Es geht darum, dass ich gewisse Probleme mit meinem Vater habe ... oder denke, zu haben ... vielleicht steigere ich mich da auch nur rein.
Ich muss dazu sagen, dass meine Eltern wirklich toll sind und sich immer gut um mich gekümmert haben, mir immer gezeigt haben, dass sie mich lieben, und ich weiß, dass sie immer hinter mir stehen und jederzeit alles stehen und liegen lassen würden wenn ich in Schwierigkeiten stecken würde. Also ich möchte meinen Vater hier wirklich nicht negativ darstellen und ich bin ihm sehr dankbar für alles, was er für mich tut.
Allerdings gibt es eben leider diese Diskrepanzen zwischen uns, die denke ich in erster Linie darauf beruhen, dass wir charakterlich einfach vollkommen verschieden sind. Er ist ein ziemlich pragmatischer, realistischer, praktisch denkender Mensch, der teilweise sehr extreme Ansichten hat und zu Schwarz-Weiß-Denken neigt. Ich bin mehr zurückhaltend, idealistich und so ziemlich offen für alles ... während für meinen Vater alles schwarz oder weiß ist, sehe ich eigentlich alles in Grautönen. Ich kann nicht einfach sagen Diese Person ist schlecht, weil sie dieses und jenes getan hat. Ich versuche dann immer die Beweggründe zu verstehen und danach zu urteilen, was mir meistens auch gelingt, weshalb ich für so gut wie alles irgendwie Verständnis aufbringen kann. Deshalb hält mein Vater mich für ziemlich naiv und leichtgläubig. Ich denke nicht, dass ich das bin. Ich sage ja nicht Diese Person würde sowas nie tun, sondern Es kann sein, dass diese Person es getan hat, aber erstens kann ich das nicht mit Bestimmtheit sagen, und zweitens kann und will ich darüber nicht urteilen, wenn ich die Beweggründe nicht kenne, denn vielleicht kann ich diese nachvollziehen. Deshalb versteht mein Vater auch nicht, warum mir manche Belange, die mich selbst gar nicht direkt betreffen, so sehr am Herzen liegen. Er kapiert beispielsweise absolut nicht, warum ich z. B. keine Partei wählen würde, die gegen das Adoptionsrecht von gleichgeschlechtlich ist. Er denkt, dass diese Thematik eine Strategie anderer Parteien ist um von den richtigen Problemen abzulenken. Dass manche Dinge in den Vordergrund gerückt werden um uns von anderen Dingen abzulenken, dem widerspreche ja nicht, aber ich bin der Meinung, dass die Gleichberechtigung aller Menschen doch eins der grundlegensten Dinge ist und dass daswichtig ist. Jeder Mensch sollte die gleichen Rechte und Pflichten haben, und wenn irgendwelche Politiker mir erzählen wollen, dass das nicht wichtig ist, dann zweifle ich doch sehr am Menschenbild dieser Leute und möchte die Zukunft dieses Staates nicht in ihren Händen sehen.
Die meisten Auseinandersetzungen, die ich mit meinem Vater habe, haben mit dieser Thematik zu tun. gleichgeschlechtlich, Geschlechterrollen etc. Ich würde meinen Vater nicht direkt als homophob bezeichnen, aber er ist halt noch in einer anderen Generation aufgewachsen als ich und für ihn sind das eben Minderheiten, über die nicht ständig diskutiert werden müssen und die keiner weiteren Aufmerksamkeit bedürfen.
Ich habe auch häufig das Gefühl, dass er mich nicht so ganz akzeptieren kann, weil ich eben nicht dem Bild entspreche, was er wohl von seinem Sohn hatte. Er hat mir nie Dinge verboten oder mich direkt angegriffen, aber er hat schon oft abwertende Kommentare abgegeben, wegen Dingen, die ihm an mir nicht passen. Er hat so ein bestimmtes Bild davon, wie ein Mann sich zu verhalten hat, und da passe ich einfach absolut nicht rein. Er versteht zum Beispiel schon mal nicht, warum ich nicht versuche, männlicher auszusehen. Er sagt mir ständig, ich solle doch mal ins Fitnessstudio gehen oder mir die Haare schneiden, andere Klamotten tragen, damit ich älter wirke ... damit du endlich mal männlicher aussiehst und Leute dich ernstnehmen. Er versteht nicht, dass ich es mag, eher androgyn zu wirken und dass es mich nicht stört, ab und zu für 16 gehalten zu werden. Und da sind da so Sachen, wie dass ich Lippenpflegestift benutze oder mal Puder um Hautunreinheiten abzudecken, und dass ich mir Klarlack auf die Fingernägel tue, weil sie sonst beim Gitarrespielen einreißen. Das kann er absolut nicht nachvollziehen, findet es unmännlich meint, damit würde mich niemand ernstnehmen. Auch, dass ich gerne T-Shirts von TV-Serien etc. trage, das findet er auch total kindisch. Dabei ist er der EINZIGE, der mich deswegen komisch anschaut. In der Schule fand es keiner komisch, in der Uni findet es keiner komisch. Er ist der einzige, der diesen veralteten Vorstellungen festhält und es komisch findet.
Er hat auch nie verstanden, warum ich lieber Bilder gemalt oder gelesen habe, anstatt draußen herumzutoben. Oder dass meine Vorstellung von Spaß keine Parties und Saufgelage beinhaltet, sondern ich lieber Fernsehserien gucke oder ins Theater gehe. Ich habe eben einfach andere Interessen und das kann er nicht so ganz akzeptieren. Er meint halt, ich wäre total verklemmt und arrogant und überheblich, weil ich meine, mich über diese Dinge stellen zu müssen. Was totaler Quatsch ist. Wenn andere Leute gerne ins Fitnesstudio gehen und Fußball spielen und Party machen und sich betrinken, ist mir das doch egal. Ich sage da auch gar nichts Negatives drüber. Das ist nur eben einfach nicht meine Welt. Und das hält mein Vater mir halt ständig vor. Anstatt dass er froh ist, dass ich genug Selbstbewusstsein habe, um einfach das zu tun, was mir gefällt, und es mir egal ist, wie andere das finden.
Manchmal finde ich es einfach schwer, damit klarzukommen, einfach weil ich mich immer kritisiert und abgelehnt fühle. Zum Beispiel fragt mein Vater mich dann schon mal nach den Dingen, die mich interessieren, von welcher Serie das Shirt ist, das ich da anhabe, und worum es da geht, aber er sieht mich dann immer so an, mit diesem Blick, der sagt Du bist wirklich zu alt für sowas, such dir mal ein RICHTIGES Hobby und benimm dich nicht wie ein Kind.
Oft ist es auch gar nicht das, WAS er sagt, sondern WIE er es sagt. Ich fühle mich einfach abgewertet und nicht ernst genommen. Aber ich kriege es auch nicht hin, dagegen anzugehen und ihm mal die Meinung zu sagen, einfach auch weil ich denke, dass es nichts bringen würde. Er versteht mich eben einfach nicht und hat eben akzeptiert, dass ich so bin wie ich bin, aber gerne sehen tut er es nicht.
19.11.2014 01:48 • • 20.11.2014 #1