell sehr wirksame Methoden wegen der Nebenwirkungen etc. ablehnt und an ihrem Krebs stirbt, weil sie stattdessen Nichts macht und an eine Art Handaufleger glaubt. Ich bin mir durchaus bewusst, dass die Psyche sehr wichtig für die Genesung ist, aber alleine der Glaube daran, dass der Krebs weg sei, kann wohl kaum einen bösartigen Tumor in die Flucht treiben.
Vielleicht hat ja jemand von euch ähnliche Erfahrungen oder Ahnung von Menschen, die durch Krebs plötzlich gläubig oder esoterisch werden und wie man auf diese Person eingehen kann, ihr Hilfestellung bieten und sie retten kann vor dem sicheren Tod. Ich will meine Schwester nicht aufgeben und mit Mitte 30 an einen eigentlich heilbaren Krebs verlieren.
Zwar versuche ich schon, sie über die Aufklärung mithilfe von Studien, Krebsinfoseiten und ähnlichem Stück für Stück aufzuwecken, aber ob das was bringt? Was denkt ihr?
Ich hoffe, der Beitrag war nicht zu lang oder zu ausschweifend formuliert, alle Tipps oder auch Aufmunterungen sind wertvoll.
Einen lieben Gruß
Siliisa
07.12.2016 11:34 • • 07.12.2016 #1