Hallo Watermelon,
es tut mir echt leid, dass es mit Deinem Therapeuten so schlecht läuft! Es war total mutig von Dir, Dir nach so langer Zeit des Leidens Hilfe zu holen, und ich hätte Dir sehr gewünscht, dass gerade die erste Therapieerfahrung eine andere gewesen wäre!
Die Verhaltenstherapie ist auf Seiten der Therapeuten und Kostenträger sehr beliebt, sie verspricht schnelle Resultate und hat eine geringere Stundenzahl als die anderen Formen (tiefenpsychologische Therapie und Analyse).
Es gibt auch viele Patienten, die damit gut klarkommen, eben weil man schnell das Gefühl bekommt, dass sich Dinge verändern/ verbessern. Wenn jetzt aber das Krankheitsbild schon sehr lange besteht und sehr tief greift, funktioniert das nicht immer so wirklich gut.
Im Wesentlichen besteht der Unterschied zwischen der tiefenpsychologischen Therapie und der Verhaltenstherapie (Analyse lasse ich mal beiseite) ja im Fokus: Die VT schaut sehr schnell auf die Gegenwart, möchte im Hier und Jetzt schnell Veränderungen erreichen (was können Sie jetzt ändern, damit es Ihnen jetzt und in der Zukunft besser geht), berücksichtigt zwar auch die Vergangenheit, die spielt aber eine eher untergeordnete Rolle.
In der Tiefenpsychologie geht es sehr in die Vergangenheit, es geht darum, zu verstehen, welche Ereignisse und Lebensumstände in der Vergangenheit uns zu dem Menschen gemacht haben, der wir heute sind. Es geht auch in dieser Therapieform auch mal darum, was man jetzt ändern kann, aber der Fokus liegt auf der Vergangenheit und dem Verstehen, weniger um das Und was machen jetzt wir mit diesen Erkenntnissen-das ist eher das Gebiet der Verhaltenstherapie.
Viele Therapeuten sind in der konkreten Therapie auch gar nicht so festgelegt (auch wenn es natürlich nach außen (Kostenträger) anders verkauft werden muss) und mischen die Therapieformen, angepasst an die Bedürfnisse des Klienten.
Ich habe damals zuerst eine tiefenpsychologische Therapie gemacht und später eine Verhaltenstherapie angeschlossen, bei mir hat das gut funktioniert. Zuerst verstehen, dann daraus Veränderungen ableiten und erarbeiten.
Ich hatte einen ähnlichen gedanklichen Impuls wie @moo: vielleicht wäre bei Dir eine tiefenpsychologische Therapie zu diesem Zeitpunkt hilfreicher, unabhängig von der Therapeuten-Frage.
(Für ein solch konfrontatives Vorgehen (viele Expositionen, Übungen, etc,..) muss man bereit sein, stabil genug sein.)
Es kommt sehr auf den individuellen Charakter des Therapeuten an, auf die menschliche Passung zwischen Therapeut und Klient. Die muss gegeben sein, sonst wird es schwierig. Und dafür sind die Fachrichtung und Spezialisierung des Therapeuten fast nebensächlich.
Was den Therapeuten an sich angeht: Er scheint echt ein schwieriger Charakter zu sein. Ich finde Deinen Impuls sehr gut, ihn darauf ansprechen zu wollen. Aus seiner Reaktion daraus wirst Du bereits viel ablesen können: Falls er ein (für Dich) guter Therapeut ist, wird er Deine Anregungen und Wünsche ernst nehmen und berücksichtigen, seine Therapie dementsprechend anpassen.
Falls er einfach nur ein total von sich selbst überzeugter Mensch ist, der sich für unfehlbar hält (oder der eigentlich total unsicher ist und überkompensiert), wird er Dir einfach nur erzählen, warum er es besser weiß, dass es an Dir liegt, seine Anregungen nur richtig umzusetzen, ... Das wäre dann definitiv ein Zeitpunkt für einen Wechsel!
Es kann z.B. sein, dass er Dir mit diesem über-andere-Patienten-Reden wirklich eigentlich helfen will und er nicht die Verantwortung für die therapeutischen Probleme auf Dich schieben will (auch wenn ich das in Deinem Fall durchaus für möglich halte!, so, wie Du es beschrieben hast), nicht jede Form von Intervention funktioniert bei jedem Patienten.
Ein souveräner und kompetenter Therapeut wird sich nicht angegriffen fühlen, es als einen Impuls für Verbesserung und aktive Mitarbeit des Patienten an der Therapie begreifen (was es ja auch ist) und positiv reagieren. Oftmals sind solche Therapeuten auch sehr dankbar für hilfreichen Input und konstruktives Feedback ihrer Patienten.
Aber es gibt halt auch die andere Sorte Therapeut.... Ich habe von beiden Sorten schon viele kennengelernt und kann sagen: Nur, wenn Du es mit einem konstruktiven Änderungsvorschlag bei ihm versuchst, wirst Du merken, wie er wirklich gestrickt ist.
Ich wünsche Dir, dass Du es schaffst, mit ihm zu besprechen und daraus die für Dich hilfreichen Konsequenzen abzuleiten.
Ganz viel Erfolg dafür!
LG Silver
18.08.2021 17:28 •
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