Ach, wie schön, daß hallodu in den Schwarz-Weiß-Malereimer greift, um uns die Lage zu erklären.
Es sollen ja schon noch ein paar (arabische) Leute übrigsein, die sich einfach mal vor dem (religiösen) Terror (per IS, aber auch vor dem politischen Druck, der u. a. in Ländern wie Algerien/Marokko) herrscht sowie der Lage, jetzt in der Türkei unter widrigsten Umständen gestrandet zu sein, dort obdachlos zu sein, hungern zu müssen, einfach nur in Sicherheit bringen wollen. Und die, falls sie in Europa/Deutschland ankamen/ankommen, weder pauschal verurteilt noch von Rechten in ihren Unterkünften verbal und/oder physisch behelligt werden wollen.
Die meisten Abschlagsopfer gibt es nicht in Europa, und sehr oft handelt es sich bei Terroropfern um Muslime - wie neulich in Kabul oder zuvor mal wieder im Irak. (Wer trauert um diese Menschen? Meist ist das nur eine Randnotiz in den Nachrichten, denn das ist ja gaaaanz weit weg.)
Es gibt mehr Tote auf deutschen Straßen als per Anschlag. Wo bleibt das Hashtag Je suis der Autofahrer, der gestern von einem - Alk. - Pokémon-Go-Spielenden an die Leitplanke gedrängt wurde und verstarb, derweil meine Geliebte, mein uneheliches Kind und mein frisch adoptierter Hund auf mich warteten? Oder Je suis der Fahrradfahrer, der bei einem illegalen Autorennen sein Leben lassen mußte? Oder der Hashtag Ich bin derjenige mit dunklerer Hautfarbe, der heute von einem Rechten zusammengetreten/angepöbelt wurde?
Die meisten Flüchtlinge - egal ob aus Armut, flüchtend vorm Krieg, wegen ihrer religiöser und/oder sexuellen Orientierung heraus verfolgt - werden in der Tat erstmal froh sein, ein Dach über dem Kopf zu haben, Nahrung, womöglich psychologische Betreuung zu erhalten, zur Schule gehen zu dürfen, einen Job zu erhalten, eine Wohnung. Und nicht, die demokratischen Wertvorstellungen unserer Gesellschaft anzunehmen oder (zwangsläufig, bei längerem Aufenthalt) unsere Sprache lernen zu müssen. Sicherlich muß hierzulande deutsches Recht gelten, müssen die Menschenrechte eingehalten werden, darf die Würde des einzelnen Menschen nicht verletzt werden - und dazu gehört aber auch, daß die Stigmatisierung ganzer ethnischer oder religiöser Gruppen eben nicht stattzufinden hat bzw. unterbunden werden muß! Wenn ein Deutscher hier ein Verbrechen begeht (soll ja ziemlich häufig vorkommen), zeigen wir (Deutschen; ich nehme an, hier im Forum befinden sich weitestgehend Deutsche) auch nicht auf uns selbst, oder? (Oh, ein böser Deutscher! Ob mein Nachbar ... der ist ja auch Deutscher ... hilfe: Ich ja auch. Ups!)
Ich habe folgenden SPIEGEL-Artikel gelesen:https://magazin.spiegel.de/SP/2016/28/145742868/index.html
über zwei syrische Waisenkinder, die jetzt in einer illegalen Näherei bzw. als Schrottsammler arbeiten müssen, um nicht zu verhungern. (13 und 11 Jahre!)
(Ist natürlich hier nur ansatzweise sichtbar; für Leute mit Empathie, die sich der Massenhysterie, die um sich zu greifen scheint - und die dem IS und demokratiefeindlichen Leuten im übrigen nur dienlich ist! - gerne widersetzen möchten.
Sicher ist nicht ausgeschlossen, daß auch Terroristen unter der Flüchtlingen herüberkamen und weiterhin kommen. Es ist sogar sehr wahrscheinlich. Aber jetzt in Panik zu verfallen (jetzt darf ich nicht mehr in die Bahn, darf das Flugzeug nicht mehr nehmen, uuuiii ... der sieht aber aus wie ein Muslim! Mama! Die trägt ein Kopftuch!) ist unsinnig! Die gefühlte Furcht ist größer als die statistische Wahrscheinlichkeit, einem Anschlag zum Opfer zu fallen! In Paris, in Brüssel, in Würzburg ...
Der Täter aus München war kein Terrorist, er war ein Amokläufer; und es wird immer wieder mal einen Amoklauf geben, egal, ob spontan oder (lange im voraus) geplant. Man wird sich nie dagegen (völlig) schützen können! In den 70ern/80ern gab es wesentlich mehr Tote durch Anschläge als heutzutage (RAF, ETA).
Es ist sicherlich ein scheußlicher Vorfall, das in München und auch das in Würzburg, etc. Die Angehörigen verdienen Mitgefühl und Beistand; viele von ihnen werden nie über diesen Verlust ihrer Liebsten hinwegkommen. Aber auch die Familie des Münchener Täters verdient Mitgefühl, denn auch sie haben ein Kind/einen Bruder verloren - und bestimmt sind diejenigen Leute schon in Sichtweite, die jetzt die Sippenhaft ausrufen und sie drangsalieren wollen.
Ich selbst war am 11. Januar 2015 in Paris, bei jener Demo für Charlie Hebdo und für die Ermordeten im jüdische Supermarkt. Ein Ereignis, bei dem sich Juden und Muslime umarmten, gemeinsam trauerten. Franzosen, Europäer gaben ein - friedliches - Bild ab, wie man miteinander umgehen sollte: Ohne Vorverurteilungen, zusammenstehend, eben nicht in Panik verfallend. Wir standen ab einem bestimmten Zeitpunkt wie die Heringe. Wenn da eine Massenpanik ausgebrochen wäre, hätte es Totgetrampelte gegeben. Aber es gab keine Panik, da die Leute achtsam und freundlich und rücksichtsvoll agierten! Ich sah keinen einzigen Alk., keine Haßparolen.
Und noch was zu Empathie: Laut Zeitung soll der Münchener Täter gemobbt worden sein. Dies entbindet ihn nicht von seiner (posthumen) Verantwortung, Unschuldige getötet, ermordet zu haben. Aber Empathie/Mitgefühl/Hilfe: Womöglich hätte nur eine einzige Weiche anders gestellt werden müssen, damit dieser Vorfall sich nicht ereignet hätte, daß eine Depression sich bei ihm womöglich nicht eingestellt hätte. Einen Amoklauf kann oft nur die Polizei beenden. Aber bei Mobbing können Lehrer/Mitschüler/Eltern/normale Menschen helfend und schützend eingreifen. Wehret den Anfängen!
Lieber Gruß von
Meise
24.07.2016 15:50 •
x 2 #25