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Ihr Lieben,

vielleicht kennt sich jemand mit diesem Thema aus und kann mir was dazu sagen. Ein Freund ist schon länger an einer Psychose erkrankt und war in den letzten zwei Jahren schon zweimal in der geschlossenen Psychiatrie. Beides mal zwangseingewiesen. Nun war er im Ausland und hat dort wohl eine schwere akute Krise gehabt mit Wahnvorstellungen, exzessivem Geldausgeben usw. Sein Psychiater hat aufgrund dessen was ihm aus der Familie telefonisch geschildert wurde eine Einweisung ins Krankenhaus geschrieben.

Davon weiß er aber nichts. In ein paar Stunden wird er (wenn alles gut geht) wieder in Deutschland ankommen. Seine Familie und der Psychiater sind einer Meinung, dass er sofort in die Klinik muss. Das Vertrauensverhältnis zur Familie ist aber momentan völlig zerstört, weil diese die beiden Zwangseinweisungen veranlasst haben. Aus seiner Sicht waren beide nicht nötig. Wir sehen das nicht so, beide Male war er wirklich auf dem besten Weg sich in absoluten Schwierigkeiten zu bringen.

Wir sind nun in der absolut blöden Situation dass wir ihm versprochen haben ihn am Flughafen abzuholen. Die Familie erwartet, dass wir ihn in die Klinik bringen. Wir sind aber eigentlich die einzigen Personen in der Nähe, denen er vertraut. Zu seiner eigenen Sicherheit müssten wir ihn wirklich in die Klinik bringen. Er ist gerade dabei, sich finanziell völlig zu ruinieren. Durch seine Krankheit hat er außerdem seinen Job verloren. Er hat die Wahnvorstellungen, fühlt sich verfolgt und ist wohl absolut manisch unterwegs. Schläft fast nicht usw. Wir werden versuchen, ihn dazu zu bringen freiwillig ins Krankenhaus zu gehen. Wenn uns das nicht gelingt, keine Ahnung was wir dann machen sollen. Ihn mit Gewalt hinbringen, die Polizei rufen? Damit würde er uns wahrscheinlich auch das Vertrauen entziehen.

In welchem Zustand er jetzt aktuell ist, wissen wir gar nicht. Angeblich ist es etwas besser geworden, weil er seit einigen Tagen regelmäßig seine Medikamente genommen hat. Brauche mal ein bisschen Input, wie wir uns am besten verhalten. Von Suizid hat er uns gegenüber noch nie gesprochen, aber wir wissen von Situationen in denen er schon aggressiv geworden ist und Streit mit irgendwelchen Leuten angefangen hat.

Wenn er freiwillig in die Klinik gehen würde, kommt er ja nicht automatisch auf die geschlossene Station, oder? Oder wie ist das, wenn jemand am Freitag abend mit einer Einweisung in die Psychiatrie kommt? Es wäre die selbe Klinik in der er schon zweimal war.

05.06.2015 11:47 • 08.06.2015 #1


13 Antworten ↓


Hey Luna,

Wenn das diesmal keine Zwangseinweisung ist, wird er wohl nicht direkt auf die Geschlossene kommen denk ich. Außer er ist ne Gefahr für sich selbst oder andere.
Finde das von der Familie nicht wirklich gut, dass die euch diese Bürde aufgelegt haben, das Vertrauen komplett aufs Spiel zu setzen, aber so ist die Situation jetzt wohl einfach.

Ich hoffe für euch, dass er einsieht, dass er lieber freiwillig mitkommen sollte, von Polizei oder so hingebracht werden wäre ziemlich unglücklich. Dass ihr ihm da möglichst gut zureden müsst, braucht man dir wohl nicht zu sagen Auch wenn er jetzt erstmal sauer sein wird etc, das Vertrauen verliert, kann ich mir vorstellen, dass er es später einsieht, dass es so richtig war. Wenn es ihm besser geht natürlich. Aber das lässt sich so natürlich nicht gut einschätzen, ich kenn ihn ja nicht. Das wirst du am besten beurteilen können, ob er dazu fähig sein wird.

Ich würde versuchen ihm ganz ruhig die Lage zu erklären, dass ihr euch große Sorgen macht und ihr ihn schützen wollt. Ihm sagen, dass er sich so nur selbst zerstört und sich das keiner wünscht.

Freitag abend Psychiatrie Einweisung kann ich jetzt nicht 100% so sagen, aber als ich in der Psychiatrie war, haben wir laufend auch am Wochenende neue Leute reinbekommen auf der offenen Akutstation. Ob das aber von Klinik zu Klinik wieder unterschiedlich ist, weiß ich nicht.

Ich wünsch dir viel Glück bei der Sache

A


Psychiatrie-Einweisung, was passiert da genau?

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Vielen Dank für deinen Zuspruch. Wir haben noch ein bisschen telefoniert und eine kleine Außenstelle der Klinik mit einer offenen Kriseninterventionsstation gefunden. Man hat uns am Telefon gesagt, dass er dort übers Wochenende bleiben könnte, sofern er halbwegs stabil ist und weder sich noch andere gefährdet. Dann könnte wir am Montag früh mit ihm zu seinem ambulanten Psychiater fahren.

Ich hoffe so sehr, dass er in der Lage ist, sich auf diesen Kompromiss einzulassen. Mir ist es schon den ganzen Tag schlecht, weil ich nicht weiß was uns erwartet.

Meistens ist es so, dass wenn man kurzfristig kommt, erst einmal auf die Akutstation / geschlossene kommt. Unabhängig davon, ob man freiwillig da ist oder nicht. Das liegt einfach daran, dass in den offenen meist so schnell kein Bett frei ist. Wenn man freiwillig da ist, bekommt man aber in aller Regel gleich eine höhere Ausgangsstufe, d. h. man darf weitestgehend nach Lust und Laune rausgehen.

Natürlich sind die Einschränkungen da dennoch höher alsauf der offenen. Egal ob freiwillig oder nicht, mit Rasierer, scharfen Gegenständen und oftmals auch Laptop usw. ist da nichts.

Hallo Luna,

so wie du es schilderst, ist ein Klinikaufenthalt sicherlich angebracht, jedoch reichen die Umstände für einen nicht freiwilligen Aufenthalt nicht aus, dazu müßte dein Freund sich akut selbst gefährden oder aber eine akute Gefahr für seine Umwelt darstellen. Und das tut er nicht.Er gibt lediglich zu viel Geld aus und verkennt die Realität. Das der Hausarzt eine Einweisung schreibt, bedeutet lediglich, daß er die Formalien für eine Krankenhauseinweisung erfüllt. Mit einer Zwangseinweisung hat das nichts zu tun. Für diese müßte eine für den betroffenen oder seine Umgebung gefährliche Situation vorherrschen, dann müßte die Polizei, sowie das Ordnungsamt informiert werden, welches mit einem sachverständigen Arzt vor Ort eine Entscheidung darüber trifft, ob eine Zwangseinweisung angezeigt ist oder nicht. Falls ja, wird der Betroffene in eine Klinik gebracht und muß dort innerhalb von 24 Stunden von einem Richter angehört werden, welcher dann entscheidet, ob der Patient weiterhin geschlossen untergebracht werden soll. Dies kann bis zu einem Zeitraum von 6 Wochen geschehen.

So viel zum Procedere...

In den seltensten Fällen sehen die Patienten das so, wie ihre Umgebeung, nämlich, daß sie kaum in der Lage sind, selbst zu entscheiden, was gerade gut für sie ist und was nicht. Genau das macht das Krankheitsbild ja aus. Daher wird euch wohl nicht viel anderes übrig bleiben, als mit Engelszungen auf deinen Freund einzureden und zu versuchen, ihn von einem Klinikaufenthalt zu überzeugen.

Alles gute für euch!

Zitat von kyro:
Meistens ist es so, dass wenn man kurzfristig kommt, erst einmal auf die Akutstation / geschlossene kommt. Unabhängig davon, ob man freiwillig da ist oder nicht. Das liegt einfach daran, dass in den offenen meist so schnell kein Bett frei ist. Wenn man freiwillig da ist, bekommt man aber in aller Regel gleich eine höhere Ausgangsstufe, d. h. man darf weitestgehend nach Lust und Laune rausgehen.

Natürlich sind die Einschränkungen da dennoch höher alsauf der offenen. Egal ob freiwillig oder nicht, mit Rasierer, scharfen Gegenständen und oftmals auch Laptop usw. ist da nichts.



Kommt drauf an, wer am Anfang Taschenkontrolle macht . Bei war das ein Zivi, der einen Elektro-Rasierer durchgehen hat lassen. Erst einen Tag, bevor ich in die offene verlegt wurde, wurde der nochmal konfisziert

Wenn ihr wüsstet, was ich schon alles mit auf die Geschlossene geschmuggelt habe...

Er ist zum Glück heil hier in Deutschland angekommen. Er war freiwillig nicht dazu bereit, jetzt am Wochenende in die Klinik zu gehen, zumal ein Arzt in den er Vertrauen hat erst am Montag wieder da ist. Mein Mann war mit ihm in diesem Kriseninterventionszentrum, da hat er mit einer Ärtzin gesprochen und die hat sich auch in der Klinik rückversichert. Er durfte dann wieder gehen.

Er ist jetzt bei uns zuhause und hat uns versprochen, dass er am Montag morgen mit uns in die Sprechstunde in die Klinik fährt. Ich hoffe, dass er das auch wirklich macht und dass wir die Zeit bis dahin irgendwie überstehen. Die werden ihn dann hoffentlich davon überzeugen, dass er freiwillig auf die offene Station geht. Ich habe mich heute morgen drei Stunden mit ihm unterhalten und er ist ein völlig anderer Mensch als der den ich kenne. Zwar grundsätzlich ruhig aber sobald man an der Oberfläche kratzt wird er aggressiv, laut, schlägt auf den Tisch. Er erträgt es scheinbar gar nicht, wenn man ihm widerspricht. Seine Familie ist natürlich wenig begeistert, dass wir ihn nicht mit Gewalt in die Klinik gebracht haben. Aber gestern abend gab es tatsächlich keinen Anlass für eine Zwangseinweisung, das hätte man höchstens provozieren können, in dem wir einfach dahin gefahren wären und ihn gezwungen hätten.

Momentan bin ich wirklich verunsichert, was das richtige ist. Er hat überhaupt keine realistische Einschätzung seiner beruflichen und persönlichen Situation. In beiden Bereichen hat er viel Porzellan zerschlagen, was er aber überhaupt nicht realisiert. Seiner Meinung nach wird das alles wieder. Was aber relativ sicher nicht der Fall sein wird, leider.

Oh je... das mit den Agressionen hört sich nicht gut an. Ich empfehle da, deeskalativ zu sein. Zu allem ja und Amen zu sagen und versuchen, irgendwie das Wochenende über die Runden zu bekommen. Nimmt dein Freund seine Medikamente ein? Hört sich für mich nicht so an...

Zitat von Fugazi:
Nimmt dein Freund seine Medikamente ein? Hört sich für mich nicht so an...


Laut den Leuten, bei denen er bis vor kurzem war, nimmt er erst seit 6 Tagen wieder Medikamente. Zwischendrin wohl eine Pause von 2 Wochen, soweit wir das nachvollziehen können. Die Medikation hat er ja gestern abend mit der Ärztin besprochen, das scheint in Ordnung zu sein. Medikamente ist leider ein schwieriges Thema. Die letzten beiden akuten Phasen sind wohl dadurch ausgelöst worden, dass er die Dosierung selbständig geändert hat. Ich habe ihn so verstanden, dass er die Geister eigentlich gar nicht loswerden will und die Medikamente auch deshalb ablehnt, weil das seine Wahrnehmung verändert und ihn zu sehr dämpft. Bis zu einem gewissen Grad scheint das Hochgefühl der Manie zu mögen weil dann alles möglich scheint.

Wir werden es wohl so machen müssen, uns die Geschichten anhören, nicht mehr widersprechen und erst am Montag beim Arzt Klartext reden. Das wird er uns dann wohl wahrscheinlich übel nehmen.

Hmm... das ist das große Problem bei Psychotikern und Manikern: der s.g. Krankheitsgewinn. Der betroffene Patient erlebt seine Krankheit nicht als Krankheit, daher fehlt ihm auch die Einsicht, Medikamente nehmen zu müssen. Finde ich sogar verständlich... Warum sollte ich Medikamente nehmen, wenn ich mich doch pudelwohl in meiner Haut fühle? Die gestörte Wahrnehmung des Ich-Erlebens sowie die Verkennung der Realität tut da sein Übriges.

Ihr werdet über kurz oder lang euch selbst die Frage stellen müssen, wie lange ihr, als Freunde, noch in der Lage sein werdet, euch solch großen Belastungen auszusetzen, denn für mich hört sich das gerade nicht so an, als würde sich das Verhalten deines Freundes kurz- oder mittelfristig ändern. Was ich empfehlen kann, ist die Teilnahme an Angehörigen-Seminaren. Mittlerweile ist es ein gängiges Angebot jeder größeren psychiatrischen Klinik, die Angehörigen mittels solcher Seminare über diverse psychische Erkrankungen aufzuklären und Umgangsweisen damit zu entwickeln. Bleibt nur die Frage, ob du dazu in der Lage bist. Schließlich bist du ja nicht in diesem Forum gelandet, weil du Fußpilz hast, sondern selbst unter der einen oder anderen Beeinträchtigung leidest, hm?

Ich wünsche dir, daß du gut auf dich aufpassen kannst...

Danke euch allen und besonders dir, Fugazi. Das war sehr hilfreich.

Mein Mann und ich sind uns einig, dass wir so eine intensive Unterstützung in Zukunft nicht mehr leisten können. Wir haben eigentlich mit unseren eigenen Problemen genug zu tun. Ich zähle schon mal die Stunden bis Montag morgen.

Übrigens sagt er genau das: er hat gar keine Krankheit.

Zitat von Luna70:
Übrigens sagt er genau das: er hat gar keine Krankheit.


Das habe ich mir gedacht. Dann kann ich euch nur raten, euren Entschluß in die Tat umzusetzen und euch zu distanzieren, sonst geht ihr irgendwann dabei drauf. Loslassen ist ja nicht fallen lassen. Wenn euer Freund irgendwann mal krankheitseinsichtig wird, könnt ihr eure Hand ja wieder ausstrecken.

Lieben Gruß

Das Wochenende ist überstanden. Wir waren in der Sprechstunde und es wurde besprochen, dass er freiwillig auf die offene Station geht und sich erstmal zu erholen und den momentanen ganz guten Zustand zu festigen. Aggressive Ausbrüche gab es keine mehr seit zwei Tagen, hoffentlich ein gutes Zeichen. Insgesamt lief das Ganze ganz gut, aber es hat mich unendlich viel Kraft gekostet. Für sowas bin ich wirklich nicht gemacht.

Lieben Dank für eure Unterstützung.

A


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